Meeresbiologische Erkenntnisse über "menschliche" Eigenschaften von Tieren

(hpd) Der Meeresbiologe und Verhaltensforscher macht in seinem Buch “Persönlichkeits­rechte für Tiere - Die nächste Stufe der moralischen Evolution” anhand von eigenen und anderen Forschungen deutlich, dass viele Tiere über Fähig­keiten ver­fügen, welche man lange Zeit nur als typische menschliche Eigen­schaften wahr­genommen hat. Sein in lockererer Schreibe gehaltenes Werk liefert beachtens­werte Ein­sichten für eine Änderung des menschlichen Umgangs mit Tieren, wenn­gleich auch sein Plädoyer für Persön­lichkeits­rechte für Tiere nicht systematisch entwickelt wird.

Der Umgang des Menschen mit den Tieren ist sowohl in der Öffent­lich­keit wie in der Wissen­schaft zu einem immer stärker be­achteten und diskutierten Thema geworden: Davon zeugen sowohl die anwachsende Empörung über die Folgen der Massen­tier­haltung wie die zunehmende Forderung nach Rechten für Tiere. Als einen Beitrag zu diesem Diskurs versteht sich das von Karsten Brensing vorgelegte Buch “Persönlich­keits­rechte für Tiere. Die nächste Stufe der moralischen Evolution”. Darin geht es ent­gegen des Titels aber nicht um eine philoso­phische Abhand­lung aus der Perspektive der Tier­ethik, wodurch wohlmög­lich falsche Erwartungen geweckt werden.

Die inhaltliche Aus­richtung des Textes ergibt sich aus der spezifischen beruflichen Tätig­keit des Autors: Er ist Meeres­biologe und Verhaltens­forscher und hat verschiedene Forschungs­projekte ins­besondere zur Inter­aktion zwischen Delfinen und Menschen geleitet. Aus dieser Erfahrung heraus schrieb Brensing, der seit 2005 für die inter­nationale Wal- und Delfin­schutz­organisation arbeitet, das Buch.

Einleitend macht der Autor deutlich, dass der Mensch aus natur­wissen­schaft­licher Sicht auch ein Säuge­tier ist. Insofern stelle sich die Frage nach den genauen Unter­schieden zwischen Mensch und Tier – um den üblichen Sprach­gebrauch beizu­behalten. Forschungs­ergebnisse machten nämlich darauf auf­merksam, dass nicht wenige Eigen­schaften, die man lange Zeit nur den Menschen zuge­schrieben habe, sehr wohl auch bei Tieren auszu­machen seien. Dies belegen die folgenden Kapitel, worin einschlägige Erkennt­nisse aus eigenen Unter­suchungen ins­besondere zu Delfinen und Walen vorge­stellt werden. Darüber hinaus referiert Brensing die Forschungs­ergeb­nisse anderer Wissen­schaftler zu anderen Tieren. Es geht dabei jeweils um die Frage nach der Intelligenz und der Kommunikation, dem Selbst­bewusst­sein und Strategie­denken, dem Sozial­verhalten und Werk­zeug­gebrauch.

Der Autor erörtert außer­dem, ob es bei Tieren als typisch menschlich geltende Ein­stellungen und Verhaltens­weisen wie Fairness, Lachen, Liebe, Mit­gefühl, Moral oder Trauer gibt.

Bilanzierend konstatiert er: “Bei einigen Tier­arten handelt es sich zweifels­frei um mit­fühlende, selbst­bewusste Individuen mit einer Vor­stellung von Raum und Zeit und der Fähig­keit zu strate­gischem Denken und plan­vollem Handeln. Sie leben in ihrer eigenen Kultur, haben ein gutes Gedächtnis und vermut­lich die Fähig­keit, im Rahmen einer einfachen Grammatik mit­einander zu kommunizieren. Sie nutzen Werk­zeuge und scheinen so etwas wie einen guten Geschmack oder ein Bewusst­sein für Mode zu haben. Darüber hinaus können sie sich emphatisch ver­halten, und es wurden einfache Formen von Gerechtig­keits­sinn und Fairness entdeckt. Für den Großen Tümmler gilt über­dies, dass er als bisher einziges Tier so etwas wie Namen benutzt und zur Allianz­bildung dritter Ordnung fähig ist. In den grund­legenden Fähig­keiten, die uns Menschen zu Personen machen, stehen uns somit eine ganze Reihe von Tieren in nichts nach” (S. 191). Der Unterschied bestehe nur noch in der “cumlative culture” (kumulierte Kultur) und “shared intentionality” (gemeinsame Wünsche).

Dies alles macht Brensing in lockerer Schreibe mit persön­lichem Unter­ton deutlich, wobei er die ein­schlägige Forschung an­schaulich präsentiert. Darin liegen Stärken und Vor­züge des Buches. Erst am Ende geht der Autor auf die Frage nach den Rechten für Tiere ein, welche seinem Werk den Titel gaben. Hier merkt man Brensing an, dass dies nicht seine eigent­liche Perspektive ist. Er stellt zwar die Fragen “Berechtigen diese Fähigkeiten zu eine Sonder­stellung?” (S. 191) und “Recht­fertigen diese Unter­scheide unseren menschlichen Besitz­anspruch auf diesen Planeten?” (S. 217). Näher beantwortet werden sie indessen nicht, wenn­gleich sich ein “Nein” nahezu “natürlich” aus dem zuvor darge­stellten Stoff ergibt.

Der Autor macht auf Deklarationen und Forderungen für Tier­rechte aufmerksam, argumentativ abge­leitet wird dies aber nicht. Denn aus dem “Sein” bestimmter Eigen­schaften von Tieren ergibt sich nicht zwingend das “Sollen” für bestimmte Rechte für Tiere. Dies spricht indessen nicht grund­sätzlich gegen den geforderten moralischen Schritt in diese Richtung.

 


Karsten Brensing, Persönlichkeitsrechte für Tiere. Die nächste Stufe der moralischen Evolution, Freiburg 2014 (Herder-Verlag), 239 S., 17,99 Euro