Luxemburg: Sterbehilfe depenalisiert

LUXEMBURG. (hpd) Ab heute ist Luxemburg neben Belgien und den Niederlanden das dritte europäische Land, das die aktive Sterbehilfe depenalisiert, und damit seinen Bürgern ein menschenwürdiges Sterben ermöglicht. Mit 31 Ja-Stimmen, 26 Nein-Stimmen und 3 Enthaltungen wurde die „proposition de loi" angenommen. Dieser Entscheidung war eine mehr als hitzige Debatte sowie ein monatelanger „Kulturkampf" vorangegangen.

Ein Bericht und Kommentar von Manuel Huss

Anfangs hat sich der Widerstand gegen das Gesetz auf die konservativen Kräfte in Luxemburg beschränkt: Die katholische Kirche und ihr Propaganda-Organ, das Luxemburger Wort, ließen fast täglich Hasstiraden und Realitätsverzerrungen auf die Bürger Luxemburgs nieder regnen, und haben auf diese Weise Angst, Verwirrung und Zwietracht in der Bevölkerung geschürt, um das Gesetz zu verhindern.

Als zwei Wochen vor der zweiten Lesung im Parlament eine erneute Mehrheit für das Sterbehilfe-Gesetz als ziemlich sicher galt, zückte die Kirche ihren allerletzten Joker und „natürlichen" Verbündeten, den Großherzog von Luxemburg, der laut Verfassung die Gesetze unterzeichnen muss, bevor sie in Kraft treten können. Der Großherzog, der, wie allgemein bekannt, ein strenggläubiger Katholik ist, ließ zwei Wochen vor der parlamentarischen Abstimmung verkünden, er würde das Gesetz nicht unterzeichnen. Damit hat er -und die Kräfte, die ihn dazu bewegt haben -, in Kauf genommen, Luxemburg während der Wirtschafts- und Finanzkrise in eine weitere Verfassungskrise zu stürzen. Dieses Verhalten hat Luxemburg, das dem Monarchen stets wohlwollend gegenüberstand, aufgerüttelt. Diese Weigerung aus religiös motivierten Gründen ist nicht bloß als Androhung eines Verfassungsbruchs zu verstehen, sondern ist eine gezielte Beeinflussung des demokratischen Prozesses. Quasi über Nacht musste eine Verfassungsänderung vorgenommen werden, welche die Rechte des Großherzogs stutzt, damit der demokratische Prozess weiter laufen konnte.

Damit aber nicht genug: der Eingriff des Großherzogs, dem ein Besuch im Vatikan vorausgegangen war, hat fundamentalistische Christen in ganz Europa aktiviert. Auf deutschsprachigen Websites wird der Großherzog als christlicher Held gefeiert, in Frankreich haben konservative Abgeordnete eine Initiative zur Unterstützung des Großherzogs gestartet, und zu guter Letzt hat der heilige Stuhl in einer Pressemitteilung alle Christen in Europa aufgefordert, den Großherzog in seiner Haltung gegen die parlamentarische Mehrheit zu unterstützen. Hier muss die Frage erlaubt sein: Wer macht in Luxemburg Gesetze? Das Volk oder der Vatikan?

Die vergangenen Wochen und Monate haben klar und deutlich gezeigt, wie groß der Einfluss der katholischen Kirche auf die Politik in Europa immer noch ist, und welche Gefahr sie für Demokratie und Selbstbestimmung immer noch darstellt.

Die Tatsache, dass dem Gesetz nun trotz dieser antidemokratischer Angriffe mehrheitlich zugestimmt wurde, ist für viele Menschen in Luxemburg eine große Erleichterung. Das Gesetz steht nicht bloß für einen gesellschaftspolitischen Meilenstein in Sachen Selbstbestimmung und menschenwürdiges Sterben, sondern es stellt unter Beweis, dass die Menschen im 21. Jahrhundert lieber selber über ihr Leben und ihr Sterben entscheiden möchten, als sich von der Kirche weiterhin bevormunden zu lassen. Es bleibt zu hoffen, dass der Fall Luxemburg auch auf andere europäische Staaten abfärben wird.

Die Depenalisierung der Sterbehilfe in Luxemburg bedeutet aber auch, dass man sich für die nahe Zukunft auf eine Art „Kulturkampf" einstellen muss, der weit über die Frage nach der Sterbehilfe hinausreichen wird, denn die Kirche und ihr politisches Umfeld ist es nicht gewohnt und wird sich kaum damit abfinden können, dass das Volk selber denken und entscheiden möchte und die „moralische" Bevormundung seitens der Kirche satt hat.