BERLIN. (hpd) Narutos Selfie ging um die Welt. Denn Naruto ist fotogen. Bernsteinfarbene Augen, eine imponierende "römische" Nase und ein beneidenswert stabiles Gebiss. Naruto ist ein Schopfaffe. 2011 stahl er David Slater, einem Naturfotografen, die Kamera und löste an die 200 Selfies aus. Wem gehören die Rechte? In San Fransisco klagt PETA nun für Naruko. Die deutsche Primatenforscherin Antje Engelhardt steuert für diese Klage ihr Fachwissen bei.
Antje Engelhardt vom Primatenforschungszentrum in Göttingen erforscht vor Ort auf der Insel Sulawesi in Indonesien vor allem die Fortpflanzungsstrategien der Schopfaffen. Und es geht ihr um den Schutz dieser Makakenart. Deshalb ist PETA (People for the Ethical Treatment of Animals) auf sie zugekommen. "Wir kennen diesen Affen. Wir kennen ihn persönlich", sagt sie im Gespräch mit dem hpd. "Wir wissen, dass er damals ungefähr sechs Jahre alt war. Er ist neugierig und explorativ. Er kennt und untersucht gern Spiegel, Kameralinsen und Fotoausrüstungen. Er setzt sich auf Motorräder, betrachtet sich im Spiegel oder in den spiegelnden Fenstern der Autos."
Auf meine Frage, ob man sagen kann, er handele, wie man es von einer Person sagt, die das Urheberrecht ja fordert, sagt sie: "Dass er das kann, das zeigt er ja." "Natürlich wusste er nicht, dass am Ende ein Foto dabei herauskommt", dämpft sie die Erwartung, auch ein schöpferischer Akt liege hier vor. "Das amerikanische Urheberrecht verlangt aber auch nicht, dass der Affe eine solche Absicht hat. Nur dass er etwas getan (das Bild ausgelöst) hat. Und das hat er, und nicht Slater. Es kann aber auch sein, dass am Ende dabei herauskommt, dass da eine Gesetzeslücke ist."
Davon geht Wikipedia aus, die das Selfie von Naruto als "common" auf ihre Seite stellte. David Slater hat bis jetzt erfolglos dagegen protestiert und reklamiert die Rechte für sich. Wikipedia befragte ihre Leser per Abstimmung nach ihrer Meinung, und das Bild blieb im Netz.
Wie immer man am Ende den Fall entscheiden wird, es wird sich indirekt doch um die Fragen drehen: Wie viel Absichten kann man Naruto zuordnen und welche? Antje Engelhardt ist sich sicher: "Er hat ein Bild von dem, was er vor sich hat. Wir werden in seine Handlungen miteinbezogen. Wir sind für ihn keine Baumstämme. Die Schopfaffen sehen uns als Lebewesen. Sie sehen, was wir tun, und reagieren darauf." Kann man also von einer Persönlichkeit sprechen? "Persönlichkeiten haben alle Tiere", ruft Antje Engelhardt mit dem Brustton der Überzeugung aus und fährt fort: "Daran wird heute ganz heiß gearbeitet. Bis runter zu den Insekten. Wir wissen, dass sich einzelne Individuen in immer gleichen Situationen ganz verschieden verhalten können und dass da jeweils eine Konstanz ist. Darin besteht für uns Persönlichkeit. Mehr ist es nicht. Die einen sind in gleichen Situationen immer draufgängerisch, die anderen zum Beispiel immer schüchtern.
Ob man daraus Personenrechte ableiten kann, weiß ich nicht. Wer das nicht will, muss festlegen warum nicht. Ich bin da ganz unsentimental. Aber wir müssen uns fragen, was will unsere Gesellschaft? Wem will ich Rechte einräumen? Ich sehe nicht ein, warum nur unsere Art gewisse Rechte haben soll. Dass neuerdings bei uns das Tierschutzgesetz im Grundgesetz festgelegt wird, zeigt ja, dass wir verstanden haben, dass wir kein Recht haben, Tiere leiden zu lassen. Philosophisch wäre zu fragen: Welcher Tierart haben wir welche Pflichten gegenüber?"
Antje Engelhardt kommt auch auf den Unterschied zwischen dem deutschen Urheberrecht, das eine persönliche Schöpfung, einen geistigen Inhalt und eine wahrnehmbare Formgestaltung fordert, und dem amerikanischen zu sprechen: “Das deutsche Urheberrecht ist ganz anders als das amerikanische. Nach deutschem Recht wäre eine Klage nicht möglich. Nach amerikanischem vielleicht schon. Wenn Slater das Geld bekommen würde, käme mir das jedenfalls schon ungerecht vor. Auf den Auslöser gedrückt hat schließlich Naruto. Und das ist entscheidend nach dem Gesetz. Und warum soll das Geld nicht den Affen zu Gute kommen?”
Gut möglich, dass es so kommt. An der Handlungskette, die zur Entstehung der Bilder führte, war er, nachdem Slater die Kameras eingestellt und aufgestellt hatte, am Ende am nächsten dran.
3 Kommentare
Kommentare
pavlovic am Permanenter Link
Das ist ja wirklich eine starke Geschichte. Was für ein fotogenes Wesen, in der Tat.
http://www.talkteria.de/forum/topic-52818.html
georg am Permanenter Link
Wenn man schon über Urheberrechte für einen Affen nachdenkt dann auch über Eigentumsrechte! Der Affe hat den Fotoapparat gestohlen. Kann er dafür belangt werden?
David am Permanenter Link
Ein Affe, der mit einer entwendeten Kamera selfies macht?
Er hat also ganz alleine herausgefunden, dass das entwendete Objekt Abbildungen von ihm macht, um dann als Folge dieser Erkenntnis herauszufinden, wie man sich vor dem Gerät positioniert und welche Stelle des ihm unbekannten Objekt man drücken muss, um den Auslöser zu aktivieren?
Bei aller Sympathie für die Sache sollte man vielleicht auch die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass hier, um die Tierrechte weiter voranzubringen, eine PR Aktion konstruiert wurde.