HAMBURG. (hpd) Am vergangenen Freitagabend (26.10.07) fand eine Premiere
statt. Im Bistro des Deutschen Elektronen-Synchrotrons (DESY) feierte Eike Scholz, ein 27jähriger Physiker und Mathematiker, seine persönliche Emanzipation.
Rund vierzig Freunde und Bekannte waren seiner Einladung gefolgt. Auch die Vorsitzende des Landesverbandes Hamburg des Humanistischen Verbandes Deutschland (HVD), Petra Schmidt, der Vorsitzende der Stiftung Geistesfreiheit, Konny G. Neumann, sowie der Bundesvorsitzende des HVD, Dr. Horst Groschopp, waren anwesend. Aus dem Landesvorstand der Humanistischen Union war Hartmuth Wrocklage gekommen und ebenso der ehemalige Landesvorsitzende und Präsident der Unitarier, Eike Möller.
Nach Kuchen und Kaffee folgte die persönliche Emanzipationsrede (im Anhang), ergänzt von einem Grußwort des Vaters und einer kurzen Glückwunschansprache des HVD-Bundesvorsitzenden. Anschließend labte man sich mit großem Genuss am warmen Büffet und plauderte und tanzte anschließend in die Nacht hinein.
Der hpd sprach mit Eike Scholz - der aus einem katholischen Elternhaus stammt -, über die Hintergründe dieser Emanzipationsfeier.
hpd: Gab es einen konkreten Anlass?
Eike Scholz: Ja. Ein Mensch bekennt sich zu den humanistischen Idealen. Das kommt häufig vor, wird jedoch selten gefeiert. Dieses Bekenntnis geht oft mit der Abkehr von anderen traditionellen Bräuchen und Normen einher und zuweilen reagiert das persönliche Umfeld des nun bekennenden Humanisten zurückweisend.
Ja, es wertet Selbsterklärungsversuche sogar als nicht angebrachte Missionierungsversuche. In der Konsequenz führt das dazu, dass nicht nur eine gute Gelegenheit zu Feiern ungenutzt bleibt, sondern es wird auch nicht diskutiert und ein Dialog findet nicht statt. Das hat zur Folge, dass die Gedanken der Humanisten keinen weiteren Bekanntheitsgrad erlangen. So kommt es, dass man als Humanist seine Positionen immer und immer wieder darstellen muss. Gleichzeitig wird es Fundamentalisten anderer Weltanschauungen erleichtert, den Humanismus zu diskreditieren. Ja, selbst im beginnenden 21 Jahrhundert muss der Humanist zuweilen gegen ein Stigma der Gottlosigkeit ankämpfen, welches eigentlich längst überwunden sein sollte.
Diese Problematik will ich mit dieser Feier angehen.
hpd: Kann man gegen dieses „Stigma der Gottlosigkeit" etwas tun?
Eike Scholz: Ich denke schon, dass man das kann. Und zwar ohne in missionarischen Eifer auszubrechen. Dazu sollten wir, d.h. die Humanisten, anfangen, unser Eingeständnis zu den humanistischen Werten groß zu feiern und dabei möglichst das gesamte Umfeld einladen. So dass gleichzeitig ein Fest und eine soziale Institution entstehen in der der Humanist seine Gedanken publik machen kann, ohne dass dieses als Missionierung angesehen werden. Schließlich liegt in der Bekanntgabe ja der Grund und Zweck des Festes.
Konkret sollten wir also den Eintritt eines Menschen in die humanistische Wertegemeinschaft feiern. Dieses kann in jedem Alter geschehen, und das Fest sollte auch von denjenigen nachgeholt werden, welche schon lange Humanisten sind. Eben auch, um das Fest als soziale Institution zu verankern. Allerdings nicht vor erreichen der Volljährigkeit, da diese Entscheidung erst mit Erreichen der vollen Mündigkeit besonders glaubwürdig ist.
hpd: Wieso „Emanzipationsfeier"?
Eike Scholz: Im wesentlichen, da das Bekenntnis zum Humanismus mit der Weigerung verbunden ist, sich von alten starren religiösen, ideologischen und traditionellen Weltanschauungen leiten zu lassen. Die Bezeichnung hat auch den Vorteil in ihrem Selbstverständnis nahtlos an den Emanzipationsbegriff der Frauenbewegung anzuschließen. Ja, der Emanzipationsbegriff wird sogar so erweitert und konkretisiert, dass er für alle Menschen eine eingängige Bedeutung bekommt, was der positiven Bewertung der humanistischen Ideale förderlich sein sollte.
hpd: Wie sollte die Feier also aussehen?
Eike Scholz: Der Inhalt der Feier soll es sein, die eigene humanistische Weltanschauung darzulegen und sich zu dieser zu bekennen. Da dies für den Humanisten eine sehr wichtige Komponente seines Lebens ist, sollten wir von den Gästen verlangen, in festlicher Abendgarderobe zu erscheinen. Denn zu wichtigen Anlässen kleidet man sich auch entsprechend.
hpd: Und hat du weitere Vorstellungen dazu, wie diese Feier aussehen sollte oder könnte?
Eike Scholz: Ja, das habe ich. Aus pragmatischen Gründen und weil Feste immer eine schöne Sache sind, sollte der Beginn der Feier in den frühen Abend gelegt werden. Beginnen kann man mit einem Empfang, vielleicht mit Sekt oder Kaffee und Kuchen, welcher solange andauert, bis dann die geladenen Gäste so gut wie vollständig erschienen sind. Darauf folgt der Kern der Feier: Die Emanzipationsrede. Der sich Emanzipierende legt sein Verständnis von Humanismus dar. Dabei sollte beachtet werden, dass eine Rede die länger als eine Stunde dauert, schnell lästig wird. Bei schlechten Rednern werden diese schneller lästig. So gilt im Zweifelsfall auch hier: „weniger ist mehr". Danach folgt der Rest der Feier, deren weiterer Verlauf vom Veranstalter der Emanzipationsfeier individuell gestaltet wird.
hpd: Was soll man sich unter dem zentralen Angelpunkt der Feier - der Emanizipationsrede - genauer vorstellen?
Eike Scholz: Folgendes: Bei dieser Rede legt der sich Emanzipierende der Öffentlichkeit dar, wie er seine humanistischen Auffassungen versteht und verteidigt diese gegen übliche oder vorauszusehende Angriffe. Dabei soll die Rede die persönliche Auffassung zu den Kern-Punkten, welche in jeder humanistischen Weltanschauung vorkommen, wiedergeben und diese konkretisieren.
Humanistische Weltanschauungen sind im Kern Anschauungen, die
- individuell
- selbstbestimmt
- weltlich
- solidarisch
- und kritisch sind.
Diese Punkte sind als Anhaltspunkte gemeint und können in dieser Form auch in dem humanistischen Selbstverständnis des HVD gefunden werden.
Wenn man andere Grundlagen für gleichwertig, aber in der Zusammenfassung für besser geeignet hält, ist die Emanzipationsrede genau die Stelle, an der man dieses darlegen sollte. Als Option für Menschen, die dem Schreiben zugeneigt sind, bietet es sich an, gleich noch eine Emanzipationsschrift anzufertigen, die die Argumente der Rede ausführlicher erläutert.
Damit wäre der Kern der Feier dargestellt und es lässt sich zusammengefasst feststellten, dass wir mit der Emanzipation eine einfach strukturierte Feier haben, welche zusammen mit ihrer Bezeichnung einen hohen Widererkennungswert hat. Gleichzeitig ist sie aber sehr frei und individuell gestaltbar, wie es für Menschen mit humanistischer Weltanschauung wichtig ist.
Insbesondere aufgrund dieser Eigenschaften eignet sie sich auch als Verbandsübergreifende gleich gestaltete Aufnahmefeier für humanistische Verbände, welche im Detail abweichenden Ansichten haben.
hpd: Siehst du diese Feier auch in einem historischen Zusammenhang?
Eike Scholz: Ja. Die Feier orientiert sich in ihrem Aufbau an der Tradition des Diskurses, welche sich mindestens bis ins antike Griechenland zurückverfolgen lässt und somit sogar älter ist als Christentum und Islam. Im Diskurs werden Werte von Menschen gemeinsam gefunden und anerkannt. Also steht auch jede Weltanschauung, die sich humanistisch nennen will, in dieser Tradition. Allerdings fehlt dem Fest dann noch eine wesentliche Komponente. Im Diskurs korrigiert man auch ab und an eigene Ansichten bzw. passt sie neuen Erkenntnissen und Argumenten an.
hpd: Behält man dann diese Korrekturen dann für sich oder geht man damit auch an die Öffentlichkeit?
Eike Scholz: Das mit den Korrekturen ist kein Problem. Wir feiern als Humanisten einfach die Adaption. Und zwar die 1. die 2. die 3 usw. bis es einem nicht mehr möglich ist diese zu Feiern. In der Adaption, welche wir ganz analog zur Emanzipation feiern, gehen wir dann auf häufige Missverständnisse ein und korrigieren, wenn nötig, unsere eigenen Ansichten. Die Komponenten seiner Weltanschauung sollte man nicht vorschnell und nur nach sorgsamer Prüfung ändern, daher sollte man die Adaption nur ca. alle 5 bis 10 Jahre Feiern. In dieser Zeit ist einem bestimmt das Eine oder Andere aufgefallen, welches häufig missverstanden wird oder welches man selbst falsch gesehen hat. Wir sollten aber nicht den Diskurs direkt die Feier hineintragen, da abzusehen ist, dass das in so einigen Fällen den Spaß an der Feier verderben wird.
hpd: Das war heute eine Premiere, also das erste Mal, dass ein Humanist in Deutschland eine derartige Emanzipationsfeier ausgerichtet hat. Wünscht du dir Nachfolger dieser Feier?
Eike Scholz: Ja, auf jeden Fall! Ich ich denke sogar, dass es nahe liegend und sehr wünschenswert wäre, wenn diese Feier fester Bestandteil der humanistischen Tradition wird. Insbesondere da die Teilnahme der Mitmenschen, diese darauf aufmerksam macht, dass auch Humanisten Feste haben. Was natürlich heißt, möglichst groß zu feiern und alle Freunde und Gegner einzuladen.
Die Fragen stellte Carsten Frerk