Notizen zu Nordkorea 24

Ein interessantes Buch über Nordkorea und eine Konferenz in Salzburg

Wer hat das Sagen?

Ein sehr lesenswertes Kapitel widmet sich dem nordkoreanischen Machtapparat. Die Autoren folgen dabei weitestgehend der Meinung, die insbesondere durch den Dissidenten Jang Jin-sung verbreitet wird: Kim Jong Un erbte das Machtsystem seines Vater, in dem die Abteilung Organisation und Führung (Organisation and Guidance Department, OGD) der Partei der Arbeit Koreas die Machtzentrale ist. Kim Jong Il baute dieses System auf und war bis zu seinem Tod Direktor dieser Abteilung. Diesen Titel gab er allerdings nicht an seinen Sohn weiter, so dass Kim Jong Un nun im System seines Vaters lebt, ohne dessen Autorität geerbt zu haben. Während es in der für die Außenwelt sichtbaren (vermeintlichen) Führungsschicht zu vielen Wechseln oder "Beseitigungen" kam, gab es in der Führungsebene des OGD kaum personelle Veränderungen. Pearson und Tudor legen sich allerdings nicht in aller Deutlichkeit darauf fest, dass Kim Jong Un nur eine Marionette ist, sondern beleuchten den Einfluss seiner Familie. Sie betonen, dass trotz der sehr dominanten Rolle des OGD und ihrer Vize-Direktoren starke Machtkämpfe zwischen verschiedenen Akteuren und Interessensgruppen um politische Kontrolle, Einfluss und Geld ausgetragen werden. Das vermeintlich unvorhersehbare oder irrationale Verhalten, das Kim Jong Un zugeschrieben wird, lasse darauf schließen, dass es niemanden gibt, der die absolute Kontrolle über das Land hat.

Den zunehmenden Materialismus und die Korruption führen sie auch auf Kim Jong Il und dessen ausschweifende Geschenkepolitik zu, durch die er sich – neben einer Terrorherrschaft durch Säuberungsaktionen und einen Angst verbreitenden Sicherheitsapparat – die Loyalität seiner Anhänger sicherte. Der politische Idealismus der Elite ging durch das Bewusstsein, dass alles und jeder käuflich ist, fast vollkommen verloren.

Staatlich geförderte Veränderungen

Auch mit diesen Veränderungen ist die Aufrechterhaltung der Staatsform mit ihrem Führerprinzip und somit der Regimeerhalt oberste Maxime. Zugeständnisse an die Bevölkerung wie Duldung der Märkte werden hingenommen, um einen Kollaps zu verhindern. Die Propaganda des Regimes fokussiert sich zunehmend auch auf die (vermeintlichen) Bedürfnisse der Bevölkerung. Neben der Betonung, dass Lebensstandard und Nahrungsmittelsicherheit verbessert werden müssen, zeigen Prestigeprojekte Kim Jong Uns wie das Ski-Resort am Masik-Pass, Spaßbäder oder ein Delfinarium in Pjöngjang, dass sich das Volk auch Erholung und sogar Spaß gönnen darf. Ebenso wird neuerdings inländischer Tourismus in der Parteizeitung beworben. Auch der wirtschaftliche Aufbau soll vorangetrieben werden. Dieser soll aber am besten mit der Einrichtung von Sonderwirtschaftszonen erreicht werden, damit sich ein potentiell regimedestabilisierender Einfluss in Grenzen hält. Denn schon Snacks wirken subversiv: In der Kaesong-Industriezone wurde erst in diesem Jahr südkoreanischen Unternehmern untersagt, weiterhin südkoreanische Kekse und Instant-Nudelsuppen an die nordkoreanischen Arbeiter zu verteilen. Die qualitativ hochwertigen Waren aus dem Süden haben sich zu begehrten Produkten auf dem Schwarzmarkt entwickelt.

Auch die Einrichtung eines Handynetzes scheint für den Staat von hohem Nutzen zu sein. Zwar wird dadurch die Kommunikation von Nordkoreanern untereinander ungemein erleichtert, aber sowohl Gespräche als auch Textnachrichten können in Echtzeit von der Staatsicherheit überwacht werden. Des Weiteren müssen für die Registrierung und ein Erstgerät mindestens 200 Dollar bezahlt und auch das Guthaben in den meisten Fällen mit ausländischer Währung aufgeladen werden. Damit ist das Mobilfunknetz mit seinen mehr als zwei Millionen Kunden zu einer wichtigen Devisenquelle. Prognose: Wird das Regime untergehen?

Das Buch endet mit der Frage, ob Nordkorea bald zusammenbrechen wird. Die Autoren zeigen auf, dass Nordkorea trotz der rasanten und teilweise grundlegenden Veränderungen immer noch stabil ist. Vom Regime wird Widerstand im Kleinen toleriert. Durch Korruption haben die Menschen mehr Freiheiten, was ihre Zufriedenheit erhöht und damit auch stabilisierend wirkt. Die aufsteigende kapitalistische Klasse bemüht sich auch eher, in die Elite des Landes aufgenommen zu werden als sie zu unterwandern. "Ökonomisch kann Nordkorea als moderner Wilder Westen angesehen werden, aber die politische Kontrolle ist eine andere Geschichte, insbesondere in der Hauptstadt", fassen die Autoren die Situation im Land zusammen. Gegen potentielle Gegner, die der Regimestabilität im Wege stehen würden, wird nach wie vor rücksichtlos vorgegangen.

SARAM e.V.
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