Sexuelle Handlungen als sozialer Kitt
Seit ca. zwei Millionen Jahren, während der Phase als Jäger und Sammler, haben sich die meisten charakteristischen Eigenschaften des Menschen herausgebildet, denn erst vor ca. 10.000 Jahren entstanden größere Ansiedlungen und Zivilisation. Die kleine, bewegliche Gruppe von 30-150 Personen war überwiegend miteinander verwandt. Nun sind Menschen ambivalente soziale Wesen, die sowohl miteinander um Nahrung, Sexualpartner und den sozialen Rang konkurrieren, zugleich aber aufeinander angewiesen sind.
Um also die (sexuelle) Konkurrenz abzuschwächen, müssen positive soziale Beziehungen unter den Männern und unter den Frauen möglich werden. Dieser soziale Kitt schlägt sich in explizitem (homosexuellem) Sex sowie latentem (homo-) erotischem Verhalten nieder. Damit gewinnt Sexualität – neben der Fortpflanzung – eine zusätzliche, wichtige Funktion. Junker schließt daraus auch, es sei zu erwarten, dass die Mehrzahl der Menschen eine bisexuelle Anlage habe.
Darüber hinaus haben Menschen weitaus häufiger Geschlechtsverkehr als es nachvollziehbar ausschließlich der Fortpflanzung dienen könnte. Zudem haben Frauen einen versteckten Eisprung, so dass niemals klar ist, ob sie während des Geschlechtsverkehrs schwanger werden können. Der häufige Sex dient laut Junker der Paarbindung und diese wiederum sei wegen der bei Menschen extrem aufwändigen Sorge um den Nachwuchs notwendig. Auch sei der Geschlechtsverkehr selbst, der bei Menschen in der Regel mehr als zehn Sekunden (wie bei manch anderen Primaten wie Schimpansen und Gorillas) dauere, sondern vielmehr einige Zeit beanspruche, eine biologisch sinnvolle Erweiterung des Werbeverhaltens. Denn der Geschlechtsverkehr stelle somit nicht das Ende, sondern eine weitere, besonders intensive Phase des Werbeverhaltens dar.
Ist natürlich gleich gut?
Die Gleichsetzung von natürlich mit „gut“ sei eine religiöse Überzeugung, keine wissenschaftliche Ansicht, meint Junker. Laut Darwin existiere keine Identität von natürlich und gut, ganz im Gegenteil. Als Beispiele führt der Referent Aggressionen gegenüber Fremden, sexuelle Gewalt, die Vernachlässigung von Stiefkindern an und gibt zu bedenken, dass diese Handlungen biologische Anpassungen darstellten, die durchaus erklärbar seien. Aber „gut“ seien sie deshalb nicht, sondern unethisch.
Religion sieht Thomas Junker grundsätzlich als einen Haupthemmschuh für das Ausleben und das "Verteufeln" von Sexualität. Wer sich der Produktion von (religiösen) Untertanen entziehe, werde verfolgt: Homophobie als machtpolitisches Kalkül.
Zum Abschluss des Vortrags, der eine angeregte Diskussion folgte, zieht Junker das Fazit: „Die Behauptung, Homosexualität sei widernatürlich, widerspricht biologischen Erkenntnissen.“
Fiona Lorenz
Den Vortrag kann man hier hören inklusive interessanter Informationen über "Paarungsknäuel" bei Fußballern