Im Labyrinth der Willensfreiheit

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Velociraptor denkt über freien Willen nach

(hpd) Michael Schmidt-Salomon zieht mit seinem neuen Buch "Jenseits von Gut und Böse" durch die Lande und versucht nichtsahnende, unschuldige Menschen davon zu überzeugen, dass die Akzeptanz der Willensunfreiheit der Abschied von einem Folterinstrument wäre. Auf der anderen Seite errichten die Verteidiger des freien Willens Barrikaden.

Andreas Müller geht auf wissenschaftlich-empirische Erkenntnisse über die Willensfreiheit ein und erläutert mögliche Argumentationsfehler beider Seiten.

 

 

Wenn unser Gehirn das wüsste

Die Debatte um die Willensfreiheit ist so verworren wie die Bücher von Dan Brown, eigentlich schlimmer, weil sie nicht mit Tom Hanks verfilmt wurde und man sie darum auch noch lesen muss. Es ist leider nicht klar, ob die neu hinzugekommenen Hirnforscher mehr Klarheit mit sich bringen. Wolf Singer und co. behaupten zum Beispiel, dass tatsächlich nicht das "Ich", sondern unser Gehirn die Entscheidungen trifft, die wir "uns" dann zurechnen. Gleichzeitig sind "wir" allerdings identisch mit unserem Gehirn, da es ja keine übernatürliche Seele gibt, wobei zugleich das "Ich" laut Thomas Metzinger nur ein Ego-Tunnel ist und ein "Selbst" im Grunde gar nicht existiert.

Liest man Thomas Metzinger und Wolf Singer (nicht zu verwechseln mit dem Ethiker Peter Singer), könnte man beizeiten meinen, dass wir unser Leben nicht selbst bestimmen, sondern dass wir von unserem "Gehirn" bestimmt werden, als wäre es eine Art Schicksalsgöttin. Da wir aber unser Gehirn sind, respektive das "Ich" eine Konstruktion des Gehirns ist, erübrigt sich das Ganze und alles ist so wie vorher, oder nicht? Wenn wir also sagen, dass wir unser Leben selbst bestimmen, dann ist daran gar nichts verkehrt.

In einem etwas misslungenen Versuch, die Gefahren des neurowissenschaftlichen Menschenbilds darzustellen, beschreibt Thomas Metzinger die Position der modernen Neurowissenschaftler recht treffend:

"Möglich wäre auch, dass die Gesellschaft in einen vulgären Materialismus abdriftet. Wenn die Leute sagen: Das ist ein kaltes, leeres Universum, wir sind eine bessere Art von Bioautomaten, Ego-Maschinen ohne Willensfreiheit, die aus der Evolution entstanden sind. Wir haben keine Seele, sondern Selbstmodelle, und es wird im Jenseits keine Belohnung für gute schauspielerische Leistungen geben."

Diese Schreckensvision ist doch ziemlich genau das, was die Hirnforscher sagen. Wobei ich hinzufügen sollte, dass ich gegen vulgäre Materialismen, nicht-existente Jenseitigkeiten und Bioautomaten gar nichts einzuwenden habe.

Mit ihren Grundaussagen haben die Neuroforscher nämlich recht: Das Bewusstsein ist ein Produkt unseres Gehirns, unseren Entscheidungen gehen bestimmte Ursachen oder Gründe voraus, eine übernatürliche Seele existiert nicht und es gibt keinen libertarischen freien Willen, der von Ursachen unabhängig im freien Raum schweben würde. Neu ist das nicht, aber jetzt sind ein paar bunte Gehirnbilder dazu gekommen, sowie zahlreiche Erfahrungen mit Patienten, deren Gehirn beschädigt wurde. Wir verfügen also über zunehmend viele empirische Daten, die den "vulgären Materialismus" stützen.

Im Prinzip können wir Materialisten uns nun entspannt zurücklehnen und die Show genießen. Gewiss haben diejenigen ein Problem, die an eine übernatürliche Seele glauben. Aber das Problem haben sie schon seit den griechischen Atomisten. Mit oben genannten Tatsachenbehauptungen habe ich entsprechend kein Problem, allerdings sind die Schlussfolgerungen, die von einigen Philosophen aus der Nichtexistenz des freien Willens gezogen werden, auch unter Naturalisten durchaus umstritten (Naturalismus lässt die Frage offen, ob es noch mehr gibt als Materie, lehnt aber, wie der Materialismus, übernatürliche Phänomene ab. Ich treffe die Unterscheidung nur, weil Michael Schmidt-Salomon meint, dass er zwar ein Naturalist, aber kein Materialist wäre).

 

 

Mensch als MarionetteDie Macht der Willens-Unfreiheit

Michael Schmidt-Salomon betont in seinem neuen Buch Jenseits von Gut und Böse, wie ungemein wichtig es wäre, wenn wir endlich aufhören würden, an die Willensfreiheit zu glauben. Es gibt allerdings gute, empirische Gründe, das ernsthaft zu bezweifeln. Die Akzeptanz der Willensunfreiheit – richtig verstanden und als solche – hätte praktisch keine Auswirkungen auf die Gesellschaft, insofern sie, und diese Gefahr ist leider sehr groß, nicht falsch vermittelt wird. Es gibt also fast nichts zu gewinnen und sehr viel zu verlieren. Unter der Überschrift Willensfreiheit erzielen die gegnerischen Teams außerdem Punkte, die nichts mit dem eigentlichen Spiel zu tun haben. Es ist so, als würden zwei Mannschaften bei der Weltmeisterschaft im Tischtennis lieber Völkerball spielen.

Die Nichtexistenz Gottes, sowie die Nichtexistenz eines metaphysischen Bösen – auch Themen des Buches –, haben dagegen reale Auswirkungen auf die Welt. Akzeptierten die Menschen diese und die Gründe dafür, dann gelangten sie irgendwann selbst zu der Schlussfolgerung, dass ein nicht-kausaler freier Wille ebensowenig existieren kann.

 

In- versus Kompatibilismus

Der begeisterte Freier-Wille-Bestreiter Thomas Clark vom Center for Naturalism glaubt noch mehr als Michael Schmidt-Salomon an die Bedeutung der Willensunfreiheit. Er wird allenfalls noch von Alex Rosenberg dabei übertroffen, der einfach alles über die menschliche Psyche bestreitet, was man irgendwie bestreiten kann (oder auch nicht). Rosenberg zufolge funktioniert unser Gehirn (wir) keineswegs "auf Grundlage von Glaubensannahmen, Bedürfnissen, Gedanken und Hoffnungen, Ängsten und Erwartungen". Er glaubt außerdem, dass die Ergebnisse historischer Wissenschaften lediglich Konstrukte unseres Gehirns sind und nichts aussagen über die objektive Realität. Laut Clark und Schmidt-Salomon (die so etwas nicht glauben) würde die Willensunfreiheit zumindest unser Selbstbild und unser Bild von anderen Menschen, unser Bild von überhaupt allem, grundlegend verändern. Rache und Schuld wären sinnlos, Vergebung erste Wahl, das Strafrecht müsste reformiert werden und wir bräuchten uns nicht mehr über menschliche Schwächen und Verbrechen aufzuregen, weil sie im Prinzip dasselbe sind wie Naturkatastrophen.

Diese inkompatibilistischen Interpretationen der Willensunfreiheit habe ich in einem früheren Artikel mit der Behauptung verglichen, wir wären alle von Dämonen besessen, die uns wie Marionetten tanzen lassen. Leider entstand daraus das Missverständnis, ich würde an irgendeine Art von nicht-kausalem freien Willen glauben. Keineswegs. Ich bezweifle lediglich, dass die Willens-Unfreiheit die Konsequenzen hätte, welche die Inkompatibilisten für sie behaupten.

Gemeinsame Grundlage der diskussionswürdigen Positionen zur Frage nach der Willensfreiheit ist der Determinismus.

Determinismus: Laut dem kausalen oder physikalischen Determinismus funktioniert die Welt auf Grundlage von Ursachen und ihren Folgen. Alles, was geschehen ist, musste exakt so geschehen, wie es geschehen ist. Die Wahrheit des Determinismus ist eine empirische Frage, die man noch nicht beantworten kann. In der Wissenschaft wird als Ergänzung zum Determinismus der echte Zufall vertreten (im Gegensatz zum scheinbaren Zufall im deterministischen Chaos).

Ich selbst bin kein Determinist mehr, sondern meine, dass in bestimmten Phänomenen der Quantenwelt ein echter Zufall anzutreffen ist, allerdings glaube ich auch, dass unsere Gehirne deterministisch funktionieren und dass diese Quantenphänomene sie nicht entscheidend betreffen. Das denke ich, weil unsere Gehirne zu heiß sind und die Nervenleitbahnen zu groß, als dass ein echter Zufall hier Wirkung zeigen könnte. Zudem gibt es keine empirischen Belege für die Wirkung des Zufalls in unseren Gehirnen. Das ist die Position des Physikers Victor Stenger, die ich überzeugend finde und sie übernehme.

Zufälliger Wille (Sonderfall): Ein Wille, der auf einem echten (nicht-deterministischen) Zufall beruht. Im Extremfall würde eine Roulettekugel – insofern sie sich akausal verhält wie ein Photon in bestimmten Experimenten – über unser Leben entscheiden und über alles, was wir tun. Ob wir beim Laufen einen Fuß vor den anderen setzen oder ob wir uns stattdessen im Kreis drehen und dann umfallen, wäre alleine vom Zufall abhängig. Wir könnten ebenso das eine tun, wie das andere. Diese Haltung wird von Philosophen vertreten, die glauben, dass die oben genannten Quantenphänomene auf relevante Weise unser Gehirn betreffen.

Der Philosoph Robert Kane vertritt zum Beispiel die Position, dass der echte Zufall unser Verhalten beeinflusst, was aber trotzdem keine sinnlosen und irrationalen Handlungen zur Folge habe (z.B. im Kreis drehen und umfallen). Ganz im Gegenteil: Ihm zufolge geben uns Quantenprozesse eine echte Freiheit, laut der wir eigene Entscheidungen treffen können, die weder determiniert, noch rein zufällig sind. Allerdings ergibt Kanes Position überhaupt keinen Sinn, da unklar bleibt, woher auf einmal diese echte Freiheit kommen soll. Aus zufälligen Quantenprozessen resultiert sie wohl kaum.

Und hier die (vereinfachten) Positionen, die klassischerweise zu der Frage nach der Willensfreiheit vertreten werden:

1. Kompatibilismus: Die These, dass Willensfreiheit und Determinismus vereinbar sind.

2. Inkompatibilismus: Es gibt keine Freiheit, weil der Determinismus wahr ist.

3. Libertarismus: Es gibt Freiheit, weil der Determinismus falsch ist.

 

 

Der Gott des freien Willens?Die Verteidiger der Willensfreiheit

Die Idee der Willensunfreiheit, in geringerem Maße auch die des Kompatibilismus, ist provokativ, oder wird jedenfalls gemeinhin so aufgefasst. Richard Dawkins einzige ausführlichere Stellungnahme zum Thema, Let's all stop beating Basil's car, wurde zwar auf Edge.org veröffentlicht, aber nicht in den zugehörigen Sammelband aufgenommen. Wenn sogar die provokativsten Intellektuellen der Welt eine Idee für dermaßen gefährlich halten, sie nicht abzudrucken, dann riecht es wirklich nach Schwefel. Was also ist der nicht-kausale (wirklich freie) freie Wille überhaupt, den Gläubige und einige Geisteswissenschaftler so eifrig verteidigen?

Ich unterteile die Position der Libertarier in zwei Variationen:

Religiöser Libertarianismus:

Ein allmächtiger Diktator, der außerhalb der Welt existiert, befiehlt uns, freie Entscheidungen zu treffen.

Weichen unsere freien Entscheidungen von den Vorstellungen dieses Diktators ab, wirft er uns nach unserem Tod in die Hölle, wo wir auf ewig gebrutzelt werden.

Philosophischer Libertarianismus:

Unser Gehirn ermöglicht uns, freie Entscheidungen zu treffen.

Beide Positionen haben gemein, dass man sie gar nicht verstehen kann. Um die Worte des Philosophen Richard Carrier zu gebrauchen, ist die Idee des freien Willens nach Libertarier-Art "logisch inkonsistent und somit logisch unmöglich".

Hier die gemeinsame Definition des nicht-kausalen freien Willens, den christliche und philosophische Libertarier verteidigen:

Einen freien Willen zu besitzen, bedeutet, dass wir uns unter identischen Bedingungen anders entscheiden könnten, als wir es tun. Die exakt gleichen Ursachen können also ganz unterschiedliche, unvorhersehbare Folgen haben, falls Ereignisse überhaupt von Ursachen abhängen.

 

Ye good olde free will

Wie John Locke und David Hume bin ich Kompatibilist. Allerdings sind die Unterschiede zwischen den Positionen von klassischen Kompatibilisten und Inkompatibilisten ziemlich unklar, weshalb ich sie im Folgenden neu mit Inhalt füllen werde. Die kompatibilistische Version des freien Willens ist praktisch das, was Michael Schmidt-Salomon "Handlungsfreiheit" nennt (wir sind frei, das zu tun, was wir wollen, aber nicht frei, das zu wollen, was wir wollen).

Da er und Clark ausufernde Schlussfolgerungen aus der Nichtexistenz des freien Willens ziehen und die psychologischen Konsequenzen ihres Konzeptes falsch einschätzen, was Kompatibilisten nicht mittragen (behaupte ich jetzt einfach), trenne ich im folgenden die Handlungsfreiheit (meiner Auffassung nach ist die Handlungsfreiheit identisch mit dem, was die meisten Menschen in der Regel "Willensfreiheit" nennen) von ihren Interpretationen und Konsequenzen laut MSS und Clark ab. Der Unterschied zwischen dem Kompatibilismus und dem Inkompatibilismus besteht demnach in den Schlussfolgerungen, die aus der Nichtexistenz der libertarischen Willensfreiheit und aus dem Determinismus gezogen werden.

In unserer Zeit vertritt zum Beispiel der naturalistische Philosoph Daniel Dennett die Position des Kompatibilismus, so auch Richard Carrier, Autor von "Sense and Goodness without God".

 

Hat ein roter Hering einen freien Willen?

Ein roter Hering ist ein Ablenkungsmanöver oder eine falsche Schlussfolgerung. Was so scheint, wie ein logischer Zusammenhang, ist tatsächlich keiner. Die angeblichen Folgen der inkompatibilistischen Willensunfreiheit, sowie die zugrundeliegenden Behauptungen von Hirnforschern über die angebliche Nichtexistenz eines "Ich", der Persönlichkeit und so weiter – sind genau das, ein roter Hering (gewiss kann man "Persönlichkeit" so definieren, dass sie nicht existiert, aber was gemeinhin unter "Persönlichkeit" verstanden wird, erscheint mir durchaus existent).

Zum Beispiel meinen Clark und MSS, dass eine Bestrafung von Tätern aus Rache nicht legitimiert werden könne, wenn man bedenkt, dass sie keine andere Wahl hatten. Schmidt-Salomon spricht etwa vom "blinden Instinkt der Rache" (siehe dazu auch S. 282 ff. in seinem Buch). Die Täter konnten nichts anderes tun, als das, was sie unter den gegebenen Bedingungen getan haben. Das sagen die Kompatibilisten zwar auch, aber:

Eine Bestrafung von Tätern aus bloßer Rache kann sowieso nicht legitimiert werden – gleichgültig, wie man zur Willensfreiheit steht. Rache hat gar nichts zu tun mit der Frage nach der Willensfreiheit. Hier wurden zwei voneinander unabhängige Fragen zu einer Einheit vermengt.

Das Gleiche gilt für die angeblichen Konsequenzen der Willensunfreiheit für die Bestrafung von Kriminellen. Wolf Singer sagt dazu:

"Und wenn sie zu gefährlich sind, werden wir sie weiterhin ihrer Freiheit berauben, um uns vor ihnen zu schützen. Aber ich denke, wir werden etwas nachsichtiger werden und in vielen Verbrechern das Opfer einer ungünstigen Konstellation von Genen, Entwicklungsfehlern, frühen Prägungen und so weiter sehen."

Inwiefern sollte aus der Willensfreiheit folgen, dass wir Kriminelle hart bestrafen müssen? Nehmen wir an, dass Menschen das wollen können, was sie wollen. Warum sollten wir sie nun härter bestrafen, als wenn dem nicht so wäre? Diese Logik ist doch von Anfang an schon fehlerhaft.

Der wirkliche Grund, warum Menschen die Bestrafung eines Täters aus Rache befürworten, oder eine unverhältnismäßig harte Bestrafung fordern, ist nicht ihr Glaube an den freien Willen des Täters, ihre Meinung, er hätte auch anders handeln können. Ihr tatsächlicher Grund lautet einfach, dass sie sich gut dabei fühlen, wenn ein Täter hart bestraft wird. Das tun sie, weil sich Vergeltung zur Regulierung des Sozialverhaltens von Tieren evolutionär durchgesetzt hat und sie damit zu unserer Programmierung gehört. Vergeltung diente der Abwehr unerwünschten Verhaltens und ein vages Verlangen danach gehört zu unseren ererbten Verhaltenstendenzen. Der freie Wille ist den Leuten im Grunde egal, er dient nur zur Legitimierung eines primitiven Instinktes, was eine neue Studie erwartungsgemäß bestätigt. Gewiss: Unser Rache-Instinkt ist viel zu grobschlächtig und muss durch die Vernunft gezähmt werden. Aber, wie schon gesagt, hat dieser Umstand rein gar nichts mit der Willensfreiheit zu tun.

 

 

Oblivio Aude –

Habe Mut, deinen eigenen Verstand zu vergessen!

Wir sind keine vor-vernünftigen Tiere, sondern wir können darüber nachdenken, welche Strafen tatsächlich angemessen und effektiv darin sind, unerwünschtes Verhalten zu verhindern. Heute interessiert uns nicht mehr so sehr unser Fortpflanzungserfolg, auf dessen Basis unser Verhalten selektiert wurde, sondern unser Lebensglück. Um reale Probleme zu lösen, was zum Glück aller Menschen und der anderen Tiere beiträgt, brauchen wir unseren Verstand. Also sollten wir – so lautet das klassische Credo der Aufklärung – unseren Verstand gebrauchen!

Mit dem Gebrauch des Verstandes hängt der Glaube zusammen, unsere vernunftbasierten Entscheidungen könnten die reale Welt beeinflussen. Deterministen sagen, dass unsere Entscheidungen Resultat sind von kausalen Ursachen – Rationalität, Selbstkontrolle und Selbstreflexion können jedoch genau diese Ursachen darstellen! Und das ist es, was Inkompatibilisten zu sehr in den Hintergrund rücken. Sie sind so entzückt von ihrer erstaunlichen Erkenntnis, dass der libertarische freie Wille nicht existiert – was ja wohl offensichtlich für jeden ist, der einmal ernsthaft darüber nachdenkt –, dass sie unsere Vernunftfähigkeit, welche die notwendige Bedingung für Aufklärung darstellt, in den Hintergrund rücken, und stattdessen zu sehr eine von unbewussten Ursachen gelenkte Puppe sehen.

Der naturalistische Philosoph Richard Carrier drückt es so aus: "Deine Macht, bestimmte Ereignisse und nicht andere in der Zukunft zu kontrollieren (sie 'auszulösen') wird nicht dadurch erweitert oder begrenzt werden, dass deine Zukunft schon feststeht oder nicht, weil deine Fähigkeiten in einem deterministischen und in einem nicht-deterministischen Universum identisch sind. Dein ganzes Wissen und deine ganze Intelligenz und Persönlichkeit und Wünsche und alles andere bleibt gleich, während irgendwelchen zufälligen Variablen, die es geben könnte, per definitionem, sowieso nicht in deiner Kontrolle sind, egal, wie sie aussehen (also wird es dir kein bisschen helfen, wenn du wüsstest, dass sie anders aussehen könnten)."

Im zweiten Teil der Reihe wird es empirisch. Ich stelle mehrere aktuelle Studien vor und erkläre, was sie für die Debatte um die Willensfreiheit bedeuten. Machen Sie sich auf einige Überraschungen gefasst!

 

Index

Im Labyrinth der Willensfreiheit

Abschied von der Willensfreiheit?

Willensfreiheit 3: Das Marionettentheater

 

Andreas Müller