Feinstofflich quantenschwingende Angebote

(hpd) Science Buster Heinz Oberhummer sieht die “ungeschminkte Realität” wiedergegeben. Doch “Vier Frauen und ein Scharlatan” ist ein Roman, der vom Aufstieg und Fall eines fiktiven Gurus erzählt und zugleich die Geschichte einer Emanzipation. Mit der Autorin, die sich Eva S. Bernauer nennt, sprach hpd über Satire, Sein und Schein.

hpd: Wer hat denn nun Recht – Heinz Oberhummer, der in Ihrem Roman die “ungeschminkte Realität” sieht, oder der Verlag, der den Roman mit “Satirischer Esothriller” untertitelt hat?

Eva S. Bernauer: Beide haben recht. Heinz Oberhummer kennt sich sehr gut in der Szene aus und weiß daher, dass im Prinzip alles genauso passiert sein könnte. Tatsächlich ist die Handlung natürlich frei erfunden, denn ein Roman verlangt Verdichtung und Zuspitzung, ganz besonders eine Satire. Also hat auch der Verlag mit seinem Untertitel Recht.

 

Im Frühsommer führte ich ein Interview mit Rolf Cantzen, der in seinem neuen Buch ebenfalls die Eso-Szene auf die Schippe nimmt. Das Gespräch war satirisch angelegt und prompt kamen Proteste aus unserer Leserschaft, warum wir solch esoterischem Unsinn eine Bühne geben – sind die spirituellen Angebote mittlerweile so schräg, dass sie sich nicht mehr karikieren lassen? Oder anders herum: Dass Sie als Autorin gar nicht mehr übertreiben müssen, um eine Satire zu schreiben?

Ja, im Esoterikbereich liefert die Realität jede Menge Steilvorlagen. Um sie unterhaltsam zu verwandeln, muss man nur genau hinschauen. Selbst die abstrusesten der im Roman erwähnten Heilmethoden und Wundermittel sind tatsächlich im Umlauf. Durch Häufung und Gegenüberstellung lässt sich aber die Absurdität noch plastischer herausarbeiten.

 

Cover "Vier Frauen und ein Scharlatan"
Cover "Vier Frauen und ein Scharlatan"

Kann Ihr Roman als “Schlüsselroman” gelesen werden, verbirgt sich hinter jeder Figur eine Person der Realwelt?

Bei meinen Recherchen habe ich die Geschichten vieler Personen gehört, und meine Romanfiguren verkörpern ein Destillat dieser Personen. Was die vier Protagonistinnen betrifft, brauchen Sie nur auf die nächste Esoterikmesse zu gehen, um sie alle anzutreffen. Eine geistheilende Physiotherapeutin habe ich selbst kennengelernt, und vegan lebende, geschiedene Ex-Waldorfschülerinnen finden Sie heutzutage an jeder Ecke. Das gleiche gilt für den Antagonisten. Es gibt tatsächlich diese Selfmade-Gurus, die in ihrem früheren Leben Marketingfachleute waren. Jetzt vermarkten sie sich selbst und ihre feinstofflich quantenschwingenden Angebote.

 

“Vier Frauen und ein Scharlatan” ist ja nicht Ihr Erstlingswerk. Ihre vorherigen Romane befassen sich mit ganz anderen Themen. Was hat sie dazu gebracht, sich Gurus, Heilern und Wesen aus der Fünften Dimension zuzuwenden?"

Es stimmt, bis vor einigen Jahren hielt ich Esoteriker für harmlose Spinner. Dann erkrankte ich an Krebs, und plötzlich hagelte es von allen Seiten Ratschläge. Diäten, Vitamine, positives Denken, sogar die Neue Germanische Medizin wurde mir angedient: Und ich nahm erstmal alles ernst, googelte tagelang den obskursten Wundermitteln hinterher. Dann hatte ich einen lichten Moment und begriff, was los war: Ich griff nach Strohhalmen. An diesen ganzen Unfug hätte ich vor der Krebsdiagnose keinen einzigen Gedanken verschwendet. Und genau das ist das Perfide daran. Diese Angebote erwischen einen im schwächsten Moment und nutzen diese Schwäche schamlos aus.

 

Was raten Sie anderen in solchen Situationen der Schwäche?

Oft hilft es schon, zu den Quellen zu gehen. Wer gelesen hat, was Rudolf Steiner über die Entwicklungsgeschichte des Menschen fabulierte oder auf welch mittelalterlichem Wissensstand Hahnemann die Homöopathie entwickelte oder wie lächerlich gering die Voraussetzungen sind, um in Deutschland Heilpraktiker zu werden, der kann diese Leute eigentlich nicht mehr ernst nehmen.

 

Können Sie uns etwas über Ihre Recherchen verraten, ohne Ihr Inkognito zu gefährden?

Das ist eigentlich unspektakulär. Ich besuchte Esoterikmessen, hörte mir seltsame Vorträge an, guckte Glücksvideos, las Gurubücher mit vollmundigen Titeln, außerdem natürlich zig kritische Sachbücher über den Esoterikmarkt. Dann nahm ich Kontakt zu Skeptikerorganisationen auf. Dort lernte ich Ehemänner und Ehefrauen kennen, deren Partner komplett in die fünfte Dimension abgedriftet sind und versuchte zu verstehen, wie es dazu kommen konnte. Dabei kristallisierten sich einige typische Lebenswege und Eigenschaften heraus, die ich für meine Protagonistinnen verwendet habe.

 

Die Handlung spielt im Chiemgau und in München. Ist das Zufall oder besteht ein inhaltlicher Bezug zur Region?

Grundsätzlich könnte die Handlung überall spielen. In jeder Stadt bestehen esoterische Angebote, gern auch an staatlich subventionierten Volkshochschulen. Und vieles ist überhaupt nicht mehr ortsgebunden, weil die Vermarktung übers Internet erfolgt. Aber der Chiemgau ist zweifellos eine besondere Hochburg der Feinstofflichkeit. Hier trifft man mehr Schamanen pro Quadratmeter als anderswo, hier kann man sich in einer Klinik für Geistheilung behandeln lassen und sogar eine Schule mit komplett gechanneltem Lehrplan besuchen, die angeblich auf Geheiß eines Erzengels gegründet wurde.

 

Ihr Roman erzählt ja nicht nur die Geschichte einer Verführung sondern auch die Geschichte einer Emanzipation. Entspricht dieses eher optimistische Fazit Ihren persönlichen Erfahrungen in der Begegnung mit Esoterik-Anhängern oder drückt sich darin eher Ihre Hoffnung auf die Möglichkeit von Aufklärung aus?

Es stimmt, das Fazit ist reichlich optimistisch. In der Realität findet kaum jemand aus der Esoterikfalle heraus, wenn er einmal richtig tief drinsteckt. Rechtzeitige Aufklärung ist die weitaus bessere Option. Eigentlich sollte jedes Kind schon in der Grundschule den Unterschied zwischen Wissenschaft und Glauben lernen, aber davon sind wir leider weit entfernt. Darum kann ich nur raten, besonders wachsam zu sein und mit sachlichen Informationen bereitzustehen, wenn Angehörige plötzlich von Feinstoff, Lichtarbeit oder Quanten zu reden beginnen.

 

Die Fragen stellte Martin Bauer.

 


Eva S. Bernauer: Vier Frauen und ein Scharlatan. Satirischer Esothriller. Aschaffenburg: Alibri, 2014. 230 Seiten, kartoniert, Euro 14.-, ISBN 978–3–86569–182–8

Das Buch ist auch bei unserem Partner denkladen erhältlich.