Pegida

"Das ist nicht nur inhuman, sondern ganz bewusst antihuman"

Radikale Christen hier, fanatische Muslime da – warum ist es denn nicht in erster Linie die Aufgabe der betroffenen Glaubensgemeinschaften, gegen ihre radikalen Gruppen vorzugehen?

Zunächst einmal ganz schlicht, weil nicht nur diese Glaubensgemeinschaften betroffen sind! Auch wir als Humanistinnen und Humanisten haben ein Interesse daran, dass hier klar politisch gegen antihumane Vorstöße und inhumane Praktiken Position bezogen wird. Deswegen sollten wir aber in der Tat nicht diese Glaubensgemeinschaft aus der Verantwortung dafür entlassen, sich darum zu kümmern, dass ihre Gläubigen nicht derartigen Pervertierungen ihres Glaubens hilflos gegenüberstehen!

 

Und welche konkrete Verantwortung tragen in dieser Hinsicht Menschen mit humanistischen Überzeugungen?

Das ist erst einmal eine Verantwortung aller Bürgerinnen und Bürger dafür, dass ihr politisches Gemeinwesen und ihre Kultur nicht durch geistige Brandstifter wie die Vordenker von Pegida vergiftet werden! Ich sehe da ansonsten keine besondere Verantwortung auf unserer Seite – allenfalls die, gegen durchgeknallte Atheistinnen und Atheisten argumentativ vorzugehen und damit spezifisch diejenigen Menschen, welche humanistischen Überzeugungen anhängen, vor geistigen Abirrungen in völlige Verkehrungen unserer Ideen zu bewahren.

 

Würden Sie eine Schätzung abgeben wollen, wie lange es dauert, bis sich die Wellen der kulturellen Erschütterung durch die Globalisierung wieder legen?

Lieber nicht, also keine Prognose über die Dauer dieser Problemkonstellation! Ich fürchte, diese Probleme werden sich zunächst einmal weiter verschärfen und nicht etwa verschwinden.

Und das liegt daran, dass es sich eben nicht nur um kontingente kulturelle Erschütterungen handelt: Vielmehr befindet sich die Menschheit in einer komplexen historischen Krise, deren Bewältigung die herrschende Politik immer nur vor sich herschiebt. Erst wenn es in dieser Hinsicht zu einer Umkehr kommt, also zu nachhaltigen Versuchen einer gemeinsamen politischen Gestaltung der Zukunft, besteht wieder Hoffnung darauf, dass derartige irrationale und antihumane Impulse einer völlig imaginären Krisenbewältigung zurückgedrängt und überwunden werden können.

 

Welche Argumente haben denn Humanistinnen und Humanisten bis dahin, angesichts der Extremisten auf allen Seiten?

Vor allem das schlichte Argument der menschlichen Vernunft, die an das gemeinsame Interesse aller Menschen am Überleben der menschlichen Kultur und Zivilisation appelliert: Es gibt einfach keine Alternative zu einem weiteren Ringen um gemeinsame Lösungen für die gesamte Menschheit, so schwer dies auch fällt, wie wir seit dem “Erdgipfel” von Rio 1992 haben sehen müssen.

Alle Versuche, die Probleme nicht zu lösen, sondern nur auf andere abzuwälzen, werden scheitern. Mit der letztlichen Konsequenz eines gemeinsamen Untergangs. Der mag sich ja in Zeitlupe vollziehen, er erfolgt vielleicht auch, wie dies T. S. Eliot in der “Nacht des 20. Jahrhunderts” formuliert hat: “not with a bang but a whimper” – aber es wird eben doch ein Untergang sein. Und daran, solch einen Untergang der zivilisierten Menschheit zu vermeiden, könnten und sollten doch alle Menschen ein Interesse entwickeln!

 

Herr Wolf, vielen Dank für das Interview.

 

Die Fragen stellte Arik Platzek (Humanistischer Verband)

 


Übernahme mit freundlicher Genehmigung von humanismus.de.