20 Jahre Tierschutz im Grundgesetz

schwein.jpg

Mit Wirkung vom 1. August 2002 an wurde Tierschutz als Staatsziel in das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland aufgenommen. Was genau wurde da beschlossen? Und: Hat sich seitdem etwas geändert?

Von Tierschutzverbänden seinerzeit als "Meilenstein fortschrittlicher Tierschutzgesetzgebung" gerühmt, handelte sich lediglich um eine geringfügige Erweiterung von Artikel 20a des Grundgesetzes, in dem es bis dahin hieß: "Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung". Diesem Artikel wurden exakt drei Worte hinzugefügt: "… ie natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere". Das war alles. Am tatsächlichen Rechtsstatus der Tiere änderte sich dadurch gar nichts.

Schon 1990 war durch das sogenannte "Gesetz zur Verbesserung der Rechtsstellung des Tieres im bürgerlichen Recht" ein Zusatzparagraph in das Bürgerliche Gesetzbuch aufgenommen worden. Dieser Zusatzparagraph besagt, dass Tiere keine Sachen mehr sind, die sie bis dahin rechtlich waren, dass sie jedoch weiterhin rechtlich wie Sachen zu behandeln seien. Man konnte und kann nach wie vor ein Tier genauso kaufen oder verkaufen wie ein Möbelstück oder ein Fahrrad. Bei besagtem Zusatzparagraphen handelte es sich um eine dem Zeitgeist geschuldete Deklamation, eine Phrase ohne rechtlichen Inhalt. De facto gelten Tiere vor dem Gesetz nach wie vor und bis heute als Sachen.

Warenrechtsschutz

Das deutsche Tierschutzgesetz geht auf das Reichstierschutzgesetz der Nazis von 1933 zurück, das diese als das fortschrittlichste der Welt rühmten. Tatsächlich war das Reichstierschutzgesetz ausschließlich an ökonomischen Zielen orientiert. Massentierhaltung etwa oder Jagd – das Steckenpferd von "Reichsjägermeister" Göring – wurden nicht angetastet. In bundesdeutsches Recht überführt hat sich daran nicht viel geändert, selbst die besagte Aufnahme von Tierschutz als Staatsziel ins Grundgesetz gewährt Tieren keinerlei Schutz um ihrer selbst willen. Der Grundsatz nach Paragraph 1 Tierschutzgesetz: "Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schaden zufügen" ist insofern reine Farce, als ökonomische Gründe allemal als "vernünftig" gelten, Tieren also aus ökonomischen Interessen jederart Schmerzen, Leiden oder Schäden zugefügt werden dürfen.

Die tierschutzgesetzlichen Vorgaben zur Haltung und Verwertung sogenannter Nutztiere, zum Gebrauch von Tieren in Tierversuchen, zu Zucht- und Handelsfragen sowie zur Tötung von Wirbeltieren – Nicht-Wirbeltiere können ohnehin von jedermann jederzeit getötet werden – sind ausschließlich an ökonomischen Interessen orientiert. Dem Tier kommt insofern nur der Rechtsschutz einer Ware zu. Das gleiche gilt für sportive oder sonstige Hobby- und Freizeitinteressen, die Tiernutzung selbst dann erlauben, wenn das Tier dabei Schaden nimmt; nicht zu vergessen die Verwendung von Tieren in der Unterhaltungsindustrie wie etwa in Zoos oder Zirkussen.

Kein nennenswerter Fortschritt

Das zentral wichtige Tierschutzverbandsklagerecht, gleichwohl seit Jahren als zwingende Konsequenz aus dem Staatsziel Tierschutz gefordert, wurde in den einzelnen Bundesländern nur zögerlich eingeführt, wenn überhaupt: in der Hälfte der Länder existiert es bis heute nicht. Es würde anerkannten Tierschutzverbänden erlauben, als Anwalt der Tiere tierschutzrelevante Entscheidungen von Behörden gerichtlich überprüfen zu lassen.

Tierschutzorganisationen können Verstöße gegen Tierschutzrecht bislang lediglich anzeigen. Allein die Staatsanwaltschaft entscheidet dann, ob sie Anklage erhebt oder die Ermittlungen einstellt. Erfahrungsgemäß werden tierschutzrelevante Anzeigen sang- und klanglos eingestellt. Tiernutzer dagegen, zum Beispiel industrielle Tiermäster oder Tierexperimentatoren in der Pharmaindustrie, können durch alle Instanzen gegen behördliche Tierschutzauflagen klagen. Aber niemand kann bei Gericht klagen, wenn die Behörden Tierschutzvorschriften nicht in vollem Umfang durchsetzen. Das Tierschutzverbandsklagerecht könnte diese rechtliche Schieflage korrigieren. Bisher gibt es solches Klagerecht nur in Baden-Württemberg, Berlin, Bremen, Hamburg, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Saarland und Schleswig-Holstein. Das 2013 in Nordrhein-Westfalen unter rot-grün eingeführte Tierschutzverbandsklagerecht wurde Ende 2018 von der schwarz-gelben Landesregierung wieder abgeschafft.

Unterstützen Sie uns bei Steady!