Darwin als Erzieher

DRESDEN. (hpd) An vielen Orten weltweit wurde am 12. Februar des Geburtstages von Charles Darwin vor 200 Jahren gedacht. Anlässlich dieses Tages wurde im Hygienemuseum Dresden die „Evolutionsparty" gefeiert und bis Samstag stand eine internationale Tagung mit dem Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte auf dem Programm unter dem Motto „Darwin als Erzieher - Die Popularisierungsgeschichte der Evolutionstheorie für Kinder und Jugendliche".

Obwohl es ja noch mitten in der Woche war, fanden sich zahlreiche Besucher im Marta-Fraenkel-Saal des Deutschen Hygienemuseums zur „Evolutionsparty"ein. Das Interesse übertraf offensichtlich die Erwartungen der Veranstalter, denn es mussten zusätzliche Stühle herbeigeschafft werden.

Das beginnende Darwin-Jahr hatte seine Schatten schon lange voraus geworfen und es gibt im Laufe des Jahres sicher noch zahlreiche Veranstaltungen aus Anlass der Veröffentlichung der Evolutionstheorie vor 150 Jahren. Die Evolutionstheorie veränderte die Wahrnehmung von Geschichte und Gesellschaft. Das Deutsche Hygienemuseum hat in Zusammenarbeit mit dem Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte Darwin als Erzieher näher beleuchtet.

Nach einer kurzen Begrüßung und Einführung durch die Direktoren des Hygienemuseums und des Max-Planck-Instituts, in denen auf die weltweite Beachtung dieses Tages hingewiesen wurde und auf die zahlreichen Veranstaltungen anlässlich von Darwins Geburtstag, unter anderem ausdrücklich auch auf die vom Darwin-Komitee initiierte in der Deutschen Nationalbibliothek in Frankfurt/Main, kam zum Eröffnungsvortrag der Evolutionsbiologe Prof. Dr. Josef H. Reichholf zu Wort. Er ist Leiter der Wirbeltierabteilung an der Zoologischen Staatssammlung München und Autor zahlreicher populärwissenschaftlicher Bücher, wie z. B. „Warum die Menschen sesshaft wurden", „Eine kurze Naturgeschichte des letzten Jahrtausends", „Die Zukunft der Arten" oder „Das Rätsel der Menschwerdung".

Sein Vortrag zeigte einmal mehr, dass sich die wissenschaftlichen Erkenntnisse immer weiter entwickeln und zu genaueren Ergebnissen führen. Prof. Reinholfs Thema „Ist die menschliche Kultur durch Überfluss entstanden?" wendet sich gegen frühere Ansichten, die u. a. besagten, dass es zum Ende der letzten Eiszeit keine größeren Wildbestände mehr gegeben habe und die Menschen sich deshalb auf Ackerbau und Viehzucht spezialisierten. Er brachte im Laufe des Abends immer mehr Hinweise und Beweise, dass die menschliche Entwicklung nicht aus dem Mangel heraus entstanden ist, sondern aus einem Überangebot von Nahrung, damit verbunden guten Bedingungen zur Fortpflanzung und zur Möglichkeit der Bildung größerer Gemeinschaften bis hin zur Sesshaftwerdung der Menschen und Besiedelung von Gebieten. Danach fanden sich die Teilnehmer zu einer regen Diskussion bei Wein und/oder Bier im Foyer ein. Die „Evolutionsparty" ging zu später Stunde erst einmal zu Ende.

Evolution ist überall

An den nächsten beiden Tagen folgten sehr unterschiedliche Vorträge zum Thema. Die Evolutionstheorie ist nicht mehr nur auf die Biologie beschränkt, sondern hat mittlerweile fast alle Wissenschaftsdisziplinen erfasst und ist auch in den Kinderzimmern angekommen. Denken wir nur an die Begeisterung der Kinder für Dinosaurier oder die Geschichten von Alice im Wunderland oder Jim Knopf im Lummerland. Und hier setzt die Tagung an. Wie wird die Evolutionstheorie den Kindern und Jugendlichen vermittelt. Darüber gibt es kaum Analysen. Welche Rolle spielen Kinder bei der Durchsetzung dieser Theorie? Bereits am Ende des 18. Jhd. gab es zahlreiche Veröffentlichungen, die der Bevölkerung naturwissenschaftliche Erkenntnisse auf einfache Art und Weise vermittelten und dabei besonders auf die Wißbegier der Kinder setzten, so z. B. Kingsley mit „The water Babies" oder „Rulaman" von Friedrich Weinland.

Die in Dresden stattfindende Tagung näherte sich dem Thema Evolutionstheorie aus bisher unbekannter Richtung. Es wurde bislang kaum das Bild der Evolution in Kinder- und Jugendbüchern oder Kinofilmen analysiert. Die Tagung hat sich mit den verschiedensten Ansatzpunkten befasst, um die Möglichkeiten der Popularisierung zu beleuchten. Angefangen von der Darstellung der Evolution in Bildern, mit dessen spezieller Thematik sich u. a. Dr. Andreas Blühm, Direktor des Wallraff-Richartz- Museums, Dr. Oliver Hochadel, Universitat de Barcelona und Prof. Dr. Vinzenz Hedinger ( Medienwissenschaftler) in ihren Vorträgen befassten. Ein weiterer Schwerpunkt war die Wissensgeschichte der Kinder- und Jugendliteratur, der sich mit der Wandlung des Schulfaches Naturkunde, den Schulbüchern des 20. Jhd., Jugendbüchern und Familienblättern des 19. Jhd. befasste. Dazu waren internationale Wissenschaftler wie Prof. Dr. Andreas Daum von der University at Buffalo und Dr. Nick Hopwood von der Cambridge University, sowie PD Dr. Marianne Sommer, Institut für Wissenschaftsgeschichte der TH Zürich eingeladen.

Der Bogen wurde weiter gespannt über das Thema Didaktik der Wissensvermittlung, Sachbuchveröffentlichungen und Wahrnehmungen. Dazu hielten Prof. Dr. Annette Scheunpflug (Bildungsforschung an der Universität Erlangen-Nürnberg) und Dr. Saffia Azzouni (Greifswald) Vorträge.

Es sollte insgesamt untersucht werden, wie sich Wissenschaft, Forschung und Popularisierung für Kinder und Jugendliche zueinander verhalten. Damit sollte auch ein Beitrag zur historischen Forschung zur Evolutionstheorie geleistet werden. Gleichzeitig soll eine öffentliche Diskussion über Ziele und Werte der Wissensvermittlung angeregt werden.

Elke Schäfer