BENSBERG. (hpd) Ein Seminar über den neuen Humanismus am vergangenen Wochenende (10./11.07.2010) in Bensberg. Es sollte der Öffentlichkeit wohl zeigen, wie offen und diskussionsbereit die katholische Kirche gegenüber Nichtgläubigen ist. Bereits die Auswahl der Referenten zeigt aber, dass der Mut dazu nicht allzu groß ist.
Ich weiß nicht so recht, was mich dazu getrieben hat, an einem Seminar der katholischen Thomas Morus Akademie des Erzbistums Köln über den neuen Humanismus teilzunehmen und dafür auch noch 72,- Euro Teilnahmegebühr zu zahlen. Eigentlich hätte es dafür eher von der katholischen Kirche Schmerzensgeld geben müssen. Immerhin hoffte ich, einige Flyer unserer Regionalgruppe und einige Exemplare der Broschüre der Giordano-Bruno-Stiftung „Aufklärung im 21.Jahrhundert“ loszuwerden. Dazu bat ich den Leiter des Seminars Dr. Nissing um Erlaubnis. Beim Namen „Giordano Bruno Stiftung“ verfinsterte sich jedoch sein Gesicht und er meinte gleich, dass so etwas eher unüblich wäre. Er bat mich um Exemplare des Materials und verschwand darauf für einige Minuten, offensichtlich um den Rat seines Vorgesetzten einzuholen. Als er zurückkam, machte er mir klar, dass es mir nicht gestattet wird, das Material auszulegen oder gar zu verteilen.
Die Veranstaltung war mit knapp 80 Teilnehmern recht gut besucht. Mit der Technik steht die Theologie aber anscheinend doch etwas auf Kriegsfuß, denn die Verstärkeranlage führte nicht zu einem wirklich guten akustischen Verständnis der Vorträge und Diskussionsbeiträge.
Nur Referenten mit Niveau!
In seiner Einleitung machte Nissing deutlich, dass man zu den Vorträgen nur Referenten eingeladen hätte, die ein gewisses Niveau hätten und dass eben aus diesem Grund der Sprecher der Giordano-Bruno-Stiftung, Dr. Michael Schmidt-Salomon, nicht in Frage gekommen wäre, weil er zur Fraktion der „Krawallatheisten“ zu zählen sei. Als erlesene Vertreter des Humanismus hatte man dagegen die „Kuschelatheisten“ Dr. Dr. Kahl und Prof. Dr. Pfahl-Traughber eingeladen.
Der Vortrag von Kahl war weitgehend in Ordnung, wenn auch sein Verständnis von Humanismus eher dem althergebrachten entspricht. Er machte anhand von drei Leitideen deutlich, dass der Mensch nicht im Mittelpunkt kosmologischer Erkenntnis stehe, aber dennoch eine Sonderstellung im Reich des Lebendigen habe. Der weltliche Humanismus grenze sich gegen den religiösen Humanismus ab, aber er grenze ihn nicht aus. Weiterhin werde der weltliche Humanismus nicht nur von Vernunft und Verstand geleitet, sondern habe auch Platz für Spiritualität. Der Mensch sei ein Emergenzprodukt der Evolution aber dennoch sei der Mensch keine Tierart und es gäbe auch durchaus im Gegensatz zur Meinung einiger Krawallatheisten das Gute und das Böse. Schließlich ging Kahl noch ausgiebig auf die Notwendigkeit von Alternativen zu christlichen Feiern und Zeremonien ein. Er verwies darauf, dass die humanistischen Landesverbände Jugendfeiern und nichtreligiöse Bestattungszeremonien anbieten.
In der Diskussion am Abend des Tages habe ich den Referenten dann noch gefragt, inwieweit er die Grundlagen des neuen Humanismus akzeptiert, nämlich den Naturalismus, die Abkehr vom Geist-Körper-Dualismus und Ablehnung der Idee der Willensfreiheit nach der strengen Definition von Immanuel Kant. Während er die ersten beiden Positionen bestätigte, hatte er bei der Willensfreiheit Bedenken. Es zeigte sich jedoch, dass er wie viele andere von einer weicheren Definition ausgeht und eigentlich das meinte, was sonst unter Handlungsfreiheit verstanden wird. Zumindest in diesem Punkt ist ihm der angeblich so niveaulose Schmidt-Salomon geistig weit voraus.
Letztbegründung ethischer Grundsätze
Im nachfolgenden Vortrag von Prof. Dr. Splett ging es um die Ethik des neuen Humanismus. Splett darf man zu den Theologen zählen, die die Kunst beherrschen, unlogische und abwegige Gedanken so geschickt und wortgewaltig zu verpacken, dass das Publikum von der Intelligenz und Belesenheit des Vortragenden restlos beeindruckt ist und schon allein aus diesem Grund weitgehend zustimmt (siehe zu diesem Thema auch diesen Artikel).
Es ging ihm dabei im Wesentlichen um die Letztbegründung ethischer Grundsätze. Den Hedonismus lehnte er diesbezüglich als diskussionsunwürdig ab. Anerkannte Philosophen wie Prof. Dr. Kanitscheider sind da wohl anderer Meinung. Bezüglich des Utilitarismus kam er mit dem altbekannten Totschlagargument, dass es nach utilitaristischen Grundsätzen ja geboten erschiene, einen gesunden Menschen zu töten um seine Organe in kranke Menschen zu implantieren, weil man damit in der Summe das Gesamtwohl der Gesellschaft vergrößere.
An dieser Stelle kann man eigentlich nur sagen, wer eine derart rudimentäre Kenntnis vom Utilitarismus hat, sollte nicht über ihn urteilen. Außerdem stelle ich mir die Frage, wie jemand auf diese arrogante Weise andere Ethikentwürfe vom Tisch fegen kann, wenn er selbst eine Heilslehre vertritt, die mehr als 100 Millionen Menschen das Leben gekostet hat und nach wie vor gewaltiges Unheil auf unserem Planeten anrichtet. Ein aktuelles Beispiel ist die kriminelle Unterstützung der katholischen Kirche bei der Mädchenbeschneidung in Kenia.
Menschenwürde fordere den Bezug auf ein transzendentes Etwas...
Im Verlauf seines Vortrags wies Splett noch darauf hin, dass man die Menschenwürde nicht aus den Grundlagen des Utilitarismus, nämlich Freud und Leid (wozu auch das Mitleid zählt), ableiten könne. Vielmehr fordere der Begriff der Menschenwürde den Bezug auf ein transzendentes Etwas, mit anderen Worten Gott. Dazu ist zu sagen, dass der Begriff der Menschwürde ein Produkt menschlicher Fantasie und Überheblichkeit ist. Tiere wie z.B. Menschenaffen haben nach Ansicht der Theologen keine Würde. Davon abgesehen ist es nicht allzu verwunderlich, dass sich ein Imaginärbegriff wie die Menschenwürde nicht aus so realen Dingen wie Freud und Leid ableiten lässt, sondern eben auch nur wieder aus anderen Imaginärstoffen. Wenn es eine Menschwürde gibt und sie eine reale Eigenschaft von Menschen ist, dann sollte es auch ein Verfahren geben, um festzustellen, ob etwas oder jemand über diese Eigenschaft verfügt oder nicht. Nach offizieller katholischer Lehre besitzt schon eine befruchtete menschliche Eizelle Menschenwürde und darf deshalb nicht abgetötet werden. Worin manifestiert sich die Menschenwürde einer befruchteten Eizelle? Nur darin, dass sie menschlich ist? Wer glaubt, als Mensch das Ebenbild Gottes zu sein, sollte vielleicht mal etwas gründlicher in den Spiegel schauen. Von religiösen Ableitungen der Menschenwürde abgesehen sind auch andere Versuche wie z.B. die von Immanuel Kant fragwürdig, weil sie in der Regel die unbedingte Willensfreiheit voraussetzen. Es stellt sich aber immer klarer heraus, dass auch diese nur ein philosophischer Imaginärstoff ist. Insgesamt kann man den Vortrag von Splett so interpretieren, dass hier ein Gläubiger krampfhaft versucht, mit heißer Luft die Realität zurechtzubiegen. Bei einem derart dürftigen Niveau sollte man sich mit abfälligen Bemerkungen über den so genannten Krawallatheismus zurückhalten.
Die Vorträge des zweiten Tages habe ich mir erspart, da ich die Referenten Prof. Dr. Löffler und Prof. Dr. Pfahl-Traughber und deren Ansichten ohnehin schon von der Tagung über den neuen Humanismus in Nürnberg 2008 kenne. Als Fazit kann man sagen, dass diese Veranstaltung wohl den Zweck erfüllen sollte, der Öffentlichkeit zu zeigen, wie offen und diskussionsbereit die katholische Kirche gegenüber Nichtgläubigen ist. Die Auswahl der Referenten zeigt aber, dass der Mut dazu nicht allzu groß ist.
Bernd Vowinkel