Politische Ökologie – Vom Strippenziehen

Irina Michalowitz: Eher Bittsteller denn Strippenzieher? Lobbyisten auf EU-Ebene

„In Brüssel bemüht sich eine imposante Anzahl von Lobbyisten, alle möglichen Anliegen bei der Politik zu Gehör zu bringen. Je nach Forderung und Vorgehen haben es mal die Vertreter der Wirtschaft, mal diejenigen öffentlicher Interessen leichter. Insgesamt ist ihn Einfluss auf die EU-Politik weit geringer als angenommen.“

WirtschaftslobbyistInnen hätten trotz ihrer größeren Anzahl keinen größeren Einfluss auf die Gesetzgebung als andere LobbyistInnen, da sie im Gegensatz zu den Vertreterinnen öffentlicher Interessen nicht alle an einem Strang ziehen würden. Zudem unterstützten die PolitikerInnen wirtschaftliche Interessen seltener als andere, da sie sich damit keine Wiederwahl sichern könnten. Erhebliche Unterschiede gäbe es in der Arbeitsweise der NGOs und der Wirtschaftsverbände, aber in allen Lagern betrüge die Anzahl der LobbyistInnen durchschnittlich drei Personen pro Büro. Michalowitz behauptet, dass die NGOs ihr gesamtes Kapital in Lobbying stecken könnten, während Unternehmen nur einen Teil ihres Geldes dafür auszugeben vermögen. Was für ein Vielfaches an finanziellen Mitteln Großkonzernen im Vergleich spendenfinanzierten Organisationen zur Verfügung steht, verschweigt sie jedoch. Weiter behauptet sie, dass Lobbyarbeit lediglich zwischen Politik und Unternehmen vermittle und damit eine wichtige Funktion erfülle, da die Belange von Firmen wichtig seien. Auch sei der Einfluss diverser Interessengruppen auf die Gesetzgebung ausgeglichen. Sie bemängelt die unklare Datenlage, die sich aus dem Fehlen eine verpflichtenden Lobbyregisters ergebe, für dessen Einführung sie plädiert.

Der Beitrag von Michalowitz steht in einem unversöhnlichen Kontrast zu den Beiträgen aller anderen AutorInnen. Die Tatsache des Lobbyismus wird als nahezu unproblematisch beschrieben. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass Michalowitz als einzige tatsächlich über europäische Lobbyingstrategien promovierte und auch weiterforscht. Fast als einzige ist sie außerdem bei einem Unternehmen tätig, während mit einer Ausnahme alle anderen AutorInnen für NGOs arbeiten oder an Universitäten angestellt sind. Den anderen Beiträgen folgend könnte sie entweder eine Lobbyistin sein oder die einzige, die Durchblick hat.

Gabriele C. Klug: Steter Tropfen höhlt das System. Korruption im Wassersektor

„Der weltweite Kampf gegen Armut und Klimawandel wird nicht gewonnen, solange Korruption den Wasserbereich beherrscht.“

1,1 Milliarden Menschen hätten keinen ausreichenden Zugang zu Wasser und 2,6 Milliarden Menschen fehle der grundlegende Sanitätszugang. Der Global Corruption Report 2008 von TI zeige, dass Korruption ein Kernproblem in der Wasserversorgung sei und sowohl in reichen als auch in armen Ländern vorkomme. Die Korruption in der Wasserversorgung habe vier Subsektionen: 1. Wassermanagement, 2. Dienstleistungen im Wasser- und Abwasserbereich, 3. Bewässerung und Landwirtschaft 4. Landwirtschaft und Wasserkraftinfrastrukturprojekte. In der unrechtmäßigen Aneignung von Wasser liege ein Potential für Konflikte in mehr als 50 Staaten. In Entwicklungsländern erhöhe die Korruption den Preis für den Anschluss eines Haushaltes an die Wasserversorgung um ein Drittel. Aber auch die Komplexität der Strukturen der Wasserversorgung bei Planung, Leistungen, Leitung und Finanzierung biete auch in Deutschland eine Angriffsfläche für Korruption. So würden technische Neuerungen blockiert, um den Bau großer Anlagen zu sichern. Neben mehreren Empfehlungen spricht sich Klug für die von TI empfohlenen Maßnahmen aus: Integritätsakte, in denen sich die Unternehmen vertraglich zur Einhaltung von Integritätsstandards verpflichten, so zum Verzicht auf korruptes Handeln. Bei Verstoß müssten Strafen und Vertragskündigungen die Folgen sein.

Axel Mayer: Radikal aktiv. Die Strategien der Atomlobby

„Um die Bevölkerung für ihre Interessen zu begeistern, ist AKW-Betreibern wie EnBW oder E.ON kein Preis zu hoch und keine Methode zuwider. In geschickt inszenierten Kampagnen verbreiten sie Halbwahrheiten, verschleiern Tatsachen oder rühmen Selbstverständlichkeiten.“

Der Einführung der Atomkraft in Deutschland gingen zwar Tschernobyl sowie Hiroschima und Nagasaki voraus, aber dennoch hätte es kaum Proteste gegeben. In Kinos, Fernsehen und Schule sei zuvor der Film „Unser Freund das Atom“ von Walt Disney gelaufen, um das Image der Kernenergie zu verbessern. Meinungsforschungsinstitute wie das Battelle-Institute in den USA hätten den Widerstand gegen die Atomlobby analysiert und Durchsetzungsstrategien entwickelt. Sie würden darauf abzielen, Ängste der Gegenwart durch die Ängste der Zukunft zu überdecken: die Angst vor der Atomkraft werde von der Angst vor dem Klimawandel überdeckt. Um die Gefahren der Atomkraft „klein zu reden“ sei die Firma Burson-Marsteller beauftragt worden, eine Firma, die sowohl seriöse als auch unseriöse Großkonzerne berät, aber auch für Diktaturen und Militärmachthaber arbeitet. Der Slogan: „Es gibt keine menschengemachte Klimaveränderung“ stamme von diesem Unternehmen. In die sozialen Bewegungen, Verbände und Bürgerinitiativen würden Spitzel eingeschleust, industriegelenkte Schein-Bürgerinitiativen entstünden, Manipulation von Wikipedia-Einträgen finde statt und organisierte Leserbrief-Kampagnen würden geführt. Es handele sich um PR, bei der der Auftraggeber nicht eindeutig erkennbar sei. Hinzu komme geschickte sprachliche Manipulation, außerdem aber auch Greenwashing: Ein Atomkraftwerk erhalte ein Umweltzertifikat für recyceltes Papier und geringen Ausstoß von Kohlenstoffdioxid. Wo Werke für erneuerbare Energie entstehen sollen, würden Biotope eröffnet.