Papst-Prozess in Traunstein

350.000 Euro für Missbrauch durch einen Priester

benedikt_1280.jpg

Im Zivilprozess eines Missbrauchsopfers vor dem Landgericht Traunstein hat der Klägeranwalt nun erstmals die Höhe des Schmerzensgeldes beziffert: Nach Unterlagen, die CORRECTIV, BR und der Zeit vorliegen, fordert er 300.000 Euro vom Erzbistum München und Freising und 50.000 Euro von den Erben des verstorbenen Papst Benedikt XVI.

Der Anwalt eines früheren Opfers von Priester H. fordert 350.000 Euro für den Missbrauch im Pfarrhaus in Garching an der Alz. In einem Schriftsatz an das Landgericht Traunstein, der CORRECTIV, dem Bayerischen Rundfunk (BR) und der Zeit vorliegt, beziffert der Berliner Rechtsanwalt Andreas Schulz die Forderungen seines Mandanten. Er beantragt, das Erzbistum München und Freising zur Zahlung von 300.000 Euro Schmerzensgeld zu verurteilen. Dem Kläger sollen demnach "alle materiellen und immateriellen Schäden" ersetzt werden, die ihm "aus der Missbrauchstat im Tatzeitraum zwischen 1994 bis 1996 entstanden sind sowie in der Zukunft noch entstehen werden."

Gegen die Erben des verstorbenen Papstes Benedikt XVI. richten sich zusätzlich Schmerzensgeldforderungen in Höhe von 50.000 Euro. Dieser habe als Chef der Glaubenskongregation 1986 mit dafür gesorgt, dass der verurteilte Priester erneut in einer Gemeinde eingesetzt wurde. Somit wurde H. auch der Missbrauch des jetzigen Klägers erst ermöglicht.

Verfahren in Traunstein und Köln könnten Rechtsgeschichte schreiben

Das Verfahren vor dem Landgericht Traunstein und ein weiterer, ähnlicher Prozess in Köln könnten Rechtsgeschichte schreiben. Der ehemalige Vorsitzende Richter des Oberlandesgerichts Köln, Lothar Jaeger, bewertet bisher übliche Schadensersatzzahlungen als weit zu niedrig. "Für Missbrauchsfälle, in denen das Opfer völlig aus der Bahn geworfen wurde, sollte der Schmerzensgeldbetrag nicht geringer sein als für einen Schwerstverletzten und somit heute bei mindestens 800.000 Euro angesiedelt werden", schreibt Jaeger im Februar 2023 in einem Aufsatz in der Fachzeitschrift Versicherungsrecht. Sollten sich die Kläger in Köln und Traunstein durchsetzen, könnten auch andere Missbrauchsopfer ähnlich hohe Summen fordern.

Die Beklagten in Bayern können bis zum 16. Juni zu der Forderung Stellung nehmen. Das geht aus einem Schriftsatz des Landgerichts Traunstein hervor, der CORRECTIV, BR und Zeit vorliegt. Der erste Verhandlungstag ist auf den 20. Juni terminiert.

"Der Kläger wurde um sein Lebensglück gebracht"

Nach Angaben des Betroffenen Andreas Perr habe Priester H. ihn zusammen mit anderen Jungen an einem Sommertag Mitte der 1990er Jahre zum Ansehen von Pornofilmen und Masturbieren genötigt. Dabei habe der Pfarrer sich entblößt, onaniert und die Jungen im Intimbereich berührt. Als Perr seiner Mutter von den Taten erzählte, glaubte sie ihrem Sohn nicht. Die Reputation und der Status des Priesters in der oberbayerischen Gemeinde schützten den Täter. Die Tat wird von den Beklagten nicht bestritten.

"Der Kläger wurde so um sein Lebensglück gebracht, aus der Lebensbahn geworfen und suchte deswegen Zuflucht in Drogen und Alkohol mit all seinen Folgen für seinen beruflichen Lebensweg", heißt es im Schriftsatz seines Anwalts Schulz.

Vor Beginn des Prozesses muss das Gericht noch entscheiden, ob es das Verfahren aufspaltet: Der Klägeranwalt fordert, den Prozess gegen die Papst-Erben von dem Verfahren gegen das Erzbistum, den ehemaligen Erzbischof Friedrich Wetter und den Missbrauchstäter H. zu trennen. Hintergrund ist, dass einige Erben Ratzingers noch nicht gefunden worden sind. Nur eine Cousine hat die Erbschaft bereits ausgeschlagen.

Das Landgericht Traunstein setzt nach CORRECTIV, BR und Zeit vorliegenden Unterlagen den Streitwert des Verfahrens nach Erhalt der Schmerzensgeldforderung nun auf 362.000 Euro fest.

Die vollständige Recherche wurde hier veröffentlicht.

Unterstützen Sie uns bei Steady!