Tagungsbericht vom ersten Tag der International Atheist Convention, 22. Mai 2015

"Give Peace A Chance" (1)

Besonders der katholische Religionsunterricht sei ein Problem, da es keine Alternative zu diesem "Lehrfach" gäbe. Kinder, deren Eltern ihre Teilnahme an dieser vom Staat finanzierten Indoktrination nicht wünschten, würden ausgegrenzt. Das gesamte Schulsystem sei von religiösen Riten durchdrungen. Prozessionen vor Schulbeginn und Schulbücher mit gesungenen Glaubensbekenntnissen sind da nur zwei Beispiele. Doch immer mehr Eltern wehrten sich gegen diese Zustände und ihr Anliegen sei eigentlich nur, die doch säkulare Verfassung des Staates umzusetzen.

Neben den sowieso säkular und atheistisch geprägten Menschen, gäbe es aber auch immer mehr Menschen aus christlichen Kreisen, die sich aufgrund der religiösen Homophobie und überkommenen Familienbildern von der Kirche distanzierten. Genau diesen Menschen müsse man eine säkulare Alternative aufzeigen. Denn Säkularismus schütze nicht nur Menschen wie uns, sondern auch gläubige Menschen.

Des Weiteren seien in Kroatien gesellschaftliche Fortschritte in Gefahr. Familienplanung und Schwangerschaftsabbrüche wären immer wieder Gegenstand kirchlicher Attacken.

Am Ende ihres Vortrags stellte Peratović ihr Buch "Humanismus für Kinder" vor, welches in immer mehr Sprachen übersetzt wird.

Grußwort "Partei der Humanisten"

Religionen machen Politik – darf Humanismus nicht auch Politik machen? Unter dieser Leitfrage stellte Franz Eiber Motivation und Ziele der noch jungen Partei der Humanisten vor. Wo staatlich verordnete Religiosität und Einmischung der Religionen in die Politik beobachtbar sei, ginge dies mit geringerer individueller Selbstbestimmung und dem Verlust der Menschenrechte einher, so zeige die weltweite Erfahrung. Auch in Deutschland sei ein beständig hoher Einfluss der Religionsgemeinschaften auf die Politik feststellbar – ob über kirchliche Vertreter in Ethik- und Rundfunkräten oder über professionelle Lobbyarbeit. Andererseits hätte die Gruppe der Konfessionsfreien mit einem Anteil von mittlerweile weit über 30 Prozent keine Repräsentation in demokratischen Gremien. Bisherige Säkularisierungsversuche in etablierten Parteien schlügen aus der Angst fehl, kirchlich gebundene Wähler zu vergraulen. Eine Einmischung der Humanisten sei folglich nötig und gerechtfertigt. Menschenrechte über Gottesrechte zu stellen – dies sei das Ziel der neuen Partei, und das auch in Wirtschafts- und Steuerfragen, in Fragen von Familie und Sozialem sowie in vielen anderen Bereichen der täglichen Politik. Die Partei der Humanisten sehe im parlamentarischen Weg das beste Mittel, die Menschenrechte als Basis des Staates zu festigen, die Kirchen zu entmachten und jegliche Privilegien der Religionsgemeinschaften abzuschaffen.

Gerhard Rampp

Gerhard Rampp, langjähriger Redakteur der vom IBKA publizierten “Materialien und Informationen zur Zeit” (MIZ), legte dar, inwiefern die letzten Jahrzehnte als eine einzigartige Epoche in Bezug auf den Verlust der Bindung der Bevölkerung an die christlichen Religionsgemeinschaften verstanden werden können.

Gerhard Rampp, Foto: © Evelin Frerk / IBKA

Gerhard Rampp, Foto: © Evelin Frerk / IBKA

Mit zahlreichen statistischen Daten zeigte er auf, dass die Mitgliedszahlen der beiden großen Kirchen seit den 1970er Jahren so stark wie noch nie zuvor in Deutschland gesunken seien. Binnen vier Jahrzehnten verloren sie etwa ein Drittel ihrer Mitglieder, sodass der Anteil konfessionsfreier Bürger mittlerweile auf 38,7 Prozent angestiegen sei, womit diese seit einigen Jahren schon die größte weltanschauliche Gruppe darstellten. Bemerkenswert sei ferner, dass die eigentliche “Katastrophe” für die Kirchen nicht unbedingt in den (sich seit den 2000er Jahren stabilisierenden) Gesamtaustrittszahlen bestehe, sondern vielmehr in den Verlusten bei den Taufen und dem Mitgliederschwund durch Sterbefälle in der zunehmend überalterten Gemeinschaft der konfessionell Gebundenen. Denn die Mehrzahl der Kirchenaustritte erfolge durch die Unter–35-Jährigen, eben jene Generation, die mit ihrer Entscheidung über die Taufe ihrer Kinder einen erheblichen Einfluss auf die zukünftigen Mitgliedszahlen der Kirchen habe.

Falsch wäre es jedoch, diesem vermeintlichen Selbstläufer tatenlos zuzusehen. Vielmehr müssten Politiker konsequent auf die sich ändernde weltanschauliche Struktur der Gesellschaft aufmerksam gemacht werden. Ähnlich wie die etablierten Parteien einst durch das Aufkommen der Grünen auf der politischen Bühne den Umweltschutz für sich einnahmen oder die SPD durch Wahlerfolge der Linken ihre soziale Komponente wiederentdeckte, könnte etwa ein Zuspruch der Wähler bei der “Partei der Humanisten” für eine Besinnung der alten Parteien auf säkulare und humanistische Werte sorgen.

Corinna Gekeler

Corinna Gekeler gilt als die Expertin für Diskriminierung durch kirchliches Arbeitsrecht, den sogenannten "dritten Weg". In ihrem Vortrag schlug sie die Brücke zur Europäischen Union. Alle Themen, die wir hier bei uns in Deutschland diskutierten, seien auch immer Themen, welche durch europäisches Recht berührt würden.

Corinna Gekeler, Foto: © Evelin Frerk / IBKA

Corinna Gekeler, Foto: © Evelin Frerk / IBKA

Die christlichen Kirchen seien in Europa mit der Politik gut vernetzt und betrieben auch erfolgreiche Lobbyarbeit.

Da der deutsche Gesundheits- und Sozialsektor von kirchlichen Arbeitgebern dominiert würde, herrsche hier eine weitgehende Diskriminierung aufgrund kirchlicher Normen. Die Kirchen forderten Loyalität von ihren Angestellten, was impliziere, durch einen Kirchenaustritt sei die Loyalitätspflicht des Arbeitnehmers verletzt und es folge die Kündigung.

Diese diskriminierende Praxis sei durch das nationale sogenannte "Selbstbestimmungsrecht" der Kirchen geschützt. Die Kirchen selbst legten fest, was in ihr Aufgaben- und Zuständigkeitsfeld gehöre. Somit könne man in diesen Fällen von einer Zwangskonfessionalisierung zum Schutze des eigenen Arbeitsplatzes sprechen. Große Teile der Gesellschaft und der Politik unterstützen und duldeten dieses Vorgehen der Kirchen.

Erst in jüngster Zeit wurde die Kündigung eines Chefarztes vom Bundesverfassungsgericht für rechtens erklärt. Dieser Chefarzt maßte sich an, ein zweites Mal zu heiraten. Somit habe er das "heilige" Sakrament der Ehe nicht respektiert, was eine Verletzung eben jener Loyalitätspflicht bedeute und die Kündigung zur Folge hätte.

Eigentlich gäbe es Gesetze, wie das Allgemeine Gleichstellungsgesetz, die Diskriminierung am Arbeitsplatz unterbinden sollten, doch die Kirchen fänden immer wieder einen Weg, diese Gesetze zu umgehen.

Um eine solche Vorgehensweise zu verhindern, könnte die europäische Union mit Gesetzgebung eingreifen. Doch damit sie dazu motiviert werde, wäre gute Lobbyarbeit von säkularer Seite nötig.

Zum Abschluss des ersten Kongresstages fanden Gäste, Mitarbeiter und Referenten ihren Weg zur Bar in der Wagenhalle des Comedia-Theaters, wo sich weitere interessante Gespräche ergaben.


Vielen Dank an Evelin Frerk für die wunderbare Fotografie, Lizenzen zur Nutzung der Fotos können beim IBKA erfragt werden.