BERLIN. (HU) Humanistische Union fordert Veröffentlichung der Untersuchung zur Kommunikationsdatenabfrage durch Strafverfolger
Presseberichten ist zu entnehmen, dass das Bundesjustizministerium einen Untersuchungsbericht über die Anwendung der Verbindungsdatenabfrage zurückhält. Aus diesem Anlass fordert Rosemarie Will, die Vorsitzende der Bürgerrechtsorganisation Humanistische Union, alle Abgeordneten des Deutschen Bundestages auf, die für Freitag geplante Verabschiedung des Gesetzentwurfs zur Neuordnung der Telefonüberwachung zurückzustellen.
Erst die Analyse, dann die Gesetzgebung
"Das Parlament selbst hat im Oktober 2004 die Regierung aufgefordert, bis zum 30. Juni 2007 einen Bericht über die Anwendungspraxis der Kommunikationsüberwachung vorzulegen. Die Abgeordneten wollten sicherstellen, dass die Praxis der Auswertung von sogenannten Verbindungsdaten der Telekommunikation (wer, wann, wie und wie lange mit
wem kommuniziert) durch die Strafverfolgungsbehörden (§ 100g StPO) erst überprüft werde, bevor die bis zum Jahresende befristete Regelung verlängert wird. Anstatt eine solche Untersuchung frühzeitig in Auftrag zu geben, hat die Bundesjustizministerin einen Gesetzentwurf eingebracht, der die gesetzliche Regelung der Abfrage von Kommunikationsverbindungsdaten unbefristet verlängert. Der Bundestag soll nun ein Gesetz beschließen, über dessen Auswirkungen auf das Fernmeldegeheimnis aller Bürgerinnen und Bürger wir erst nachträglich informiert werden."
Keine verlässlichen Informationen
Bisher liegen keine verlässlichen Informationen darüber vor, in welchem Umfang und mit welchem Erfolg Verbindungsdaten für die Strafverfolgung benutzt werden. "Deutschland gilt als Weltmeister der Überwachung von Kommunikationsinhalten. Jährlich werden über 40.000 Anordnungen zum Abhören von Telefonaten und Handys erlassen, davon sind mehrere hunderttausend Personen betroffen. Die Überwachung des Kommunikationsverhaltens durch Verbindungsdaten liegt vermutlich um ein Vielfaches höher", so Rosemarie Will weiter. Allein bei der Deutschen Telekom sind im vergangenen Jahr fast 100.000 Anfragen zu den Verbindungsdaten ihrer Kunden eingegangen. Bevor jetzt eine sechsmonatige Speicherung aller Kommunikationsdaten beschlossen werde, müsse die bisherige Praxis der Auswertung von Kommunikationsdaten veröffentlicht und einer kritischen Prüfung zugänglich gemacht werden.
Bei der Auswertung von Verbindungsdaten werden zwar nicht die Inhalte der Telefonaten oder E-Mails zur Kenntnis genommen, gleichwohl stellen solche Abfragen aber einen schwerwiegenden Eingriff in die Privatsphäre der Betroffenen dar. "Der grundrechtlich geschützten Freiheit der Kommunikation unterliegen nicht nur die Inhalte - was gesagt oder geschrieben wird -, sondern auch deren äußere Umstände - wer sich wann, wie und mit wem austauscht." Eine besondere Sensibilität der Verbindungsdaten ergebe sich daraus, dass sie in digitalisierter Form erzeugt werden und deshalb automatisiert ausgewertet werden können.
"Anhand von Verbindungsdaten lassen sich blitzschnell soziale Netzwerke, typisches Kommunikationsverhalten und Bewegungsprofile rekonstruieren.
Wenn die für den 1. Januar 2008 geplante sechsmonatige Speicherpflicht für alle Verbindungsdaten beschlossen wird, rechnen wir mit einer steigenden Ausforschung des Kommunikationsverhaltens aller Bürgerinnen und Bürger."
Sven Lüders