Zur Islamophobie-Diskussion in Frankreich

Wissenschaftliche Kontroverse

Die ganze Verworrenheit wurzelt wahrscheinlich darin, dass auch wissenschaftlich der Begriff und seine Entsprechungen in verschiedenen Sprachen und so auch in der französischen Sprache sehr umstritten sind. Der Gebrauch des Wortes ist relativ neu: Die erste Studie zum Thema erschien unter dem Titel Islamophobia: Fact not fiction, erst 1997 bei Runymede Trust, einem antirassistischen Zusammenschluss in Großbritannien. Laut der bekannten, laizistischen, französischen Journalistin und Essayistin Caroline Fourest wurde das Konzept der Islamophobie in Europa durch die Übersetzungen von englischen islamistischen Gruppen eingeführt. Nach seinem Erstgebrauch während der iranischen Revolution durch Ayatollah Khomeini, um die Gotteslästerung gegenüber dem Islam zu benennen,  wurde der Begriff 1990 durch die islamistische Gruppe Al-Muhajiroun unter Leitung von Omar Bakri aufgegriffen, der aufrief zum Widerstand gegen die Islamophobie, und Muslime als "durch den Westen misshandelte Minderheiten" charakterisierte. Erst danach wurde er durch moderate Muslime oder liberale Aktivisten und Antirassisten übernommen. Der französische Journalist Alain Gresh verneint jedoch diese Theorien der iranischen Mullahwurzel und weist unter anderem auf die Verwendung des Begriffs "islamophobe Raserei“ in Frankreich seit 1925 hin.

Heute wird dieser Begriff vor allem verwendet, um die spezifische Feindseligkeit gegenüber der Bevölkerung muslimischer Herkunft oder Religion zu beschreiben. Allerdings stellt diese einfache Definition ein Problem dar, denn wörtlich bedeutet Islamophobie nicht Angst vor Muslimen, sondern Angst vor einer bestimmten Religion, dem Islam. Je nach den alternativen Definitionen kann man so zwei Positionen unterscheiden: einerseits die Islamophobie der rassistischen Art ("Muslim" als ethnische Gruppen) oder als Fremdenfeindlichkeit (der Islam als Teil des "Fremden") und andererseits als legitime Kritik an einem der religiösen Dogmenwerke.

So kann der Begriff der Islamophobie aus verschiedenen Aspekten heraus kritisiert werden. Gegner weisen darauf hin, dass der Begriff die Kritik an einer Religion, mit der an ihren Anhängern vermischt. Andere kritisieren ihn unter Hinweis darauf, dass unter dem Begriff "Islam" sich äußerst vielfältige Realitäten (religiösen Dogmen, Geografie, Menschen, etc.) verbergen und befürchten, dass Islamophobie den Weg zu reinen Rassismus ebnen kann.

Als eindeutige religiöse Kritik verstanden, wird die Islamophobie jedoch in vielen Kreisen akzeptiert. „Atheisme.Org“ z. B., eine Organisation die in radikaler Opposition zu allen Religionen steht, erklärt sich öffentlich zur Islamophobie, um so eine öffentliche Kontestationsbewegung gegen diese Religion zu schaffen, die nicht besser ist als die andere: "Der Begriff Islamophobie drückt nichts als Ekel und Ablehnung des Islam als Religion, als totalitäres Gesamtsystem des Denkens aus. Islamophobie ist die Ablehnung des Islam, nicht die Ablehnung von Muslimen oder die Ablehnung der Nordafrikaner", sagt die Website atheisme.org: Pour le droit à la libre critique des religions.

Für die Bewahrer der französischen Tradition der Aufklärung ist die Kritik der Religion natürlich legitim und muss innerhalb eines rechtlichen Rahmens möglich sein. Einige lehnen jedoch aus diesem Grund die Verwendung des Begriffs Islamophobie ab. Sie könnte letztendlich eine Zensur als Folge haben, die, unter dem Deckmantel des Kampfes gegen Diskriminierung, jegliche Kritik am Islam verbietet. Der Kampf soll sich nicht so sehr am Islam, sondern an religiösem Fundamentalismus überhaupt orientieren, wodurch die Debatte „für oder gegen den Islam“ oder „Ist der Islam gefährlich?“ vermieden werden kann. Für Caroline Fourest ist die Welt, von der die fundamentalistischen Muslime träumen, mit denen der fundamentalistischen Christen und Juden gleich. Die Kritik des Begriffs Islamophobie ist also ein Kampf gegen die Tendenzen die diese Fundamentalisten haben, um ihre Religion frei von Kritik zu halten und die sich insbesondere auf die Bekämpfung der Gotteslästerung stützen. Für Fourest und Fiammetta Venner, Gründer der Zeitschrift Prochoix, wurde das Wort "Islamophobie" durch die Islamisten erdacht, um die antirassistische Debatte zugunsten ihres Kampfes gegen Gotteslästerung abzulenken. Es ist dringend notwendig, es nicht wieder zu verwenden, um erneut Rassismus und nicht die laizistische Kritik des Islams zu bekämpfen."
 

Redaktion und Übersetzung: R. Mondelaers (hpd)