„Kein G*** für niemand"

LEIPZIG. (hpd/MIZ) „Kein G*** für niemand - Religionskritik im Zeitalter der Fundamentalismen". Unter dieser Überschrift diskutierten am 21.9. Mina Ahadi (Zentralrat der Ex-Muslime), Dr. Dr. Joachim Kahl (freiberuflicher Philosoph) und Martin Hergert (IBKA) mit dem neuen Hausphilosophen des Theaters, Guillaume Paoli, im Centraltheater Leipzig.

 

Eingeleitet wurde die Diskussion durch eine szenische Lesung des Textes „Gespräch zwischen einem Priester und einem Sterbenden" (über den Unwert eines gottesfürchtigen Lebens) von Marquis de Sade durch einen Schauspieler, die begeisterte.

Die erste Frage bezog sich gleich auf den Text. Paoli, der den Text absichtlich wegen seines strittigen Inhalts ausgewählt hatte, fragte, wer diesen so unterzeichnen würde. Ahadi antwortete recht zustimmend, Hergert gab einige Bedenken an und Kahl führte eine etwas weiter gehende de Sade-Kritik aus.

Die nachfolgende Diskussion riss viele verschiedene Themen an, sodass manchmal die Tiefe eines Punktes zu kurz kam. Dennoch kamen erstaunlich differenzierte Ansichten zum Ausdruck. So fanden die Diskutierenden als Konsens, dass Religionskritik im öffentlichen Raum genauso möglich sein muss und soll wie Religion selbst und dass Religion keineswegs „reine Privatsache" ist.
Ebenso stimmten alle zu, dass im staatlich-institutionellen Bereich jedoch jede Ungleichbehandlung strikt zu untersagen ist.

Unterschiedliche Facetten der Diskussion ergaben sich aus den Profilen der drei Gäste. Während Mina Ahadi besonders die archaischen Grundlagen der meisten Religionen betonte und mit konkreten Beispielen aus dem Iran zu überzeugen wusste, konzentrierte Joachim Kahl sich auf theoretische Überlegungen und historische Betrachtungen. Als Vertreter des IBKA verstand es Martin Hergert, hin und wieder konkrete politische Forderungen des Vereins, etwa ein Ende der Milliardensubventionen an die Kirchen oder die Geltung des allgemeinen Arbeitsrechts auch für Beschäftigte in den Sozialkonzernen, herauszustellen.

Obwohl der Gastgeber Paoli versuchte, „des Teufels", bzw. hier „Gottes Advokat" zu sein, vermissten die Diskutierenden eine ernsthafte Gegnerschaft. Zu nah waren sich manchmal die Meinungen, was jedoch wiederum Raum für nähere Erörterungen ließ.

Zum Schluss stellten sich Ahadi, Kahl und Hergert noch den Fragen des Publikums, welches eine besondere Erwähnung wert ist. Vermutlich auch aufgrund des Tages der offenen Tür und der vorangegangenen Theateraufführung hatten sich mehr als 200, überwiegend junge Leute eingefunden, von denen einige auf dem Fußboden saßen und viele stehen mussten - mit solchem Andrang hatte der Veranstalter nicht gerechnet. Dieser Umstand reicht schon fast allein, um die Veranstaltung als gelungen zu bezeichnen und macht Hoffnung, dass das „Randthema" Religionskritik auf zunehmendes Interesse stößt - besonders im „gottlosen" Osten der Republik.

Martin Hergert