Tagungsbericht vom zweiten Tag der International Atheist Convention, 23. Mai 2015

"Give Peace A Chance" (2)

Arzu Toker

Arzu Toker thematisierte die religiös begründe Judenfeindlichkeit im Islam. Obwohl es in der Geschichte keine Übergriffe von Juden auf Muslime oder Kurden gegeben habe, müssten Juden in islamischen Gesellschaften bis heute für politische Miseren herhalten, und alles Böse werde ihnen zugeschrieben. Weit verbreitet unter vielen Muslimen seien insbesondere Theorien über jüdische Verschwörungen.

Arzu Toker, Foto: © Evelin Frerk / IBKA

Arzu Toker, Foto: © Evelin Frerk / IBKA

Warum diese Menschen, die teilweise nie einen Juden kannten, seit jeher derart judenfeindlich seien, erklärte sie anhand des Korans. Durch persönliche Kränkung ausgelöst von der Ohnmacht vor Rabbis, die ihn bloßgestellt hätten, sei der Prophet Mohammed mit einer unvergleichlichen Brutalität gegen jüdische Stämme vorgegangen. Diese Feindlichkeit habe Einzug in die religiösen Schriften gehalten, und so handelten Muslime in der Überzeugung, dem Willen Gottes zu gehorchen, wenn sie Juden angriffen, da die Judenfeindlichkeit durch den Koran implizit Gesetz geworden sei.

Michael Schmidt-Salomon

"Säkularismus ist die Lösung" - diese Satz fand der im Gefängnis inhaftierte Raif Badawi an einer Toilettenwand geschrieben. Inhaftiert war Badawi, weil er aussprach, was er dachte. Mit diesen Worten startete Michael Schmidt-Salomon.

Zu Beginn stellte er die Frage, wieso mit Religion so oft Gewalt einhergehe. Anhand dieser Frage, ließ er eine Klärung der Begrifflichkeit Gewalt folgen und beleuchtete diese in ihrer kulturellen, strukturellen und direkten Ausprägung. Weiter klärte er, in welcher Relation die Religion zu diesen Erscheinungsformen der Gewalt stünde. Vor allem die kulturellen Ausprägungen der Gewalt seien stark mit Religionen in Verbindung zu bringen. Die Teilung der Welt in Gläubige und Ungläubige sei da nur ein Beispiel. Beruhend auf dem moralischen Dualismus teile die Religion die Menschheit immer durch eine Binnenmoral für Mitgläubige und eine Moral für Außenstehende, also Anders- oder Nichtgläubige. Die Gewaltfantasien, welche sich in den heiligen Schriften fänden, würden sich irgendwann auch in der Realität Bahn brechen. Der 11. September sei ein Ausdruck hierfür.

Michael Schmidt-Salomon, Foto: © Evelin Frerk / IBKA

Michael Schmidt-Salomon, Foto: © Evelin Frerk / IBKA

Auch für strukturelle Gewalt böten die heiligen Schriften eine Legitimationsbasis. Im Islam sei dies z.B. die Urteilsfindung anhand der Sharia. Im Christentum sei das kirchliche Arbeitsrecht (Corinna Gekeler referierte hierzu) ein Beispiel für diese strukturell ausgeübte Gewalt. Doch hätten wir hier in Westeuropa das Glück, einen fortschreitenden Säkularismus zu sehen und zu fördern.

Schmidt-Salomon erteilte der Mär vom christlichen Abendland eine Absage. Schließlich seien alle Fortschritte, bis hin zur allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, nicht mit der Hilfe, sondern gegen die Bestrebungen der Religionen erkämpft worden. Auch in vielen muslimisch geprägten Ländern gebe es eine fortschreitende säkulare Tendenz. Trotzdem wollten viele, gerade in diesen Ländern, das Rad der Geschichte gerne um einige Jahrhunderte zurück drehen.

Der Säkularismus biete eine Lösung für globale Konflikte. Gleichzeitig sei er aber auch eine der Ursachen dieser Konflikte. Der Fundamentalismus sei die letzte Hoffnung für jene, deren archaische Weltbilder immer weiter zerbröckelten. Auch sei dieser Fundamentalismus ein Wesenszug um gegen die eigenen Zweifel an der eigenen Religion lautstark vorzugehen. Deshalb seien besonders Konvertiten anfällig für diese extremen Interpretationen des Glaubens.

Es stelle sich nun die Frage, wie sich Europa aus dem Würgegriff der Religion weitestgehend befreien konnte. Eine erste mögliche Antwort sei der Wohlstand: Je weniger Mangel ein Mensch verspüre, desto weniger müsse er sich religiösen Heilsfantasien hingeben und auf ein besseres Leben nach dem Tod hoffen.

Säkulare Trends hielten überall Einzug. Auch die Theologie sei nicht vor säkularen Trends gefeit. Theologen seien bestrebt, die Inhalte ihrer Lehren umzuformulieren, da diese Lehren aus heutiger Sicht äußerst abstrus erschienen. Diese Reformulierungstaktik der Religionen schlage so die Brücke zwischen Fundamentalismus und Säkularismus.

Doch jener Säkularismus, so Schmidt-Salomon, gehe weiter als bloßer Laizismus. Säkularismus wolle gesellschaftliche Impulse setzen. Nicht jeder müsse zwangsläufig Atheist oder Agnostiker sein, aber wenigstens sollten Gläubige ihre Schriften moderner lesen. Im so genannten Kampf der Kulturen ginge es weniger um einen Kampf zwischen Atheisten und Theisten. Vielmehr sei es ein Kampf zwischen Säkularen und Anti-Säkularen. Säkulare hätten nicht den moralischen Dualismus wie Religionen, mit ihrem "Wir"- und "Die"-Denken, sondern den Glauben an universelle Rechte des Individuums. Wollten wir dem Frieden eine Chance geben, müssten wir zusammen mit liberalen Gläubigen gegen die engen Gruppenidentitäten der althergebrachten religiösen Gesellschaftsmodelle vorgehen. Schmidt-Salomon schloss seinen Vortrag mit der Hoffnung, dass wir alle irgendwann als Spezies der nackten Affen friedlich zusammen leben könnten.

Grußwort "Säkulare Grüne NRW", Berivan Aymaz

Berivan Aymaz sprach sich im Grußwort der säkularen Grünen in NRW dafür aus, die Gelegenheit zur Vernetzung unter den säkularen Organisationen zu nutzen. Ein vereinigtes Vorgehen müsse dazu genutzt werden, eine säkulare Alternative in der Politik zu forcieren, um das Nicht-Anerkennen von Anders- und Nichtgläubigen sowie eine Demoralisierung der Politik zu abzuwenden. Dabei sei es wichtig, das säkulare Projekt nicht als rein atheistisches zu verstehen. Religionskritik und Religionsablehnung würden in Politik und Gesellschaft nämlich leider selten auseinander gehalten. Abschließend wünschte sie sich, dass alle gemeinsam das säkulare Projekt für eine Friedens- und Freiheitsbewegung vorantrieben.

Maryam Namazie

In ihrem Vortrag "Säkularismus fördern in Zeiten von ISIS" stellte die aus dem Iran stammende Bürgerrechtlerin Maryam Namazie vom "Council of Ex-Muslims of Britain" die hohe Relevanz des Säkularismus gerade in Gegenwart des weltweiten Aufstiegs des Islamismus im Speziellen und der religiösen Rechten im Allgemeinen fest. Besonderes Augenmerk richtete sie auf den feministischen Protest, denn die Verordnung des Hidschab für Frauen sei in der Regel die erste Auferlegung der Islamisten, wo immer sie die Macht ergriffen. Deshalb käme der Protestform der weiblichen Nacktheit, wie sie beispielsweise typisch für die Bewegung Femen sei, eine ganz entscheidende Rolle zu. In einem Zeitalter, in dem unverschleierte Frauen von den Islamisten als Wurzel allen Übels angesehen würden, müssten Gotteslästerer geehrt, müsse Blasphemie gefeiert werden.

Maryam Namazie, Foto: © Evelin Frerk / IBKA

Maryam Namazie, Foto: © Evelin Frerk / IBKA

Keinesfalls dürfe der Protest als westlich-kolonialistisch gefärbt verstanden werden, da so nur die Befindlichkeiten der Islamisten beachtet würden. Kulturen und Gesellschaften seien nirgendwo homogen und so handele es sich beim Aufbegehren gegen die religiöse Rechte mitnichten um einen Kampf zwischen dem aufgeklärten Westen und dem religiösen Osten, sondern vielmehr zwischen Säkularisten und Theokraten.

Maryam Namazie bildete den Schlusspunkt der Referate des zweiten Veranstaltungstages. Nach dem Abendessen folgte die Verleihung des IBKA-Awards "Sapio" an Greg Graffin; Evolutionsbiologe und Sänger der Punk-Band "Bad Religion".


Bericht vom ersten Tag