BERLIN. Es gibt Themen und Gesetze, die zwar grundsätzlich sind und jeden Bürger
betreffen, für die aber kein öffentliches Medieninteresse festzustellen ist. Dazu gehören das „Personenstandsrechtsreformgesetz - PStRG“ und das „Lebenspartnerschaftsgesetzergänzungsgesetz - LPartGErgG“.
Das Personenstandrechtsreformgesetz, am 9.11. verabschiedet, verändert immerhin das Personenstandsgesetz von 1937 in der Fassung vom 8. August 1957 - d.h. die behördliche Erfassung und Beurkundung von Geburt, Eheschließungen/Lebenspartnerschaften, Tod.
Betrachtet man sich allerdings die <Tagesordnung des Bundestages vom 9.11.2006>, so wurden u.a. behandelt: „Deutsche Einheit; Ethikrat; Steuerflucht; Arbeitnehmermitbestimmung; Tabakgesetz; Klimapolitik; Städteentwicklung; ERP-Vermögen; Steuerliche Begleitmaßnahmen; Große Anfrage Rechtsextremismus; Jahressteuergesetz 2007; Opferentschädigung; Kraftfahrzeugsteuergesetz; Entsorgungswirtschaft, Transparenzrichtlinie; Wirtschaftspartnerschaftsabkommen; Berufsaufsichtsreformgesetz; Hochschulpakt 2020; Verdienststatistikgesetz; gentechnisch veränderte Pflanzen; Personenstandsrechtsreformgesetz; Wohnraum bei Hartz IV; Verbraucherschutzgesetze; Aufenthaltsgesetz; REACH-Chemikalienpolitik; Flüchtlinge aus Togo; Arbeitnehmer-Entsendegesetz; Gewebegesetz.“
Dabei kann natürlich so ein Gesetz schon mal übersehen werden.
Innerhalb der Personenstandsregelungen waren zwei Aspekte besonders umstritten: zum einen die Bestimmung im Gesetzentwurf, dass bundeseinheitlich die gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften vor Standesämtern beurkundet werden - schließlich sind Standesämter, wie ihr Name bereits sagt, für das Personenstandswesen zuständig - und zweitens die Weitergabe von Personenstandsdaten an die Kirchen.
Standesamtliche Beurkundung von Lebenspartnerschaften
Der bundeseinheitlichen Bestimmung der Standesämter als zuständige Personenstandsstelle hatte bereits der Bundesrat <widersprochen> und eine Länderöffnungsklausel verlangt. Hintergrund dieser Frage ist die politische Auseinandersetzung um den Status der gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften. Das <Bundesverfassungsgericht> hatte in der Frage, ob das Lebenspartnerschaftsgesetz verfassungskonform sei, eindeutig geäußert, dass die Förderung und das Institut der Ehe nicht durch die Anerkennung von Lebenspartnerschaften tangiert werde. „Eine solche Gefahr könnte bestehen, wenn der Gesetzgeber in Konkurrenz zur Ehe ein anderes Institut mit derselben Funktion schüfe und es etwa mit gleichen Rechten und geringeren Pflichten versähe, so dass beide Institute austauschbar wären. Eine derartige Austauschbarkeit ist mit der Schaffung der eingetragenen Lebenspartnerschaft jedoch nicht verbunden. Sie kann mit der Ehe schon deshalb nicht in Konkurrenz treten, weil der Adressatenkreis, an den sich das Institut richtet, nicht den der Ehe berührt. Die eingetragene Lebenspartnerschaft ist wegen dieses Unterschieds auch keine Ehe mit falschem Etikett, wie dies in beiden Minderheitenvoten angenommen wird, sondern ein aliud zur Ehe.“
Diese Klärung war aufgrund des konservativ-kirchlichen Widerstands gegen das Partnerschaftsgesetz notwendig geworden.
In dieser Hinsicht ist es mehr als eigenartig, wenn beispielsweise die katholische Kirche – die sich besonders vehement berufen fühlt, das Institut der „heiligen Ehe“ zu verteidigen und <davor warnt>, dass beabsichtigt sei, die Lebenspartnerschaften der Ehe gleich zu stellen –, beständig in offiziellen Dokumenten von <„Homo-Ehe“> schreibt. Ebenso bemerkenswert ist die blutrünstige Überschrift der <Deutschen Bischofskonferenz>: „Das Ehe- und Familienrecht wird regelrecht ausgeschlachtet“.
In der Etappe des Personenstandsrechts musste also verhindert werden, dass die standesamtliche Beurkundung einheitlich eingeführt wird, oder wie es der CDU-Abgeordnete Stephan Meyer <formulierte>: „Mit der Länderöffnungsklausel wird sichergestellt, dass das Personenstandsgesetz, das die Begründung und die Beurkundung von eingetragenen Lebenspartnerschaften einheitlich beim Standesbeamten bzw. beim Standesamt vorsieht, keine Anwendung findet, wenn landesrechtliche Vorschriften – bis zum 1. Januar 2009 – bestehen, die vorsehen, dass die jeweiligen Erklärungen für eine eingetragene Lebenspartnerschaft auch gegenüber einer anderen Urkundsperson oder einer anderen Behörde abgegeben werden können. Diese Maßnahme ist ausdrücklich zu begrüßen, da sich die landesrechtlichen Regelungen, zum Beispiel in Baden-Württemberg – Landratsämter und Bürgermeisterämter – und in Bayern – Notare –, bewährt haben.“
Der Widerstand – insbesondere der Fraktion der <BündnisGrünen>, die von „Armutszeugnis“ und „Verwaltungswirrwarr“ sprachen – wurde von der Regierungsmehrheit überstimmt.
Weitergabe des Familienstandes
Auch der zweite Diskriminierungsaspekt wurde beibehalten, trotz ausführlicher <Darstellung der möglichen Konsequenzen> im Bundestag :„Wir wollten ein Widerspruchsrecht für eingetragene Lebenspartnerschaften gegen die Weitergabe ihres Familienstandes an die Kirchen. Die Weitergabe dieser Daten, die aus kirchensteuerrechtlichen Gründen nicht erforderlich ist, kann zum Verlust des Arbeitsplatzes führen. Der Ständige Rat der Deutschen Bischofskonferenz hat in einer Erklärung vom 24. Juni 2002 festgestellt, das Rechtsinstitut der Lebenspartnerschaft widerspräche der Auffassung über Ehe und Familie, wie sie die katholische Kirche lehre. In Lebenspartnerschaften lebende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im kirchlichen Dienst machen sich deshalb eines schwerwiegenden Loyalitätsverstoßes schuldig, der die kirchlichen Arbeitgeber nach gefestigter Rechtsprechung zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses berechtigt. Anstatt dass Sie diese diskriminierende Praxis der katholischen Kirche kritisieren, liefern Sie die Daten für die mögliche Entlassung.“
Die Sprecherin des Lesben- und Schwulenverbandes in Deutschland, Renate Rampf, bewertete dieses Ergebnis und das allgemeine Desinteresse zwar als „betrüblich“, ist aber zuversichtlich, dass die Verbände im Frühjahr 2007, wenn der am 15.11.2006 von der Fraktion der BündnisGrünen eingebrachte <Gesetzentwurf> des „Lebenspartnerschaftsgesetzesergänzungsgesetz - LPartGEgG“ die parlamentarischen Stationen durchlaufen hat und zur allgemeinen Diskussion ansteht, eine größere Öffentlichkeit erreichen.
Es wird also noch Zeit brauchen, bis das sexuelle Selbstbestimmungsrecht der Menschen In Deutschland auch seine vollständige juristische Anerkennung gefunden haben wird.
Carsten Frerk