Der ultimative Fasten-Ratschlag

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Fisch ist eine traditionelle christliche Fastenspeise, seit der Papst "warmblütiges Fleisch" im 6. Jahrhundert verbot.
Fisch – eine traditionelle christliche Fastenspeise

Seit Aschermittwoch herrscht Fastenzeit im christlichen Glauben. Was einst ein Muss war, wie noch heute das Pendant in islamisch geprägten Ländern, interessiert hierzulande kaum noch jemanden. Immer wieder überlegen sich die Kirchen deshalb Neues, was man in der Moderne so alles fasten könnte, um dem Ladenhüter wieder mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen. Ein satirisch angehauchter Blick darauf und über den Bedeutungsverlust des Glaubens in der eigenen Biographie.

Mein Start ins Leben – 1960 in einem stockkatholischen 1.000-Einwohner-Dorf – fing schlecht an. Kaum geboren, eigentlich schon vor meiner Geburt, war ich ein Sünder. Meine Seele war schwarz, die Erbsünde lastete schwer auf mir. In meiner katholischen Familie war das die absolute Wahrheit. Das habe ich damals noch nicht verstanden, es wurde mir später in der Grundschule in extenso erklärt. Ich fand es faszinierend, habe alles geglaubt und eifrig beim Religionsunterricht mitgearbeitet. Mein Reli-Heft war so vorbildlich, dass ich es mit wenigen anderen Schülerinnen und Schülern unserem Pfarrer zeigen durfte. Ich kann mich schwach daran erinnern, dass er keine besondere Begeisterung zeigte und ich ein wenig enttäuscht war. Er hatte wohl kein Interesse an kleinen Knaben, im Nachhinein spricht das für ihn.

Das mit der Erbsünde war zu dem Zeitpunkt schon abgehakt, ich wurde kurz nach der Geburt getauft und schon war meine Seele rein und weiß. Die Taufe muss von einem Pfarrer durchgeführt werden, es sei denn, es ist eine Nottaufe notwendig. Bei akuter Lebensgefahr für das Kind darf auch von Laien getauft werden. Das geht sogar bei einem ungeborenen Kind. Die Taufe muss aber mit Wasser durchgeführt werden, wofür eigens ein Gerät entwickelt wurde, das wie eine überdimensionale Spritze anmutet. Im aktuellen Katechismus ist die Nottaufe noch aufgeführt.

Nach der Taufe war ich verantwortlich für meine Seele. Für einen katholischen Christen gibt es unzählige Möglichkeiten, seine Seele nach und nach einzuschwärzen. Ich bin stolz auf mein neues Fahrrad, schon hat die Seele einen schwarzen Fleck. Ich bin geizig und gebe nichts von meinen Süßigkeiten ab, noch ein Fleck. Ich schaue mir die Damenunterwäsche im Quellekatalog an, wieder ein Fleck. Ich bin zornig, weil mein Bruder mich ärgert, der nächste Fleck. Ich esse drei Stück Kuchen mit viel Sahne, noch ein Fleck. Ich bin neidisch auf das noch schönere Fahrrad des Nachbarkindes – es hat außer der Dreigangschaltung auch noch einen Rennradlenker! –, wieder ein Fleck. Ich bin faul und beschließe, zu vergessen, dass ich heute Hausaufgaben aufhabe, und schon sind sieben schwarze Flecken auf meiner Seele.

Nach August Heinrich Hoffman von Fallersleben sind die Gedanken frei. In der katholischen Kirche sind sie es nicht, schon der Gedanke kann eine Sünde sein. Aber für einen Menschen katholischen Glaubens ist das alles kein Problem, es gibt das Weißer-als-weiß-Wunderwaschmittel namens Beichte. Ich gehe zur Beichte und keine halbe Stunde später habe ich wieder eine weiße Seele. Dafür wird allerdings ein bescheidener Mitgliedsbeitrag erhoben und der Staat ist so freundlich, ihn für die Kirchen einzuziehen. Das habe ich bemerkt, als ich erstes eigenes Geld verdiente. Den Mitgliedervertrag muss ich wohl kurz nach der Taufe unterschrieben haben, ich kann mich nicht daran erinnern. Kleine Kinder haben bekanntlich den Atemanhalte-Reflex. Wenn ihr Kopf unter Wasser gerät, halten sie automatisch den Atem an. Er verschwindet nach einigen Wochen oder Monaten. Katholische und evangelische Babys in Deutschland haben anscheinend den Vertrag-rechtskräftig-unterschreib-Reflex. Auch er verschwindet wenige Wochen nach der Geburt. Verträge, die ähnlich gravierende finanzielle Verpflichtungen nach sich ziehen, konnte ich erst wieder mit 18 Jahren unterschreiben.

Mein Leben ging weiter und die Vorschriften, Ratschläge, Empfehlungen wurden immer mehr. Einige Klassiker kommen jedes Jahr wieder. Bei den Christen ist es, neben vielem anderen, die Fastenzeit. In der Kindheit sollte ich keine Süßigkeiten essen. Später gab es den guten Ratschlag, keinen Alkohol zu trinken. Mit der Zeit wurde auch das Fasten moderner. Ein Beitrag von 2013 auf domradio.de schlägt "Fasten -SMS" vor, keine Ahnung, was das ist. SMS kommen immer mehr aus der Mode, daher gab es auf der gleichen Internetseite 2018 die modernere Variante: "Fasten mit WhatsApp". Auf brigitte.de wird 2017 das "Facebook-Fasten" empfohlen.

Kleiner Tipp an Internetfirmen: Erspart euch teure Studien, euer Produkt ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen, wenn empfohlen wird, in der Fastenzeit darauf zu verzichten. Wenn empfohlen wird, auf ein anderes Internet-Produkt zu verzichten, habt ihr ein Problem.

Ich habe beschlossen, in der Fastenzeit auf Fastenratschläge zu verzichten. Ich nenne es das Fastenratschlag-Fasten.

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