Einladung ins absurde Theater

MÜNCHEN. (hpd) Als „herzliche Einladung ins absurde Theater" betitelte der München

Aktionskünstler Wolfram P. Kastner seine Pressemeldung für den mündlichen Verhandlungstermin wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz, der für Buß-und Bettag, 21.11.07, 14h30 im Amtsgericht München angesetzt war.

Dem Termin voraus ging ein Strafbefehl an Kastner über 1.500,00 Euro wegen einer Kunstaktion am 06.09.06, mit der er und ein weiterer Akteur im Vorfeld der „Papst gsehng - Religionsfreie Zone München", genau 3 Tage vor Besuch Benedikts XVI., an das 1933 zwischen dem damaligen Papst und Adolf Hitler geschlossene und noch heutige geltende Konkordat mit einem „tableau vivant" in Form von spazierengehender Papst-Figur und einem „großen Diktator" erinnern wollte. Von der ursprünglichen Anklage wegen Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhauptes, Verstoß gegen das Abzeichengesetz und Verstoß gegen das Versammlungsgesetz ist bis zum gestrigen Termin nur letzteres als Anklagepunkt erhalten geblieben.

Ein echter Publikumserfolg

Die Verhandlung stieß auf insgesamt großes Publikums-Interesse, so dass vor Beginn nicht nur ein größerer Sitzungssaal gefunden werden musste, sondern auch zahlreiche Presse-Leute und interessierte Besucher teilweise zu zwei auf einem Sitz saßen oder nur einen Stehplatz bekamen.

Das „absurde Theater" vor einem „preussischen" Richter, einer „preussischen" Staatsanwältin in einem oberbayerischen Gericht sollte mehr als drei Stunden dauern und war über weite Strecken ein echter Publikumserfolg. Es endete schließlich eher abrupt nach der Einvernahme des zweiten Beamten als Zeugen mit Niederschlagung wegen Geringfügigkeit. Was war passiert?

Zwei versammelte Personen verstoßen bereits gegen das Gesetz

Die beiden Beamten betonten unabhängig voneinander, dass ihnen an jenem Septembertag gemeldet wurde, dass zwei Personen als Papst und als Hitler durch die Münchner Fußgängerzone spazieren wollten. Leider klärten sie die anwesenden Zuhörer nicht darüber auf, woher sie ihre Informationen hatten und somit zeitgleich mit den Künstlern am Ausgangspunkt des Spaziergangs auftauchen konnten. Kann es sein, dass Kastner als in München bekannter Aktionskünstler mit zahlreichen provokativen Kunstaktionen gegen Nazis, gegen Militarismus etc. bereits im Vorfeld Objekt staatlicher Observierung war und sein Vorhaben deshalb bei der Polizei bereits registriert worden ist? Wie sonst hätten sie rechtzeitig am Ausgangspunkt sein können? Kann es sein, dass drei Tage vor dem Papstbesuch die geltenden Gesetze in Bezug auf Meinungs-, Religions- und Versammlungsfreiheit in Oberbayern wegen des Besuchs des katholischen Oberhauptes mal eben nicht mehr gegolten haben, was durchaus Anlass für eine kritische weitere juristische Prüfung hätte sein können? Obwohl für die Beamten angeblich zweifelsfrei zwei (!) sich versammelnde Personen bereits einen Verstoß gegen das Versammlungsgesetz begehen, lösten sie die vermeintliche Versammlung von Kastner und Ledig nicht auf, sondern wiesen den beiden einen alternativen Weg parallel Fußgängerzone direkt ins Polizeipräsidium, den sie begleitet von überwiegend Presse-Vertretern gingen. Ein Umstand, der nicht nur im „Publikum", sondern auch bei Richter und Staatsanwältin doch Verwunderung auslöste.

Grundrechtsverletzung wegen Geringfügigkeit niedergeschlagen

Das Verfahren wurde also wegen Geringfügigkeit niedergeschlagen. Doch für die anwesenden Zuhörer ergab sich ein ganz anderer Eindruck; dass es sich nämlich nicht um eine „Geringfügigkeit", sondern um eine so gar nicht geringfügige Verletzung von Grundrechten durch die Polizei gegenüber den beiden Künstlern gehandelt hat. Über die gesamte Verhandlungsdauer erhärtete sich der Verdacht, dass die Zeugen bewusst den Eindruck erwecken wollten, die Kunstaktion wäre so vage etwa „14 Tage" vor dem Papstbesuch gewesen und hätte somit in keinem Zusammenhang mit u.U. juristisch nicht ganz zweifelsfreien besonderen polizeilichen Maßnahmen in Zusammenhang mit dem Besuch Benedikts XVI. gestanden. Warum bloß?

Seine Kosten in diesem Zusammenhang muss Kastner selber tragen, was er zum Abschluss der Verhandlung ausdrücklich als nicht rechtens beklagte. Die 11-jährige Layla, die wegen des schulfreien Buß- und Bettag auch zur Verhandlung gekommen war, meinte zum Abschluss, dass Wolfram P. Kastner „ein toller Typ" ist. Der bfg München ist derselben Meinung und unterstützt seinen Einsatz für Demokratie und Menschenrechte. Und erinnert mit Wolfram P. Kastner im Nachgang zur streitgegenständlichen Kunstaktion noch einmal daran, dass das Konkordat von 1933 von Papst Pius XII. und Adolf Hitler geschlossen wurde und über ein Jahr nach dem Besuch Benedikts XVI. als einziger Vertrag der Nazis immer noch gilt. Warum wohl? Weitere Informationen über beim bfg-München.

 

Assunta Tammelleo

Foto: Wolf Steinberger; es zeigt Rechtsanwalt Hartmut Wächtler und Wolfram P.Kastner beim Verlassen des Gerichtssaales.