MERSEBURG. (hpd) Die „Humanisten Sachsen-Anhalt“ haben sich auf ihrer Landesversammlung
am letzten Samstag (10.11.2007) einhellig vorgenommen, einen Landesverband des HVD zu gründen.
Sie wollen neue Projekte entwickeln, als Interessenvertretung von Konfessionsfreien im Land sichtbarer und hörbarer werden und beginnen, wieder stärker Politik für Humanistinnen und Humanisten zu machen angesichts der anmaßenden Missionierungsbestrebungen der Kirchen in ihrem Land, in dem drei Viertel der Bevölkerung konfessionsfrei und sogar 63 % der Bevölkerung atheistisch sind. Die Landesverfassung, die vorschreibt, Weltanschauungs- und Religionsgemeinschaften gleich zu behandeln, gibt dafür gute Voraussetzungen.
Die Humanisten im Land gehörten vor 15 Jahren zu den Mitbegründern des bundesweiten Humanistischen Verbandes. Der Verband hatte eine umfangreiche Projektstruktur. Diese Vielfalt führte durch ein Übermaß an Zentralismus in einem Flächenland dazu, dass dem Landesverband die Handlungsfäden aus der Hand glitten, der Verband im Jahr 2000 finanziellen Schaden nahm und im Jahr 2000 Insolvenz anmelden musste.
Die Folge davon war (negativ), dass die Insolvenzverwaltung gut gehende Projekte (wie die Kitas) anderen Trägern übergab, und (positiv) dass vier juristisch selbständige Regionalverbände entstanden, die sich ökonomisch vor allem durch die ehrenamtliche Arbeit vieler Freiwilliger konsolidiert haben und nun an dem Punkt angekommen sind, wo eine gemeinsame Landesvertretung wieder wichtig wird.
Diese Bündelung der Kräfte begann bereits am 15. Oktober 2005. An diesem Tag wurde in Magdeburg eine Landesgemeinschaft von vier Humanistischen Regionalverbänden Sachsen-Anhalts gegründet (Magdeburg, Halle, Merseburg, Mansfeld und weitere Orte). Nun zog der Sprecherrat nach zwei Jahren seiner Tätigkeit auf einer regulären Landesdelegiertenkonferenz am letzten Samstag Bilanz.
Beeindruckende Bilanz
Die von den Regionalverbänden gegebenen Berichte waren beeindruckend. Sie zeigten, dass die Arbeit sehr vielfältig und entsprechend den örtlichen Bedingungen differenziert ist. Besonderes Augenmerk liegt vor allem auf der Arbeit mit Kindern- und Jugendlichen. In Halle (seit 1996) und Merseburg (seit 1992) betreiben die dortigen Regionalverbände Bürgerhäuser, bei denen man durchaus von Mehr-Generationen-Häusern sprechen könne, die es schon lange vor der „Erfindung“ solcher Einrichtungen durch das Bundesfamilienministerium dort bereits gibt.
Umso bedauerlicher wurde es genannt, dass andere Träger für Bundes- und Landesförderungen den Zuschlag erhielten. Man führte dies auch darauf zurück, dass die „Gottlosen“ in den Entscheidungsgremien zu wenig vertreten sind. Es sei ein Unding, dass kirchliche Vereine nahezu allein alle Förderungen abfassen in einem so säkularen Land.
Die Humanisten in Halle betreiben eine öffentliche Diskussionsreihe „Diesseits“ und sind kürzlich durch eine wissenschaftliche Humanismus-Tagung hervorgetreten.
Die Durchführung der Jugendfeier ist das wesentlichste Arbeitsfeld der Verbände in Magdeburg, Halle und Merseburg. Die inhaltlichen Vorbereitungsveranstaltungen sind stets ausgebucht. Berühmt sind in Magdeburg die JugendFEIERn in der (ehemaligen) Johanniskirche. Die Bildungsarbeit ist verbunden mit offener Kinder- und Jugendarbeit.
Weitere Angebote der Verbände reichen von humanistischen Beratungsangeboten (im Trauerfall und bei Patientenverfügung). Familiengruppentreffen (in Merseburg ein erfolgreicher „Muttikreis“), von Frauenprojekten, in Merseburg und im Mansfeldischen seit Jahren Beherbergungsbetriebe mit internationalem Jugendaustausch, Senioren-Mittagstisch, Familienfeiern, Ausrichtung von Kindergeburtstagen, Kursen (Gymnastik/Zeichnen u.a.), bis zur Schuldner- und Insolvenzberatung (wo es in Halle einen Vertrag mit Land und Kommune gibt).
Manchmal führen persönliche Vorlieben und Kontakte zu interessanten Projekten. So ist im Hallenser Bürgerhaus ein Musikinstrumenten-Kabinett gewachsen und Musikunterricht an seltenen Zithern wie eher üblichen Gitarren sei eine attraktive Offerte geworden.
Als problematisch wurde von allen Vereinen angesprochen, dass eine kontinuierliche humanistische Sozialarbeit nicht gewährleistet ist, da die Stellen für Arbeitskräfte durch das Arbeitsamt oder die ARGE immer nur kurzfristig genehmigt werden und insbesondere seit dem 01.07.07 radikal gekürzt wurden. Mit Hilfe vieler ehrenamtlicher Kräfte ist es jedoch gelungen, alle Angebote weiterhin aufrechtzuerhalten.
Leider führe die Überlastung vieler Aktiver dazu, dass ausgerechnet die Öffentlichkeitsarbeit darunter leiden müsse. Der Tag habe aber nur 24 Stunden und das Eierlegen sei wichtiger als das Gackern.
Auf dem Weg in den HVD
In den Ausführungen des Vorsitzenden des Sprecherrates, Prof. Dr. Werner Lange, wurde die Problematik der Gründung eines Landesverbandes offensiv angesprochen. Die bisherige Arbeit des Sprecherrates habe gezeigt, dass das Fehlen eines Landesverbandes mit e.V.-Status und als landesweite Weltanschauungsgemeinschaft oft zu Problemen führt. Besonders zeige sich dies bei Antragstellungen gegenüber Landesgremien und der damit in Zusammenhang stehenden öffentlichen Anerkennung.
Als Fazit der Delegiertenkonferenz kann gelten: Die Diskussion hat gezeigt, dass ein Landesverband unbedingt erforderlich ist. Ein Koordinierungsrat sollte die Problematik erörtern und eine Konzeption zur Zusammenführung der einzelnen Vereine erarbeiten.
Mit Hilfe und Unterstützung des Bundesverbandes soll das Gespräch mit Vertretern der „Jugendweihe Deutschland“ gesucht werden, um für die Zukunft Möglichkeiten der Kooperation beider Seiten zu klären.
Zur Einführung des Fachs „Humanistische Lebenskunde“ als weltanschauliches Alternativ-Fach zum Religionsunterricht an den Schulen in Sachsen-Anhalt sind die Erfahrungen des Bundesverbandes ebenso zu nutzen wie bei Überlegungen, auch in Sachsen-Anhalt „Humanistische Schulen“ zu errichten.
Dr. Horst Groschopp, Bundesvorsitzender des Humanistischen Verbandes Deutschlands, der als Gast an der Delegiertenversammlung teilnahm, informierte über die Situation in der säkularen Szene Deutschlands, erläuterte die Politik des Bundesverbandes und ermutigte die Delegierten zu mehr Einheit aller humanistischen Kräfte in Sachsen-Anhalt: „Unser Ziel sind starke Landesverbände des HVD als humanistische Weltanschauungsgemeinschaften in jedem Bundesland mit einem erkennbaren Profil. Deshalb unterzieht derzeit der HVD seine Strukturen einer Reform, die ihn zu mehr politischer Handlungsfähigkeit und effektiveren Verbandsstrukturen führen wird. Wir begrüßen es, dass unsere Freundinnen und Freunde aus Sachsen-Anhalt wieder zu uns stoßen wollen. Für das Ansehen des Verbandes überall in Deutschlands ist es enorm wichtig, dass dort, wo Atheismus und Humanismus ganz 'normale', weil mehrheitliche Lebenseinstellungen sind, Menschen in dieser Haltung bestärkt werden durch helfende Angebote des HVD 'von der Wiege bis zur Bahre'.“
GG