BERLIN. (hpd) In Indien wurde ein Elefant aus der Gefangenschaft befreit, der seit rund 50 Jahren in Ketten gefangen leben musste. Bei seiner Befreiung sind ihm zur Überraschung der Befreier Tränen aus den Augen getreten. Das zeigt einmal mehr, dass Tiere zu Gefühlen fähig sind.
Aktivisten der Tierschutz-Organisation “Wildlife SOS” wurden darüber informiert, dass der Elefantenbulle Raju seit rund 50 Jahren als “Bettel-Elefant” im indischen Allahabad lebte. Tiere, die so ausgenutzt werden, “segnen” Passanten für ein wenig Kleingeld. Elefanten werden in Indien als “heilige Tiere” angesehen.
Fotos auf der Webseite von “Wildlife SOS” dokumentieren das Leid des Tieres. Es war mit Ketten gefesselt und wurde von seinem Besitzer mit einem LKW transportiert. Da dieser Stress keinem Tier zuträglich ist, sollte Raju bereits am 2. Juli befreit werden. Allerdings gelang das nicht, da der Tier“besitzer” nicht kooperierte. Im Gegenteil legte er nach diesem ersten Befreiungsversuch den Elefanten in noch engere Ketten.
Die Tierschützer unternahmen dann zusammen mit zehn Tierärzten und 20 Helfern vom Landwirtschaftsministerium einen zweiten Rettungsversuch in der Nacht zum 4. Juli, der auch gelang. Raju ließ sich die Ketten bereitwillig mit einem Bolzenschneider von den Beinen entfernen. Pooja Binepal von “Wildlife SOS” berichtete gegenüber der “Daily Mail”, dass dann das Unerwartete und Noch-Nie-Gesehene geschah: der Elefant weinte. “Raju war 24 Stunden am Tag angekettet, ein Akt unfassbarer Grausamkeit. Unser Team war sprachlos als es sah, wie ihm während der Rettung Tränen über das Gesicht liefen.”
Auf der Facebookseite der NGO sowie auch auf der Webseite von N24 wird dokumentiert, wie der Elefantenbulle die ersten Tage nach seiner Befreiung auflebte. Sein Körper ist mit Wunden und Blessuren übersät - doch er scheint die Pflege und positive Zuwendung zu genießen.
Noch einmal Pooja Binepal: “Elefanten sind majestätische und hochintelligente Tiere. Wir können nur versuchen, uns vorzustellen, welche Qual dieses letzte halbe Jahrhundert für ihn gewesen sein muss.” Denn inzwischen dürfte vielen Menschen klargeworden sein, dass viele - gerade hochentwickelte - Tiere keine “gefühllosen Maschinen” sind, die dem Menschen untertan sind. Sondern hochintelligente und sensible Lebewesen. Gerade auch Elefanten, über die man sich die verschiedensten Geschichte berichtet: Elefanten, die Jahrzehnte nach einer Kränkung oder Misshandlung Rache üben; die sich nach Jahren erinnern können, wo Wasserstellen sind. Das sprichwörtlich gewordene “Elefantengedächtnis” hat in diesen Geschichten seinen Ursprung.
Und diese klugen Tiere werden in Indien - und nicht nur dort - unter den unwürdigsten Bedingungen gehalten. Vor mehreren Jahren bereits bemühte sich das Greepeace-Magazin die Frage zu klären, wie Tiere fühlen. In dem Artikel heißt es mit Verweis auf Darwin, dass “Ärger, Glück, Trauer, Ekel, Angst und Überraschung” fünf grundlegende Emotionen sind, die auch Tiere aufweisen. Eine Vermenschlichung dieser Eigenschaften sei “eine gute Übung, nicht länger in starren Artenrastern zu denken” sagt der Primatologe Volker Sommer.
Die European Elephant Group, eine NGO, die sich auf den Schutz dieser Großsäugetiere spezialisiert hat, schreibt in einer Studie mit dem Titel “Neurobiologie und Psyche des Elefanten”: “Gerade in den letzten paar Jahren sind viele wissenschaftliche Publikationen erschienen, die zeigen, dass zwischen Mensch und Elefant bezüglich der Hirnstruktur gar kein so großer Unterschied besteht wie man bis dahin angenommen hatte. Demnach besitzen Elefanten eine Vielzahl an höheren kognitiven Fähigkeiten, inklusive eines außergewöhnlich guten Langzeit und episodischen Gedächtnisses. Hierzu zählen auch Werkzeuggebrauch, Intensionen, komplexe chemosensorische und auditorische Kommunikation, ein sehr stark ausgeprägter Sinn für Familie und Angehörige, ein komplexes Sozialleben, die Fähigkeit zu Kontextlernen und zum Weitergeben, Problemlösungsfähigkeiten, die Anlage zu begrifflichem und logischem Denken sowie die Fähigkeit, vorsätzliche Handlungen zu vollführen. Komplexe Emotionen, wie der Begriff vom Tod und vieles mehr gehören ebenfalls dazu.”
Wenn man das alles weiß: weshalb wundert man sich dann, dass ein Elefant auch weinen kann?