(hpd) Auch in Deutschland kletterte Richard Dawkins Buch „Der Gotteswahn“ in der Bestsellerliste
ganz nach oben. Der Evolutionsbiologe hatte darin eine vehemente Abrechnung mit der Religion vorgenommen, in dem er sie als fortschrittsfeindlich, irrational und unmoralisch kritisierte. Bereits kurze Zeit nach der Veröffentlichung der englischsprachigen Originalausgabe 2006 erschienen einige Gegenschriften, welche nun offenbar auch in deutscher Sprache publiziert werden.
Zu ihnen gehört das Buch „Der Atheismuswahn. Eine Antwort auf Richard Dawkins und den atheistischen Fundamentalismus“, das Alister McGrath mit Joanna Collicutt McGrath schrieben. Der Hauptautor ist anglikanischer Theologe und Professor für historische Theologie an der Universität Oxford, also ein Kollege von Dawkins an der gleichen Hochschule. Die Co-Autorin arbeitet als Dozentin für Religionspsychologie am Heythrop College der Universität von London. Ziel der – von den Autoren selbst als „simpel“ bezeichneten – Abhandlung ist es, „die Verlässlichkeit von Dawkins’ Kritik am Gottesglauben“ (S. 17) zu beurteilen.
Zunächst kritisieren die beiden McGraths Dawkins Auffassung, wonach die Religion auf Täuschung beruhe. Im Unterschied zur Darstellung des Evolutionsbiologen habe die Naturwissenschaft auch nicht die Existenz Gottes widerlegt, verstünden sich doch zahlreiche führende Repräsentanten dieser Wissenschaftsdisziplin als religiös Gläubige. Die naturalistische Erklärung und Widerlegung der Religion durch den Autor des „Gotteswahn“ sei darüber hinaus nicht haltbar. Auch könne man den Glauben nicht als grundsätzlich böse ansehen, wogegen zum einen die Botschaft Jesu und zum anderen die Realgeschichte des Atheismus spreche. Zwei Kernzitate veranschaulichen die Auffassung der beiden Autoren: „Dawkins ... bietet schlicht das atheistische Pendant zu platter Höllenpredigt und ersetzt sorgfältiges empirisches Argumentieren durch aufgeladene Rhetorik und höchst selektive Tatsachenverdrehung“ (S. 12) Und weiter: „Das unbedingte und nicht hinterfragbare Beharren darauf, im Recht zu sein, ... stellt ihn auf eine Stufe mit religiösen Fundamentalisten, die es ebenfalls ablehnen, ihre Vorstellungen prüfen oder hinterfragen zu lassen“ (S. 15).
Dawkins hatte in seinem „Gotteswahn“ zu scharfen Formulierungen gegriffen, insofern kann ein ebensolches Vorgehen bei der Kritik nicht verwundern. Hinzu kommt, dass der Evolutionsbiologe durch seine einseitige und unterkomplexe, polemische und überspitzte Darstellung durchaus Angriffsfläche bietet. Gleichwohl trägt die Kritik der McGraths nicht, da sie sich nur auf Schwächen der Argumentation von Dawkins, aber nicht auf die Kernpositionen der modernen Religionskritik bezieht. So kritisieren die McGraths die Meme-Theorie des Evolutionsbiologen hinsichtlich der „wissenschaftlichen Beweislage“, stünde diese doch auf viel „schwächeren Beinen als die historischen Belege für die Existenz Jesu“ (S. 92). Dies mag so sein, nur bestätigt dies weder letzteres, noch widerlegt es den Kern der Religionskritik. Mitunter biegen sich die McGraths auch Dawkins Auffassungen für ihre eigene Kritik zurecht. Zutreffend heben sie hervor, laut dem Evolutionsbiologen sei die Existenz Gottes „höchst unwahrscheinlich“ (S. 31), und behaupten etwas später, nach ihm habe die Naturwissenschaft „Gottes Existenz widerlegt“ (S. 39).
Darüber hinaus nutzen die Autoren einen bekannten rhetorischen Trick, der überzeugte Atheisten erkenntnistheoretisch auf die gleiche Stufe stellt wie religiöse Fundamentalisten (vgl. S. 59). Sicherlich gibt es auch Dogmatiker und Fanatiker unter den Kritikern der Religion. Trotz seiner Rhetorik und seinem Sendungsbewusstsein lässt sich eine solche Gleichsetzung aber nicht auf Dawkins übertragen, können seine Auffassungen doch einer kritischen Prüfung an der Realität im wissenschaftlichen Sinne ausgesetzt werden. Eine solche lehnen im religiösen Bereich aber nicht nur die fundamentalistisch Gläubigen ab. Viele Vorwürfe, die von den beiden McGraths teilweise berechtigt erhoben werden, fallen denn auch auf sie selbst zurück. Einseitig und selektiv argumentiert Dawkins tatsächlich, aber das gilt auch für die Autoren von „Der Atheismuswahn“. Darüber hinaus bleiben sie bei ihren Einwänden häufig sehr allgemein, die Argumentation ist nicht selten diffus und fragt auch nicht nach den Konsequenzen. Und schließlich: Die McGraths wenden sich nur gegen Dawkins, über den Atheismus an sich schreiben sie nur am Rande.
Armin Pfahl-Traughber
Alister McGrath mit Joanna Collicutt McGrath, Der Atheismuswahn. Eine Antwort auf Richard Dawkins und den atheistischen Fundamentalismus. Asslar 2007 (Geerth Medien-Verlag), 149 S., 9,95 €; ISBN 3865912893