Nicht jede Kritik pauschal abweisen
Es ist an der Zeit, dass diese Muslime endlich einmal kurz innehalten und in sich gehen, nicht jede Kritik als “Angriff auf Muslime” pauschal abweisen und die offen vorliegenden Probleme wahrhaben.
Es ist an der Zeit, dass sie endlich mit den gewohnten Denk- und Argumentationsmustern brechen und einen beherzten Schritt in Richtung redlicher Selbstkritik wagen. Darauf warten viele Muslime und Nicht-Muslime auf der ganzen Welt.
Es ist an der Zeit, dass Islamgelehrte und muslimische Intellektuelle offenherzig Fragen diskutieren wie: “Wie ist es nur möglich, dass aus dem Islam, der ja die Religion des Friedens sein soll, so viele gefährliche Spielarten menschenverachtender Gesinnung erwachsen?”. “Gibt es neben den politischen, soziologischen, ökonomischen Ursachen vielleicht doch auch genuin religiöse Wurzeln dieser Gesinnung?”. “Auf welche Passagen in den islamischen Quellen berufen sich die muslimischen Befürworter eines solchen Anschlages, welche Passagen erleichtern so vielen Muslimen die Entmenschlichung von Anders- und Nicht-Gläubigen?”. “Wie sollen wir mit diesen Teilen der Quellen unserer Religion umgehen, ohne sie unter den Teppich zu kehren?”. “Inwiefern tragen wir als muslimische Intellektuelle eine Mitverantwortung an den gegenwärtigen Entwicklungen, wo wir es doch offenbar versäumt haben, auf solche Fragen ehrliche, befriedigende und umfassende Antworten zu entwickeln?”. “Welche neuen Herangehensweisen, welches Umdenken im Umgang mit unserer Religion benötigen wir?”.
Stattdessen versteifen sich die Vertreter des friedlichen Islam immer wieder auf wohlklingende Floskeln, die offensichtlich nur für “westliche” Ohren bestimmt sind. Ein Beispiel: Seit dem 7. Januar – wie nach jedem Anschlag im Namen des Islam – wird in den schriftlichen und mündlichen Stellungnahmen der muslimischen Vereine immer wieder der folgende Koranvers ins Feld geführt: (5:32) “Wenn einer jemanden tötet (…) so ist es, als hätte er alle Menschen getötet. Und wenn jemand ihn am Leben erhält, so ist es, als hätte er alle Menschen am Leben erhalten.”
“Dieser Vers steht doch schwarz auf weiß im Koran. Wie kann man da noch irgendeine Beziehung zwischen dem Islam und diesem abscheulichen Verbrechen konstruieren?” – lautet dann die Argumentation. So edel die Absicht dahinter auch sein mag; für jeden Muslim (und auch jeden Nicht-Muslim), der sich mit dem Korantext auseinandergesetzt hat, ist eine solche Vorgehensweise nichts anderes als ein billiger Täuschungsversuch. Denn wenn wir den Vers ohne die Auslassungen und zusammen mit dem unmittelbar darauf folgenden Vers lesen, bietet sich ein ganz anderes Bild. Zunächst derselbe Vers 5:32 ohne die Auslassungen: (5:32) “Aus diesem Grund haben Wir den Kindern Israels vorgeschrieben: Wenn einer jemanden tötet, jedoch nicht wegen eines Mordes oder weil er auf der Erde Unheil stiftet, so ist es, als hätte er alle Menschen getötet. Und wenn jemand ihn am Leben erhält, so ist es, als hätte er alle Menschen am Leben erhalten. Unsere Gesandten kamen zu ihnen mit den deutlichen Zeichen. Aber viele von ihnen verhalten sich nach alledem maßlos auf der Erde.”
Zum ersten werden also zwei Ausnahmen gemacht: “jedoch nicht wegen eines Mordes oder weil er auf der Erde Unheil stiftet”. Zum zweiten wird dem Wortlaut nach nicht imperativ vorgeschrieben, sondern narrativ davon erzählt, was den “Kindern Israels” einst vorgeschrieben war. Zum dritten wird in dem Vers eben dieses Volk kritisiert. Nun der unmittelbar folgende Koranvers: (5:33) “Die Vergeltung für die, die gegen Gott und seinen Gesandten Krieg führen und auf der Erde umherreisen, um Unheil zu stiften, soll dies sein, dass sie getötet oder gekreuzigt werden, oder dass ihnen Hände und Füße wechselseitig abgehackt werden, oder dass sie aus dem Land verbannt werden. Das ist für sie eine Schande im Diesseits, und im Jenseits ist für sie eine gewaltige Pein bestimmt.”
Diejenigen, die “gegen Gott und seinen Gesandten Krieg führen und auf der Erde umherreisen, um Unheil zu stiften” sollen getötet, gekreuzigt, körperlich verstümmelt oder vertrieben werden. Im Gegensatz zu 5:32 werden hier die besagten Strafen imperativ vorgeschrieben.
Koranverse und Satire
Unter anderem auf diesen Koranvers berufen sich nun eben diejenigen Muslime, die zum Beispiel den Anschlag in Paris unterstützen. Das Satire-Magazin Charlie Hebdo ist bekannt für seine unverschämten, tabulosen, überspitzten Karikaturen. Auch der islamische Prophet (genauso wie Jesus, Maria, der Papst, ja sogar “Gott”) wurde verschiedentlich in einer Art und Weise dargestellt, die für fromme Gläubige schwer verdaulich ist.
Für nicht wenige Muslime sind solche “provokanten” Karikaturen des Propheten eben “Krieg gegen Gott und seinen Gesandten” sowie “Unheilstiftung”. Nun könnte man dagegen halten, dass der Vers von “Krieg” (Arabisch: “harb”) spricht und dies dem Wortlaut nach eben einen bewaffneten, militärischen Krieg voraussetzt, dass die Zeichner des Satire-Magazins deshalb nicht unter diesen Vers subsumiert werden können. Jedoch wäre es unsinnig von “Krieg gegen Allah” zu sprechen, wenn damit ausschließlich der echte bewaffnete Krieg gemeint sein sollte.
Der vom Präsidium für Religionsangelegenheiten der Türkischen Republik (T.C. Diyanet İşleri Başkanlığı) herausgegebene und von vier zeitgenössischen, renommierten Islam-Professoren gemeinschaftlich verfasste, fünfbändige Koran-Kommentar (“Tafsir”) zählt bei der Auslegung des Verses 5:33 als ein Beispiel für die “Kriegsführer gegen Allah und seinen Gesandten und Unheilstifter” ausdrücklich auch diejenigen auf, die durch ihre Handlungen den Glauben an Allah zu erschüttern und zu zerstören beabsichtigen (siehe: Kuran Yolu, Türkçe Meal ve Tefsir, Band II, Maide/33–34).
Nun ist Charlie Hebdo ein offen religions- und islamkritisches Magazin, das durch offensive Zeichnungen den Glauben an den Islam, an andere Religionen und generell den Gottesglauben satirisch angreift. Solche frontalen Hiebe auf die Religionen und den Gottesglauben können ohne weiteres als “Handlungen, die den Glauben an Allah zu erschüttern und zu zerstören beabsichtigen” gelten. Dem unvoreingenommenen Leser ist jedenfalls nicht ohne weiteres klar, warum zum Beispiel dieser Vers auf keinen Fall und durch keine vertretbare Auslegungsmethode eine religiöse Rechtfertigung für den Anschlag auf Charlie Hebdo bieten soll. Übrigens steht der angeführte türkische Koran-Kommentar eindeutig in der modernen, moderaten, um Diplomatie bemühten Traditionslinie der Koranexegese und wird eben deshalb von manchen islamischen Kreisen scharf attackiert. Die klassischen Kommentare, die in der islamischen Welt große Beachtung finden, sind da um einiges “geradliniger”.
Die muslimischen Befürworter der terroristischen Anschläge führen auch zahlreiche Hadithe an. Unter anderem diejenigen Überlieferungen, nach denen viele Dichter, die den Propheten und den Islam verbal verspottet hatten, auf Geheiß des Propheten von seinen Weggefährten getötet wurden. Unter den namentlich genannten zum Beispiel: Kaʿb ibn al-Aschraf, al-Nadr bin al-Harith, Asma’ bint Marwan, Abu Afak, Al-Harith bin Suwayd al-Ansari und Abdullah bin Khatal. Nach den islamischen Quellen befanden sich darunter auch ein kränklicher Greis sowie die Mutter eines Säuglings, die sich an keiner kriegerischen Auseinandersetzung gegen die Muslime beteiligt hatten. Dennoch wurden sie, weil sie spöttische und gehässige Gedichte über den Propheten und den Islam vorgetragen hatten, auf Befehl des Propheten getötet und zwar einige von ihnen nicht etwa nach einem Prozess durch Hinrichtung, sondern durch Attentat – so zumindest die von den führenden islamischen Rechtsschulen anerkannten Überlieferungen.
Das Werk “al-Kutub as-sitta” (“die sechs Bücher”) vereinigt die sechs kanonischen Hadith-Sammlungen, die nach allen sunnitischen Rechtsschulen, die vertrauenswürdigsten Überlieferungen über die Aussprüche, Anweisungen und Taten des Propheten beinhalten. Eine achtzehnbändige, türkischsprachige, kommentierte Auswahl aus diesem Werk steht in den meisten größeren türkischen Moscheen in Deutschland und bei vielen religiösen Familien in den Bücherregalen. Unter anderem dort kann man die Überlieferungen über die Tötung der oben genannten Dichter nachlesen (Kütüb-i Sitte Muhtasarı – Tercüme ve Şerhi, Prof. Dr. İbrahim Canan, Akçağ Yayınları, Band 8, S. 179 ff., Das Kapitel über Gedichte). Mittlerweile ist ein Großteil der Hadith-Sammlungen etwa in englischer Sprache auch online verfügbar, meist von muslimischen Organisationen übersetzt und ins Netz gestellt. Wer sich über die Quellen und Hintergründe informieren möchte, kann zum Beispiel die oben angegebenen Namen der getöteten Dichter googeln.
Die Mohammed-Karikaturen von Charlie Hebdo waren jedenfalls wesentlich drastischer und derber als die teilweise überlieferten Gedichte der auf Befehl des Propheten getöteten Menschen.
Wieder einmal leuchtet dem unvoreingenommenen Leser nicht unmittelbar ein, warum diese Hadithe auf keinen Fall eine religiöse Rechtfertigung für die Tötung der französischen Karikaturisten bieten könnten. Die allermeisten Schulen, Richtungen und Verzweigungen des Islam anerkennen die Hadtihe schließlich als die zweite Hauptquelle religiöser Vorschriften. Viele der wichtigsten Normen und Anweisungen des Islam haben nicht den Koran, sondern die Hadithe als Grundlage. Zum Beispiel werden im Koran nicht einmal die “wesentlichen Elemente” (“arkan”) des täglichen Ritualgebets (“salat”) aufgeführt. Diese stehen vielmehr in den Hadith-Sammlungen.
Eine pauschale Ablehnung aller Hadithe hätte daher für den Glauben und die Praxis des Islam sehr weitreichende Konsequenzen, zu denen die meisten gläubigen Muslime nicht bereit sein dürften. Andererseits erscheint das Herauspicken der “guten” Hadithe bei gleichzeitigem Unter-den-Teppich-Kehren der “nicht so guten”, wie es von den Vertretern des friedliebenden Islam praktiziert wird, dem radikalen Muslim als ein “rückgratloser Verrat” und “anmaßendes Herumdoktern” an der göttlichen Religion. Aber auch für den kundigen Außenstehenden stellt sich diese “Rosinenpickerei” als intellektuell kaum befriedigend dar.
In einem weiteren Hadith wird die Geschichte eines muslimischen, blinden Mannes überliefert: Dieser fromme Muslim tötete seine Sklavin/Konkubine (“jariya”), mit der er auch gemeinsame Kinder hatte, weil sie trotz Ermahnung nicht aufhörte, schlecht und respektlos über den Propheten zu reden. Als er dem Propheten von seiner Tat berichtete, rief der Prophet ihm und den Anwesenden gegenüber aus: “Bezeuget hiermit, dass die Tötung dieser Frau keiner Ahndung bedarf.” (Überliefert von Abu-Dawud und anderen, siehe z.B. “Sunan Abu-Dawud”, Book 38, Number 4348).
Das sind keine Überlieferungen, die vergessen und unbeachtet in den Bücherregalen oder im digitalen Nirwana verstauben und lediglich von bösen “Islam-Feinden” angesprochen werden, damit sie über eine eigentlich friedliche Religion herziehen können. Vielmehr sind das (unter vielen anderen) eben diejenigen Hadithe, die von gewaltbereiten Muslimen als religiöse Legitimation für terroristische Anschläge ins Feld geführt werden. Und diese Hadithe stehen in denselben Büchern, die auch für die Vertreter des “friedlichen Islam” die zweite Hauptquelle des Islam darstellen!
Die Überzeugung, Prophetenbeleidigung zu bestrafen, ist weit verbreitet
Die Überzeugung, dass die nach dem islamischen Recht gebotene Strafe für die Verspottung oder Beleidigung des Propheten eigentlich der Tod sein müsste, ist in weiten religiösen Kreisen der Türkei (die ja zu den am meisten gemäßigten muslimischen Ländern gehört) nicht etwa eine Randerscheinung. Auch in vielen Werken über das islamische Recht (“fiqh”) wird verkündet, die Beleidigung des Propheten sei mit dem Tode zu bestrafen.
In vielen türkischen Tageszeitungen und Zeitschriften werden in den Religionsrubriken solche Gebote des islamischen Rechts unverblümt weitergegeben. In der türkischen Zeitung “Milli Gazete” zum Beispiel, die das Sprachrohr der “Milli Görüs”-Bewegung ist, war am 22.09.2006 zu lesen, dass die Strafe für die Verspottung oder Beleidigung des Propheten nach islamischem Recht der Tod sei.
Zur Relativierung kann von diesen muslimischen Kreisen allenfalls entgegnet werden, dass dies zwar die Rechtslage nach dem Koran und den Hadithen ist, dass aber zum Beispiel in Frankreich faktisch nicht das islamische Recht gelte und daher ein Muslim nicht die religiöse Legitimation dafür habe, die Beleidiger des Propheten eigenmächtig zu bestrafen. Dass aber unter dem islamischen Recht die Strafe für die öffentliche Verspottung oder respektlose Behandlung des Propheten, zumindest nach wiederholter Durchführung trotz vorheriger Ermahnung, der Tod sein muss, das wird im Allgemeinen von islamischen Gelehrten nicht bestritten. Nicht wenige halten auch die eigenmächtige Bestrafung in einem nicht-muslimischen Land unter Umständen für religiös gerechtfertigt.
Diejenigen konservativ-religiösen aber, die weder das islamische Recht negieren, noch die Anschläge gutheißen möchten, stellen darauf ab, dass hierzulande die Muslime in der Minderheit sind, das islamische Recht keine faktische Geltungsmacht besitze und ein eigenmächtiges Handeln unislamisch sei. Fragt man sie nun weiter, ob sie es denn für wünschenswert erachten würden, dass zum Beispiel die große Mehrheit der Franzosen freiwillig zum Islam konvertiert und das islamische Recht einführt, werden sie es – wenn sie ehrlich sind – bejahen. Eben dies zu wünschen und dafür zu werben, ist sogar eine religiöse Pflicht. Dann aber verkommt die Verurteilung des Pariser Anschlags als ein “abscheuliches, entsetzliches, unmenschliches Verbrechen” zu einer bloßen Formsache. So gesehen, wäre die Tat zwar nicht ganz korrekt, warum sie aber für den Islam von Grund auf “abscheulich, entsetzlich, unmenschlich” sein soll, wäre nicht mehr verständlich, wo doch die eigentlich gerechte Strafe für die Zeichner des Magazins nach dem idealen Wunsch-Szenario durchaus ihre Tötung gewesen wäre.
Es gibt auch noch andere Koranverse und Hadithe, die von den Befürwortern des Anschlags auf das Satire-Magazin angeführt werden. Jedoch würden sie den Rahmen dieses Artikels endgültig sprengen. Die Phrase “Hat alles nichts mit dem Islam zu tun” erweist sich jedenfalls als höchst unbefriedigend und verliert immer mehr an Glaubwürdigkeit. Eine befriedigende Lösung zu entwickeln, ist die Aufgabe der islamischen Verbände, der Imame, der Religionslehrer und Islamwissenschaftler. Ob das überhaupt möglich ist, vermag ich nicht zu beurteilen. Eine freimütige, selbstkritische Diskussion unter den friedliebenden Muslimen über ein mögliches Um-Denken und Neu-Ansetzen im Umgang mit der Religion und ihren Quellen scheint aber der einzige eventuell erfolgversprechende Weg zu sein.
22 Kommentare
Kommentare
Besten Dank am Permanenter Link
Besten Dank für diese mich erschreckenden Erläuterungen.
Eine Ablehnung von feigem Mord ist scheinbar nur dann möglich, wenn man den Mut hat eigenständig zu denken - unabhängig von der Bibel oder dem Koran, etc.. Das ist, wie Sie natürlich wissen, der Beginn der Aufklärung: Wage es, den eigenen Verstand zu benutzen. Oder einfacher: Jeder Tod, auf Seiten der Mörder und der Opfer, ist ein sinnloser Tod.
Dito am Permanenter Link
Die auf Seite 1 geschilderten Erfahrungen kann ich zu 100% bestätigen. 3 Tage lang war ich nach den Anschlägen in Paris im Netz unterwegs und habe türkischsprachige Foren (Facebook, Twitter, türk.
Angelika Richter am Permanenter Link
Auch von meiner Seite herzlichen Dank für diesen differenzierten Beitrag!
Wenn Frau Merkel proklamiert, dass der Islam zu Deutschland gehört, sollten sie und möglichst viele aus Regierungsreihen sich vielleicht doch die Mühe machen, Arabisch zu lernen.
Dann könnten sie aus erster Hand erfahren, dass ein Großteil der Onlinekommentare tatsächlich darauf hinausläuft, dass das zwar Terror war, aber der Westen doch irgendwie selbst Schuld...
Aber die meisten Verantwortlichen verbleiben wohl lieber in der Sphäre eines ausgedehnten Informationsdefizits in dieser Sache um mehr Raum für ihre Phantasien zu haben.
Georg am Permanenter Link
Absolut richtig - dem ist nichts hinzuzufügen! Ich lebe seit 2 Jahren im Nordosten der Türkei und erlebe täglich, dass es den meisten "Muslimen" gerade recht kommt, was in Paris passiert ist.
Skyteus am Permanenter Link
Vielen Dank für diese wertvollen Einblicke! Tatsächlich hat dieser Beitrag mir wieder einmal gezeigt, wie wenig mir die theologischen Grundlangen des Islam bekannt sind - und sicherlich geht es nicht nur mir so.
Dass jede Weltanschauung und damit eben auch jede Ideologie und jede Religion missbraucht werden kann, ist angesichts der (Kriminal-)Geschichte des Christentums (vgl. Deschner) nur allzu deutlich. Gleichzeitig wird man bei unvoreingenommener Betrachtung einräumen müssen, dass manche Weltanschauungen eher zu Gewalt anleiten als andere. Die spannende Frage lautet: was macht man mit dieser Einsicht...?! Verbieten ist sicherlich nur in wenigen Ausnahmefällen sinnvoll und praktisch durchführbar. Es bleiben imho zwei Optionen:
1) Entsprechende weltanschauliche Gruppierungen genauer zu beobachten, um frühzeitig auf problematische Tendenzen oder gar Planungen krimineller Handlungen aufmerksam zu werden. Die restliche Unsicherheit muss eine freiheitlich-demokratische Gesellschaft bereit sein auf sich zu nehmen.
2) Aufklärung und Integration entsprechender Bevölkerungsgruppen, die als Rekrutierungspool wirken könnten.
Insbesondere zur Aufklärung hat dieser Bericht einen sehr guten Dienst geleistet!
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Vielen Dank für die große Mühe, Ufuk Özbe, die Details einmal deutlich herauszuarbeiten.
Oskar Degen am Permanenter Link
nur 2 Anmerkungen, ansonsten kann ich Ihrer Zustimmung nur zustimmen:
1. angesichts des läppischen Gezänks der XXXXXXXXXXXX* auf der letzten Synode möchte ich den Wert des katholischen Lehramts doch stark relativieren.
2. aus dem Wort Monotheismus würde ich das "Mono" streichen. Unter den vielen Göttern gibt es meist auch einen "Kriegsgott".
aus Angst wg. §166 vor den Kadi gezerrt zu werden habe ich das Wort gestrichen.
Bernd Galeski am Permanenter Link
Das Problem ist derzeit, dass hauptsächlich religiöse oder gläubige Funktionsträger aus Staat und Gesellschaft das Wort ergreifen.
Dabei scheinen sie zu übersehen, dass Religionen erst dann friedlich sind oder werden, wenn ihnen die Machtinstrumente aus der Hand genommen werden. Das ist hierzulande mittlerweile schon vor einigen Generationen geschehen und ist das Verdienst todesmutiger Vorkämpfer der Aufklärung. Mag sein, dass man das im Eifer der Auseinandersetzung schon mal vergisst.
Es kann aber auch sein, dass es den aufgeklärten Vertretern des Christentums in Europa mittlerweile unangenehm ist, an die unrühmliche Vergangenheit der eigenen Glaubensinstitution erinnert zu werden. Das ist gut so, denn dadurch zeigen die christlichen Religionsvertreter, dass sie die humanistischen Werte der Aufklärung (Freiheit des Individuums, des Glaubens und Nichglaubens, Abschaffung der Todesstrafe oder Folter) inzwischen selbst verinnerlicht haben. Eines aber fehlt noch: Die Fähigkeit zur Selbstkritik und die Bereitschaft, die eigenen Glaubensinhalte einer strengen und ehrlichen Prüfung zu unterziehen. Dann würden sie nämlich erkennen, dass in allen monotheistischen Buchreligionen der Umgang mit Nichtgläubigen oder denen, die "dem Evangelium Jesu, unseres Herrn, nicht gehorchen" (2. Thessalonicher-Brief Kapitel 1, Vers 8f) nicht gerade friedlich oder vom Geist der grundgesetzlich garantierten Glaubens- und Gewissensfreiheit geprägt ist. In obiger Textstelle führt der "heilige Paulus" aus, solche Menschen würden "bestraft" (Vers 9), an ihnen würde "Jesus, der Herr mit seinen Engeln in loderndem Feuer […] Vergeltung" üben (Vers 8).
Solche Gewaltphantasien gibt es also nicht nur im Islam; auch das Christentum kennt entsprechende Passagen, in denen sich Gläubige in ihrer Ablehnung Ungläubiger regelrecht austoben. Leider ist auch das Judentum nicht frei von solcher Gewaltphantasterei; schaut man einfach mal die entsprechenden Texte im Pentateuch, dem Buch Richter oder auch den Psalmen an, so findet man dort Dutzende Passagen, die vor Gewalt strotzen. Unter dem Stichwort "Gewalt im Alten Testament" findet man im Internet solche Passagen zuhauf.
Werden Ungläubige schon mit üblen Strafen bedroht, so ist Abtrünnigkeit (Apostasie) in den Augen Frommer ein wesentlich schlimmeres Verbrechen, wie man an diesem Zitat sehen kann:
"Denn wenn wir vorsätzlich sündigen, nachdem wir die Erkenntnis der Wahrheit empfangen haben (oder: gläubig waren), gibt es für diese Sünden kein Opfer mehr, sondern nur die Erwartung des furchtbaren Gerichts und ein wütendes Feuer, das die Gegner verzehren wird.
Wer das Gesetz des Mose verwirft, muss ohne Erbarmen auf die Aussage von zwei oder drei Zeugen hin sterben. Meint ihr nicht, dass eine noch viel härtere Strafe der verdient, der den Sohn Gottes mit Füßen getreten, das Blut des Bundes, [...], verachtet und den Geist der Gnade geschmäht hat?
Wir kennen doch den, der gesagt hat: Mein ist die Rache, ich werde vergelten, [...]
Es ist furchtbar, in die Hände des lebendigen Gottes zu fallen." (Hebräer-Brief Kapitel 10, Verse 26-31)
Auch wenn heutige Kirchenvertreter solche Texte nicht [mehr] gern hören oder es tunlichst vermeiden, sie selbst zu zitieren, weil ihnen die Werte der Aufklärung inzwischen näher sind als göttliche Strafgerichtsandrohungen, so sind diese dennoch Teil ihres religiösen Erbes. Dass man kirchlicherseits darauf verzichtet und stattdessen lieber die angenehmen, barmherzigen Texte betont, zeigt, dass man sich solcher problematischen Anwandlungen des eigenen Gottes am liebsten ganz entledigen will, und zwar weil man sie als das erkennt, was sie sind: unmenschlich. Die Unmenschlichkeit aber erkennt man ungeachtet des "christlichen Menschenbildes" oder der "göttlichen Weisheit" und "Milde", gerade weil man gelernt hat, menschliches Mitgefühl über die Geltung religiöser Vorschriften und Wertmaßstäbe zu stellen.
Diesen Wandel des individuellen Verhaltens in Glaubensdingen aber haben die christlichen Kirchenfürsten und ihre Gläubigen nicht aus eigener besserer Anschauung vollzogen, sondern weil der "weltliche Arm" ihnen nicht mehr gestattete, alle Aspekte ihres Glaubens auszuleben.
Klugerweise haben sie nach und nach ihren Widerstand aufgegeben und sich nicht nur der nunmehr gesetzgebenden, säkular ausgerichteten, weltlichen Gewalt gebeugt, sondern inzwischen auch begonnen, die eigenen Texte kritisch zu hinterfragen. Darin müssen sie unbedingt fortfahren, denn noch immer flackern längst überwunden geglaubte Reflexe aus früheren, mächtigeren Zeiten auf. Etwa, wenn Teile der CSU jetzt fordern, den Blasphemie-Paragraphen wieder zu verschärfen und damit die Meinungsfreiheit zugunsten ihrer eigenen Befindlichkeiten einzuschränken.
Es verwundert daher nicht, dass in diesen gefährlichen Zeiten die Vertreter der großen Religionen eng beieinander stehen und sich gegenseitig ihrer Solidarität versichern.
Wenn Christen der CSU Blasphemie als Straftatbestand festigen wollen und wenn der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek, seine Aufmunterung an Charlie Hebdo, "weiterzumachen" mit der Ermahnung schließt, doch bitte die Islamisten zu karikieren - nicht den Islam, dann sieht man, dass in Sachen humanistischer Fortbildung und Aufklärung noch eine Menge Arbeit zu tun bleibt.
Und die wichtigste Aufforderung, die man an Menschen richten kann, die gern religiös beleidigt sind, ist:
Fangt endlich an, eure heiligen Texte aufmerksam und ehrlich zu lesen, sie zu kritisieren und da, wo sie gegen menschliches Mitgefühl verstoßen, sie abzulehnen!
user unknown am Permanenter Link
Dass dieses religiöse Allerlei am Brandenburger Tor die Probleme der Religion zudecken sollte, das war mir auch so bekannt, aber wie zynisch es ist diesen Satz aus dem Kontext zu reißen und zu diesem Anlass zu zitiere
Es sollte noch bekannter werden.
Hans Trutnau am Permanenter Link
“Das hat aber mit dem Islam und folglich auch mit uns Muslimen eigentlich nichts zu tun”.
Na klar; dass der Koran (exakt wie die Bibel) aufgrund der Widersprüchlichkeiten dieser sog. 'heiligen' Schriften völlig beliebig interpretiert werden, liegt doch auf der Hand. Rosinenpickerei, wie es beliebt. Die schärfsten Hardliner sind hier ebenso Beispiel wie Korchide, der seinerseits Rosinen für einen moderaten Islam pickt. Sog. 'heilige' Schriften gehören auf den Müllhaufen der Geschichte. Klar auch, dass diese Einsicht von Gläubigen nicht erwartet werden kann.
bombjack am Permanenter Link
[...]Ein Unterschied zu den nominellen Christen ist allerdings, dass nominelle Muslime dennoch in ihrem “religiösen Empfinden” sehr schnell beleidigt sein können.[...]
Mich würden die Gründe interessieren, warum das so ist?
Wieso sind da Christen toleranter, als Muslime?
Könnte u.a. auch ein Grund z.B. hier http://www.heise.de/tp/foren/S-Hm/forum-290469/msg-26318760/read/ zu finden sein, wobei diese Personen wahrscheinlich dann nicht zu den "nominelle Muslimen" gerechnet werden können.....
bombjack
Norbert Froese am Permanenter Link
Danke für diesen sehr kompetenten Artikel. Ich habe mir die Freiheit genommen den Artikel auf meiner Website zu verlinken.
Rainer am Permanenter Link
Danke für diesen differenzierten Beitrag. Ich werde ihn gerne auch an befreundete Journalisten weiterleiten.
David Boehme am Permanenter Link
Vielen Dank. Ich habe diesen Artikel sehr gerne, wenn auch mit Schauern gelesen.
Und eine "Wahrheit" kann man nicht oft genug wiederholen, sie gilt auch mit Blick auf jüdischen und christliche heilige Schriften:
"Und diese Hadithe stehen in denselben Büchern, die auch für die Vertreter des “friedlichen Islam” die zweite Hauptquelle des Islam darstellen!"
Dass ist das Problem der drei so genannten monotheistischen Religionen: Was gilt nun? Das, was die Gemäßigten sagen? Oder die tora-,bibel-, korantreuen Gläubigen?
Einmal steht in der Bibel "Gott ist die Liebe". Ein einsames einziges Mal. D.h. christliche Extremisten und alte und moderne Kreuzzügler können sich mit Recht auf ihre Heilige Schrift berufen.
Religion muss mehr denn je kritisch in den Blick genommen werden. Es reicht nicht, Religion ins stille Kämmerlein zu verbannen. Was dort geglaubt wird hat nämlich immer auch Auswirkungen auf das Leben der Gläubigen "in der Welt".
Rainer Bressler am Permanenter Link
Besten Dank für diese klaren Worte, die zusammen mit "Wer hat die Kraft der Leidenschaft" von Slavoj Zizek in DIE ZEIT vom 15.
kein name am Permanenter Link
Religionen (egal welche) sind von Menschen (nicht "Gott", nein, wir Menschen haben die Religionen erfunden!
Und dass jede Religion (ja, selbst der Buddhismus!) Schuld an Unterdrückung, Versklavung und Tötung Unschuldiger hatte und hat, kann wohl niemand abstreiten! Öffnet endlich mal eure religiös gefärbten (blinden?) Augen, bitte!
auch kein Name am Permanenter Link
"Öffnet endlich mal eure religiös gefärbten (blinden?) Augen, bitte!" ist in diesem Portal wohl wenig angebracht zu fordern ;-)
David am Permanenter Link
" ingroup-outgroup-Denkweise... Dies ermöglicht es JEDER Religion, die eigene Gruppe zu radikalisieren und aufzustacheln! "
=> Das ist sicher richtig. Aber wir sollten nicht vergessen, dass es, wie in jeder Ideologie, auch Unterschiede gibt: Es gibt Unterschiede in der Qualität der schlechten Ideen und es gibt Unterschiede in der Anzahl der schlechten Ideen. Es gibt Unterschiede in der Art der religiösen Quellen (narrativ, imperativ) und in der Art der kontemporären Rezeption.
JohnDoe am Permanenter Link
"der Koran und die Hadithe (die überlieferten Worte und Taten des Propheten) bieten bei keiner vertretbaren Auslegungsmethode auch nur ansatzweise eine Rechtfertigung für solch einen Anschlag. Basta!"
Das erzeugt von erschreckendem Unwissen über den Quran und die sahih (gesunde/glaubwürdige) Sunnah.
Es ist wohl eher so, dass "Muslime" im Westen die Gewalt glaubwürdig ablehnen und dann meinen sie, dass auch "ihr" Gott "ihr" Prophet die Gewalt ebenso ablehnen würde. Diese, die nicht einmal über Grundlagenwissen hinsichtlich bspw. der Sunnah verfügen, sprechen einfach über sie und trotzdem steht für sie das Urteil schon von Vornherein fest. Das zeigt, dass diese Euro-"Muslime" auch keinen großen Iman (nicht verwechseln mit dem Imam, liebe Euro-"Muslime") im Herzen haben können, denn sonst würden sie nicht ohne Wissen über die Religion sprechen. Ein Muslim fragt und verlangt nach dem islamischen Hukm einer Sache, und verbreitet nicht seine irrelevanten Meinungen, die im Islam einfach keinen Wert haben.
Kalle M. am Permanenter Link
„…Und diejenigen, die Allahs Gesandten belästigen, für diese ist eine qualvolle Peinigung bestimmt… spottet nur! Allah wird das, von dem ihr fürchtet, an den Tag bringen...
In der Fatwa Nummer 44469 auf Islamweb heißt es:
„Das Zeichnen, das Abbilden und die Darstellung der Person des Propheten sind nach einem Konsens der Islamgelehrten verboten (Haram).
Diesbezüglich wurden mehrere Fatwas erlassen, durch Al Azhar im Jahre 1968, durch den islamischen Forschungsbund 1972 und durch das ägyptische Zentrum für Fatwas 1980:
"… den Gesandten aber zu spotten ist im Islam offenkundiger Kuffer sowie Abfall vom Glauben… Sure 9.65 bis 66“
(Fatwa Nr.: 44469 unter der Leitung von Dr. Abdulah Al Faqih)
In seinem Fatwa Nummer 22809 sagt der Gelehrten Sheich Mohammed Saleh al Munajed:
"Die Gelehrten sind sich darüber einig, dass derjenige, der den Propheten beleidigt, vom Glauben abgefallen ist und infolge dessen getötet werden muss… Sure 9.64 bis 66“
Die rechtmäßige Allianz der Gelehrten und Prediger untermauert diese Tatsache in ihrem Fatwa vom 21.04.2005 durch Leitung von Dr. Abdul Haii Yousef.
Diesmal anonym am Permanenter Link
Als ich Montag, den 05.01.2015 in Dresden auf die Straße ging, um für die Rechte von Muslimen zu demonstrieren, wusste ich noch nichts von den grauenhaften Vorgängen in Paris.
Vorderseite:
MUSLIME SIND MENSCHEN WIE WIR! HERZLICH WILLKOMMEN!
Rückseite:
ISLAM=CHRISTENTUM=RELIGION=GIFT
hashim almaschat am Permanenter Link
ufuk bravo!