In knapp vier Wochen findet die Bundestagswahl statt. Auch wenn sozialpolitische Themen und vor allem die Zuwanderungsdebatte den Wahlkampf dominieren, stellt sich doch auch die Frage, welche Positionen die Parteien in Fragen vertreten, die für Säkulare von besonderem Interesse sind. Die MIZ (Materialien und Informationen zur Zeit) wirft in der kommenden Ausgabe einen Blick in die Wahlprogramme, beim hpd erscheint der Text vorab in leicht bearbeiteter Form als Serie. Den Anfang macht das Bündnis Sarah Wagenknecht (BSW).
Vor etwas weniger als vier Jahren konnte die Lektüre der Wahlprogramme zu Optimismus verleiten: Einige der Forderungen, die von den Interessenverbänden der Konfessionslosen seit langem erhoben werden, fanden sich bei der einen oder anderen Partei wieder. Insgesamt konnte der Eindruck gewonnen werden, dass zumindest im tendenziell eher progressiven politischen Lager die Notwendigkeit gesehen wurde, auf die Veränderungen der letzten Jahrzehnte zu reagieren (immerhin organisieren die beiden großen christlichen Kirchen mittlerweile weniger als die Hälfte der Bevölkerung in Deutschland). Nach der Wahl gab es dann sogar eine Regierung, die im Koalitionsvertrag festhielt, nach Reformmöglichkeiten beim diskriminierenden kirchlichen Arbeitsrecht zu suchen und endlich die Ablösung der Staatsleistungen in Angriff zu nehmen. Warum in beiden Fällen daraus nichts geworden ist, müssen die säkularen Verbände analysieren.
Die Zeit dazu werden sie mutmaßlich haben: Eine Durchsicht der aktuellen Bundestagswahlprogramme ergibt wenig Hoffnung, dass nach der Wahl irgendein Punkt der säkularen Agenda abgearbeitet werden wird – und zwar völlig unabhängig davon, welche Mehrheiten sich nach dem 23. Februar ergeben. Denn von Aufbruchstimmung in religionspolitischen Fragen kann keine Rede mehr sein. Dass die Anliegen der Interessenvertretungen der Konfessionslosen kaum Berücksichtigung finden, dürfte zumindest teilweise auf den vorgezogenen Wahltermin zurückzuführen sein. Denn die Programme sind fast alle deutlich kürzer als bei vergangenen Wahlen, so dass ganz allgemein viele konkrete Aussagen der Konzentration auf das Wesentliche zum Opfer gefallen sind. Es hat ohnehin den Anschein, als wären ganze Passagen kaum verändert aus den 2021 beschlossenen Fassungen übernommen worden. Das Ergebnis nennenswerter innerparteilicher Debatten sind die Texte jedenfalls nicht. Angesichts des Zeitdrucks (die FDP beispielsweise beschließt ihr Wahlprogramm formell erst am 9. Februar, wenn der Wahlkampf längst läuft) bestand für grundlegendere Änderungsanträge von Ortsverbänden oder Arbeitsgruppen keine realistische Möglichkeit.
Mit Blick auf die Details ergeben sich aber doch einige signifikante Unterschiede bei den Parteien.
Bündnis Sarah Wagenknecht
Das Bündnis Sarah Wagenknecht (BSW) existiert gerade einmal ein gutes Jahr, und das ist dem Bundestagswahlprogramm auch anzumerken. Die Partei hat offenbar noch nicht viel Zeit in programmatische Diskussionen investieren können und so legt sie mit knapp 40 Seiten den kürzesten Text vor. Auch hier sind die Positionen auf eine "Richtungsentscheidung" ausgerichtet: Wirtschafts- und sozialpolitische Standpunkte umfassen mehr als die Hälfte der Seiten, gesellschaftspolitische Fragen werden kaum angesprochen.
Und so fehlt auch der Bereich "Religion und Gesellschaft" vollständig. Es gibt keine Aussage zu einer zukünftigen Religionspolitik, nicht zu Schwangerschaftsabbruch und Suizidhilfe, "islamistische Gewalt" wird nur an einer Stelle in einer Aufzählung erwähnt (im Abschnitt "Sichere Grenzen: Unkontrollierte Migration stoppen"), konkrete Handlungsmöglichkeiten wie die Ablösung der Staatsleistungen oder die Abschaffung des kirchlichen Arbeitsrechts werden nicht angesprochen.
Da sich bereits im Europawahlprogramm der Partei keine einschlägigen Aussagen fanden und auch auf der Website keine Stellung bezogen wird, lässt sich am Ende nur sagen, dass das BSW in Fragen, die für die säkularen Verbände von besonderem Interesse sind, noch kein Profil aufweisen kann.
Hinweis: Nicht alle Parteien hatten zum Zeitpunkt der Analyse bereits die Entwürfe ihrer Wahlprogramme von einem Parteitag bestätigen lassen. Es wurden die Fassungen Stand 12.1.2025 verwendet.
Der hier veröffentlichte Text basiert auf einem umfangreichen Artikel, der in der MIZ 4/24 erscheinen wird. Für den hpd sind die Abschnitte zu den einzelnen Parteien leicht bearbeitet worden, um als Serie erscheinen zu können.