Tagungsbericht vom zweiten Tag der International Atheist Convention, 23. Mai 2015

"Give Peace A Chance" (2)

Joachim Kahl

Die Besucher der Tagung hörten hier einen Vortrag der etwas anderen Art. Hier ging es weniger um atheistische oder säkular-humanistische Aktionen und Probleme, sondern um die Betrachtungen zweier Meisterwerke der Kunst. Tizians "Toilette der Venus" und Frida Kahlos "Die gebrochene Säule" wurden von Joachim Kahl dem Publikum präsentiert.

Kahl startete seine Analyse jeweils mit der Betrachtung des Bildes an sich. Bildidee und Bildaufbau standen zunächst im Fokus, woran er anschließend eine detaillierte und auch für einen Kunst-Neuling verständliche Bildinterpretation folgen ließ.

Joachim Kahl, Foto: © Evelin Frerk / IBKA

Joachim Kahl, Foto: © Evelin Frerk / IBKA

Tizians "Venus" zeige die Vergänglichkeit des Lebens, indem es die Schönheit der Venus im Moment festhalte und gleichzeitig darauf verweise, dass auch diese Schönheit der Gottheit Venus vergänglich sei. Tizian habe die Venus nicht neu erfunden, aber in seiner eigenen, tizianesken Weise interpretiert. Das Thema von Frida Kahlos Werk "Die gebrochene Säule", sei Verletzbarkeit und gleichzeitige Selbstbehauptung. Hier zeige Kahlo in der ihr eigenen Weise, wie verletzlich der Mensch zum einem sei, und dass er gleichzeitig in dieser Verletzlichkeit auch Würde bewahren könne. So würde die Dichotomie der Existenz aufgezeigt, zwei Pole in einem Bild festgehalten.

Dieses Werk verweise auch auf die säkulare Weltsicht Kahlos, indem jede Hilfesuche "nach oben" ausgeklammert sei.

Zehra Pala

Da es die Zeit erlaubte, wurde spontan ein Kurzvortrag von Zehra Pala (Türkei) eingeschoben. Sie berichtete von der Situation der Atheisten in der Türkei, die ebenfalls im Vortrag von Romano behandelt wurde.

Zehra Pala, Foto: © Evelin Frerk / IBKA

Zehra Pala, Foto: © Evelin Frerk / IBKA

Pala gründete mit einigen Mitstreiterinnen und Mitstreitern einen atheistischen Verein und sieht sich aufgrund dessen zahlreichen Bedrohungen und Anfeindungen ausgesetzt. Ziel des Vereins sei es, sich für die Rechte religionsfreier Menschen einzusetzen. Todesdrohungen per Telefon oder öffentlichere Drohungen durch z.B. einen Scharia-Verein sind an der Tagesordnung. Des Weiteren kritisierte Pala den staatlichen Religionsunterricht, zu welchem es keine Alternative gebe und welcher auch kein neutraler Unterricht sei, sondern vielmehr eine religiöse Indoktrination der Kinder.

Ein Traum Palas und ihrer Mitstreiterinnen und Mitstreitern ist die Gründung eines atheistischen Zentrums. Ein gemeinsamer Ort zum Zusammenkommen, gemütlichen Austausch und Lernen. Trotz aller beängstigender Todesdrohungen und der schwierigen Situation würden sie sich weiterhin treffen und für ihre Rechte kämpfen.

Grußwort der Piratenfraktion im Landtag NRW, Michelle Marsching

Im Grußwort der Piratenfraktion des Landtags Nordrhein-Westfalen zeigte sich der religionspolitische Sprecher Michele Marsching erfreut über die Tagung und die Gelegenheit zur Diskussion über Chancen des Friedens ohne Religion. So schön Religion für den einzelnen sein könne, so gefährlich sei ihr Potential in der Masse. Daraus leite sich auch die Position der Piratenpartei ab, der Staat müsse sich in weltanschaulichen Fragen neutral verhalten; nur mit einer Trennung von Staat und Religion könne Frieden in der Gesellschaft erreicht werden. Zu diesem Zweck wünsche er sich eine Kooperation mit den Religionsgemeinschaften auf Augenhöhe, die Säkularen müssten in Kontakt bleiben mit den Religionsvertretern.

Colin Goldner

Colin Goldner stellte das "Great Ape Project" vor, welches grundlegende Rechte für die großen Menschenaffen einfordert. Das Projekt, das von den Philosophen Peter Singer und Paola Cavalieri ins Leben gerufen wurde, setzt sich dafür ein, den nächsten Verwandten des Menschen das Recht auf Leben, das Recht auf Freiheit und das Recht auf körperliche und psychische Unversehrtheit zuzugestehen. Denn obwohl das genetische Material des Menschen einerseits und der Gorillas, Schimpansen, Bonobos und Orang Utans andererseits sich kaum unterscheide, würden letztere immer noch gejagt, gefangen genommen, getötet und in Zoos und Manegen erniedrigt. Und auch wenn in den Jahren 1999 in Neuseeland und 2007 auf den Kanarischen Inseln erste Erfolge durch Implementierungen bestimmter Rechte in Gesetzen erzielt werden konnten, ließen sich seitdem keine spürbaren Fortschritte mehr feststellen. Warum der Widerstand gegen die Forderungen so groß sei, führte Goldner im Folgenden aus.

Colin Goldner, Foto: © Evelin Frerk / IBKA

Colin Goldner, Foto: © Evelin Frerk / IBKA

Das Projekt stelle die sakrosankte Trennlinie zwischen Mensch und Tier grundsätzlich in Frage. Die Vorstellung, dass auch Tiere denken, fühlen und leiden können und alle Spezies, auch der Mensch, einen gemeinsamen Ursprung haben, wie seit Charles Darwins Werk "The Origin of Species" bekannt ist, stünden der biblischen Vorstellung des Menschen als Ebenbild Gottes diametral entgegen. Schon im ersten Buch Moses heißt es, dass der Mensch sich die Tiere untertan machen solle. Das Aufbrechen der künstlichen Trennung zwischen Menschen und den übrigen Menschenaffen würde einen Dammbruch bedeuten und folgerichtig auch die Verwischung der Grenzen zwischen Menschen und allen anderen Spezies nach sich ziehen. Das sei es, was die Vertreter der alten Ordnung so fürchten.

Die Strategie der Kampagne bestehe im Moment darin, Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit zu schaffen, um Druck auf die politischen Entscheider erzeugen zu können. Die aktuelle Hilfe für in Zoos gehaltene Tiere müsse sich mangels geeigneter Schutzgebiete in Europa zur Zeit darauf beschränken, die Bedingungen für die Tiere so erträglich wie möglich zu machen. Denn von den 38 Zoos in Deutschland, die große Menschenaffen halten, seien die Bedingungen in 80 Prozent der Fälle völlig inakzeptabel. Da das gemäßigte Klima für die Tiere grundsätzlich zu kalt sei, müssten sie die meiste Zeit in Innengehegen verbringen – viele überlebten nur durch Verabreichung von Psychopharmaka.

Carsten Frerk

Religon als Brandbeschleuniger – diesen schwungvollen Titel trug der Vortrag von Carsten Frerk. Gründe, Gewalt anzuwenden, fänden Menschen immer, doch käme die Religion als Legitimation und Antrieb hinzu, ginge es in den meisten Fällen äußerst blutig zu. Mit der Religion im Rücken könne man alles rechtfertigen: Kriege, als auch den Frieden. Frerk brachte hier zwei Bibelzitate, die beides belegen.

Carsten Frerk, Foto: © Evelin Frerk / IBKA

Carsten Frerk, Foto: © Evelin Frerk / IBKA

Um alles noch etwas anschaulicher zu gestalten, zitierte Frerk weiter aus dem heiligen Buch der Christen, genauer gesagt, aus der frohen Botschaft des neuen Testaments. Worte wie Zähneknirschen, feuriger Pfuhl und Schwerter sind hier nur einige der vorgetragenen Perlen. Dann ließ er einige Passagen aus dem Koran folgen. Das Fazit aus diesen beiden Büchern: Gott will es [den Krieg]!

Die heutige westliche Sicht des friedlichen Christentums im Kampf gegen den feindlichen Islam sei historisch falsch. Frerk ließ einen historischen Abriss der Glaubenskriege folgen, die stellvertretend für Gott gegen die Anders- und Ungläubigen gefochten worden waren. Aber selbst innerhalb einer Religion ließen die Gotteskrieger keine Gelegenheit aus, ihre Mitmenschen, motiviert und angetrieben durch ihren Glauben, durch das Schwert dem Tode anheim zu führen.

Er machte einen Zeitsprung in das 20. Jahrhundert. Auch hier hieße es: "Gott mit uns!" Kolonialismus und Kriege hätten in dieser Zeit das Schwert Gottes nach Afrika gebracht. Und auch im Dritten Reich seien die Kirchen immer mit von der Partie gewesen. Also auch hier: "Gott mit uns!"

Frerk resümierte: Solange es noch Regierungen gebe, welche Hand in Hand mit den Religionen marschierten, könne es keinen Frieden geben.