Iran zwischen Aufbruch und Stillstand

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Blick auf Tehran
Blick auf Tehran

BERLIN. (hpd) Eine Veranstaltung der Heinrich-Böll-Stiftung am Anfang der Woche war sehr gut besucht und bot mit drei Vertretern aus Politik, Wissenschaft und Zivilgesellschaft eine überaus interessante Runde auf. Diese wurde exzellent mit Amin Farzanefar als Moderator ergänzt. Und auch nach der Podiumsdiskussion wurde noch angeregt mit den Zuhörern weiter diskutiert.

Im August 2013 wurde Hassan Rohani, der als moderat und gemäßigt gilt, zum iranischen Präsidenten gewählt. Die Podiumsdiskussion sollte eine Zwischenbilanz und einen möglichen Ausblick nach einem Jahr Regierungszeit darstellen.

Parastou Forouhar ist Künstlerin und reist jedes Jahr in den Iran zum Gedenktag der Ermordung ihrer Eltern. Die wurden 1998 vermutlich durch den iranischen Geheimdienst getötet. Neben ihr auf dem Podium saß Bahman Nirumand, der Autor, Journalist, Germanist und Iranist ist und darüber hinaus seit 2001 der Herausgeber des Iran-Reports der Heinrich-Böll-Stiftung ist. Der dritte in dieser Runde war Adnan Tabatabai, er ist politischer Analyst und Wissenschaftler.

Rohani’s Iran steht zwischen Republik und Gottesstaat, hat aber eine säkulare, breite Zivilgesellschaft. Da Rohani oft in Doppeldeutigkeiten spricht und seine Regierung nur einen eingeschränkten Spielraum hat, lässt sich schwer feststellen, in wie weit er seine Versprechungen einhalten wird. Das meiste allerdings wird wohl Rhetorik bleiben.

Die Welle der Euphorie nach der Grünen Revolution 2009 ist verschwunden, sagte Bahman Nirumand. Er gab dabei aber zu bedenken, dass andere jüngere Aufstände oder Revolutionen in anderen Ländern ebenfalls nicht erfolgreich waren, oder sogar von fremden, dritten Mächten übernommen wurden und im Chaos endeten.

Forouhar sprach über die Zivilgesellschaft, einer Atomisierung der Reformkräfte und dass die Hoffnung in Iran nur noch abstrakt vorhanden ist. Die Kulturszene des Irans ist sehr unter sich, ein Austausch damit umso schwieriger. Auch Demonstrationen werden weiterhin verboten, wenn es zu konkret politisch wird.

Parastou Forouhar selbst musste bei ihren regelmäßigen Besuchen im Iran feststellen, wie weit die gesellschaftlichen Akteure zurückgedrängt sind. Der Machtapparat zersetzt die zivilgesellschaftlichen Initiativen.

Des Weiteren ist Iran, nach China, das Land mit den meisten Hinrichtungen, die Zahl der Todesstrafen nimmt ständig zu, ebenso wie die oftmals langjährigen Haftstrafen. Kleiderordnungen und Verbote von Veranstaltungen oder Demonstrationen sind zudem immer noch allgegenwärtig. Aktuell werden Prozesse gegen die Aktivisten der Grünen Revolution geführt.

Nirumand sieht die Hauptaufgabe der Regierung Rohanis ganz deutlich bei der atomaren Frage und den Sanktionen in diesem Zusammenhang. Der Schaden der Sanktionen ist auch von Hassan Rohani anerkannt, selbst wenn diese eigentlich hauptsächlich die Bevölkerung treffen. Nirumand glaubt nicht, dass sich innenpolitisch oder auch kulturell viel verändern wird, da die Ajatollahs sich mit aller Macht gegen Veränderungen stellen werden. Daneben hält er auch eine Normalisierung oder sogar Annäherung zwischen den USA und Iran für nicht möglich. Das iranische Regime begründet eine anti-westliche Einstellung mit kulturellen Gründen. Durch das Internet und Breitband-Verbindungen würde sich der westliche Einfluss schneller verbreiten lassen.

Adnan Tabatabai geht etwas näher auf die Dichotomie der Gesellschaft ein. Die Lebensmittelpreise variieren innerhalb eines Vormittages und die Bevölkerung weist eine große Varietät auf. Touristen in Teheran könnten einen kleinen Kulturschock bekommen: zwischen wilder Partynacht mit Drogen und den Basaren nur Minuten entfernt davon, wie ein Gast im Auditorium anmerkt. Und gleichzeitig wird in Iran gerade über die Geschlechtertrennung bei Musikveranstaltungen debattiert. Nach 35 Jahren, in denen Iran nun ein islamischer Staat ist, ist es schwierig geworden die Zivilgesellschaft richtig einzuschätzen, darüber hinaus auch im Verhältnis mit den Reformkräften.

Nach einer neuen Welle von Verhaftungen von Journalisten, beklagt auch die Organisation Reporter ohne Grenzen, dass die einjährige Bilanz von Hassan Rohani enttäuschend sei.

Irans Außenpolitik ist nicht an einer Mauer zwischen Schiiten und Sunniten interessiert. Die Feinde Irans sind beseitigt und der Iran stellt in der Region eine Großmacht dar. Auch außenpolitisch ist der Iran wieder begehrter beim Westen. Tabatabai merkt an, dass dann auch Menschenrechte wieder vergessen werden und sich das alte Spiel von Neuem wiederholen könnte.

Die neue verschärfte Situation und Bedrohung ausgehend von der IS spürt Iran wohl noch viel deutlicher als der Westen. Kurdisches Militär erhielt bereits einige militärische Lieferungen vom Iran. Der Kampf gegen die IS könnte auch zu neuen Gesprächen zwischen dem Westen und Iran führen, gleichzeitig warnen die USA Iran vor weiteren Ölgeschäften oder anderer wirtschaftlicher Zusammenarbeit mit Russland.

Die Referenten sind sich einig, dass zuerst jedoch die nukleare Frage gelöst werden müsse und die Sanktionen zurückgefahren werden müssen. Allerdings sind auch keine anderen Länder in der Region für eine wirtschaftliche Zusammenarbeit vorhanden.

Zum Abschluss der Debatte waren sich die Referenten einig darüber, dass sich außenpolitisch etwas verändern wird, aber eher nicht innenpolitisch und man im Allgemeinen vorsichtig optimistisch bleiben darf.

Doch nach der Grünen Revolution im Jahr 2009 und mit einer so lebendigen Zivilgesellschaft, gemeinsam mit einer Jugend, die durch das Internet verbunden ist, besteht die Chance auf Veränderung.

 


Veranstaltungshinweis: http://calendar.boell.de/de/event/iran-zwischen-aufbruch-und-stillstand