Legierung aus Ratio und Empathie

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Fotos: Dennis Merbach

FRANKFURT. (hpd) „Jenseits von Gut und Böse - Warum wir ohne Moral die besseren Menschen sind“ - Vortrag von Dr. Michael Schmidt-Salomon am 5. März 2010 im Saalbau Bornheim / Frankfurt am Main, im Rahmen der vierten Vortragsreihe der Säkularen Humanisten – Regionalgruppe Rhein-Main des Förderkreises der Giordano Bruno Stiftung (GBS).


Bericht und Kommentar von Jochen Beck

Vor einigen Wochen setzte ich mich im Zug zu einem gleichaltrigen Fahrgast, der in Salomon-Schmidts neuem Buch las. Nach einiger Zeit kamen wir ins Gespräch. Er hatte wie ich einen katholischen familiengeschichtlichen Hintergrund, auch seine Eltern sind Heimatvertriebene aus dem Raum der ehemaligen Donau-Monarchie. Er ist aber nur durch Zufall auf dieses Buch gestoßen und wusste kaum etwas von den anderen Arbeiten des Autors. Er sagte, für ihn markiere das Buch einen neuen Meilenstein seines Lebens. Er trage schwer an vielen Ereignissen seiner Kindheit und Jugend. Seit zwanzig Jahren sei das Verhältnis zu seinem Vater von Kälte und Feindseligkeit geprägt, und von ihm aus hätte dies bis zu seinem Tod so bleiben können. Es war ihm schon früher bewusst, dass die anderen Beteiligten nichts dafür konnten, wie es zu all dem gekommen sei. Aber erst die Lektüre dieses Buches konnte die eisernen Klammern der Bitterkeit in ihm aufbrechen. Die sich darin manifestierende Legierung aus rationaler Argumentation und Empathie konnte ihm den inneren Frieden geben, den er brauchte, um einen Neuanfang zu wagen. Ich fragte, ob er damals auch mit einem Beichtvater oder einem sonstigen geistlichen Beistand darüber gesprochen habe. Ein verächtliches Lächeln entfuhr ihm. „Die Priester?“ zischte es aus ihm heraus. „Das sind doch nur faselnde Narren! Sie nennen sich Seelsorger! Aber mit welchem Recht? Eine pädagogische oder psychologische Ausbildung haben sie nicht. Stattdessen hausieren sie mit dieser hirnspinstigen Theologie! Ich sage da nur: Der Kaiser ist nackt!“

Fast genau ein Jahr nach seinem ersten Vortrag über eine „Ethik für nackte Affen“, hatten die Säkularen Humanisten Rhein-Main wieder Dr. Michael Schmidt-Salomon zu Gast. Diesmal mit einer Vorstellung seines neuen, im Herbst 2009 erschienenen Buches „Jenseits von Gut und Böse – Warum wir ohne Moral die besseren Menschen sind“. Obwohl die zentralen Gedankengänge dieses Buches bereits im ersten Vortrag enthalten waren, so dass die Veranstaltung, zumindest im Kontext der Frankfurter SH-Veranstaltungen, teilweise Wiederholungscharakter hatte, war die Veranstaltung noch besser besucht als damals.

Seit dem damaligen Auftritt ist die Vita des Referenten um einige Anekdoten reicher geworden. In seinem Rechtsstreit mit Bischof Müller von Regensburg entschied das Gericht, von einer Verurteilung des Bischofs abzusehen, da eine Wiederholungsgefahr nicht gegeben sei, denn Seine Exzellenz sei ja seit besagtem Vorfall nicht rückfällig geworden. Der Anwalt des Bischofs befand auch, „dass ohnehin kein Zuhörer von einer Predigt erwarte, dass in ihr über Tatsachen gesprochen werde“ .

Eine weitere Auseinandersetzung mit der Schulleitung der Grundschule seines Sohnes, der im Ethikunterricht St. Nikolaus durchnehmen musste, wurde offenkundig gütlich beigelegt. Das Ethikunterrichtsmaterial wird jetzt praktisch vorab dem gelernten Pädagogen Schmidt-Salomon vorgelegt.

Mir wurde vor einigen Wochen zugetragen, ein Oberschüler eines mittelhessischen Gymnasiums sei kurz vor Weihnachten bei seiner Oma in Ungnade gefallen, weil er von den Büchern des GBS-Vorstandssprechers schwärmte. Aus dieser Sache kam der junge Mann erst wieder heraus, als er der alten Dame nachwies, dass der umstrittene Religionskritiker auch als Co-Autor in einer Reclam-Ausgabe vertreten ist (Kolleg Praktische Philosophie Band I) und zur Verdeutlichung dieselbe mit all seinen anderen gelben Büchlein von Goethe, Schiller, usw. auf einem Tisch ausbreitete.

Da sich in den säkularen Medien bereits viele Artikel mit den Thesen des neuen Buches auseinandergesetzt haben, seien diese hier nur kurz vereinfacht und mit eigenen Worten rekapituliert.