Religionskritiker I: Antike und Mittelalter

An Epikurs materialistisch geprägte Auffassungen knüpfte sein römischer Anhänger, der Dichter und Philosoph Lukrez (99-55 v.d.Z.), mit der Ablehnung der Götter- und Todesfurcht an. Mit Beispielen aus der Mythologie veranschaulichte er in Lehrgedichten, dass die Vorstellung von den Göttern bei den Menschen aus Furcht vor Naturkatastrophen aufgekommen sei. Diese Annahmen machten die Menschen unglücklich, da sie noch schlimmere Entwicklungen nach ihrem Tod im Jenseits erwarteten. Lukrez verwarf derartige Einbildungen und Mythen. Außerdem lehnte er Auffassungen von der Unsterblichkeit und Vorsehung ab. Statt dessen solle man das Schicksal in die eigenen Hände nehmen und das individuelle Glück in der irdischen Welt suchen. Im Unterschied zu Epikur, der noch von der Existenz der Götter ausging, brach Lukrez im Sinne einer strikt atheistischen Position mit dieser Annahme. Seinen philosophischen Lehrer feierte er in einem hymnischen Gedicht als Befreier der Menschen und Zerstörer der Religion.
 

Das Aufkommen des Christentums löste eine Reihe von Streitschriften gegen die neue Religion aus, wozu als erstes bedeutsames Werk „Das wahre Wort“ von 178 aus der Feder des Platonikers Celsus (2. Jahrhundert) gehört. In diesem Text kritisierte der ansonsten weitgehend unbekannte Autor die unterschiedlichsten Aspekte des Christentums: Er hielt die religiösen Grundlagen lediglich für eine wenig originelle Mischung aus Bestandteilen des jüdischen Glaubens und anderer Religionsformen. Die Texte der Evangelien seien weder einheitlich noch widerspruchsfrei. Darüber hinaus kritisierte Celsus den Dogmatismus des Christentums, verlange es doch den Glauben ohne Prüfung seiner Inhalte. Außerdem wende sich diese Religion bewusst an die Einfältigen, die Gebildeten könnten von seiner Botschaft nur schwerlich überzeugt werden. So erkläre sich auch der Glaube an die betrügerischen Wunderberichte. Spätere heidnische Kritiker des Christentums knüpften direkt oder indirekt an Celsus' Argumentation an.
 

Zu ihnen gehörte auch der neuplatonische Philosoph Porphyrios (233-301/305) mit seiner Schrift „Gegen die Christen“ von 270, die sich nach eingehender Analyse des Neuen Testaments mit scharfem Ton gegen die spekulativen und widersprüchlichen Positionen des Christentums wandte. Porphyrios bestritt darüber hinaus das hohe Alter der Texte des Alten Testaments und damit deren Authentizität im Selbstverständnis des christlichen Glaubens. Die im Neuen Testament vorgenommene Mythenbildung um die Person Jesus deutete er als Versuch, dem Religionsgründer durch das Andichten von Eigenschaften und Handlungen Einzigartigkeit und Göttlichkeit zuzuschreiben. Porphyrios richtete seine Kritik aber auch gegen die beiden bedeutsamen Apostel Paulus und Petrus, die ihm hinsichtlich der Auffassungen und des Verhaltens als heuchlerisch, schwankend und widersprüchlich galten. Gerade die inhaltlichen Einwände machten den Philosophen zu einem Vorläufer der modernen Bibelkritik.
 

Der römische Kaiser Julian (332-363) versuchte den Einfluss des Christentums zurück zu drängen und ein neues Heidentum als Staatsreligion zu verankern. Er ging dabei nicht nur administrativ, sondern auch argumentativ vor. In zahlreichen Streitschriften formulierte Julian die unterschiedlichsten Aspekte seiner Kritik: Die Texte des Alten und Neuen Testaments wiesen keine Einheitlichkeit in den Aussagen zu bedeutsamen Aspekten auf, Jesus gehöre zu den zeitweilig auftretenden gewöhnlichen Figuren von Religionsstiftern, der Auferstehungsglaube müsse aufgrund seines Widerspruchs zu den Naturgesetzen als Ausdruck äußersten Unsinns gelten, die Christen seien verbohrt und sich untereinander feindlich wie Raubtiere gesinnt. Julian kritisierte das Christentum ebenso wie Celsus und Porphyrios aus der Perspektive des antiken Heidentums mit all seinen irrationalen Zügen. Gleichwohl lieferten die drei Genannten eine auch unabhängig von dieser Parteilichkeit begründbare historische und inhaltliche Kritik am Christentum.