Das neue Mobilfunknetz 5G bringt nicht nur die Vorstellungskraft von Technophilen auf Touren. Während sie sich auf schnellen Datenverkehr ohne Funklöcher freuen, grassiert anderswo die Strahlen-Angst. Ganze Vogelschwärme sollen nach einem 5G-Versuch in den Niederlanden tot vom Himmel gefallen sein. Doch so beängstigend das auch klingt, es ist schlicht ein Märchen.
Von der Realität unangetastet zieht die Panik weiter ihre Kreise. So fordert nun eine schweizerische Volksinitiative in einer Unterschriftenaktion, dass die Sendeleistung der 5G-Masten erheblich heruntergeregelt wird. Dadurch will sie erreichen, dass die Strahlung nicht mehr in die Wohnungen dringt. Aus wissenschaftlicher Sicht ist das eine ganz schlechte Idee, urteilt der Wissenschaftsjournalist Beat Glogger. "Wer im Haus möglichst wenig Strahlung will, müsste eigentlich 5G befürworten", schreibt er im Wissensmagazin higgs. "Denn bei dieser Technologie werden Strahlen verwendet, die wesentlich schlechter in Gebäude eindringen."
Fachleute rechnen den verwendenden Strahlentyp zur nicht ionisierenden Strahlung. Sie besitzt viel zu wenig Energie, um die DNA zu schädigen und etwa Krebs auszulösen. Das kann nur energiereiche ionisierende Strahlung, etwa Gammastrahlen.
Zudem können nicht einmal Personen, die sich als "elektrosensibel" bezeichnen, feststellen, ob eine Mobilfunkwellen-Quelle gerade sendet oder nicht. Es muss also andre Gründe haben, wenn sie über Beschwerden wie Schlafstörungen oder Kopfschmerzen klagen. Aber die hohen Antennen sind nicht zu übersehen und erinnern die Besorgten auf Schritt und Tritt an die vermeintliche Bedrohung. Manchmal mit fatalen Folgen: "Es hat sich in Studien gezeigt, dass die Angst vor solchen Einrichtungen tatsächlich Symptome auslösen kann, selbst wenn sie ausgeschaltet sind", schreibt André Pix in der aktuellen Ausgabe 4/2019 des Skeptiker, Zeitschrift für Wissenschaft und kritisches Denken. Der Diplom-Ingenieur kommt in seinem Artikel zu einem entspannten Fazit bezüglich 5G: "In einigen Jahren", ist er überzeugt, "werden wir uns in unseren autonomen Fahrzeugen sitzend vermutlich fragen, wie wir je ohne diese Technologie ausgekommen sind."
Mit dem Thema "Magisches Wasser" greift das Heft als zweiten Schwerpunkt einen Klassiker der Parawissenschaften auf. Der amerikanische Folkloreforscher und Skeptiker Joe Nickell hat in seiner langjährigen Tätigkeit für die amerikanische Skeptikerorganisation CSICOP ein reichhaltiges Wissens auf diesem Gebiet angesammelt. In seinem Beitrag vermittelt er einen Überblick über das breite Spektrum des Aberglaubens rund um das kühle Nass.
Zu den wohl bekanntesten Beispielen für "Wunderwasser" gehört die Quelle im französischen Ort Lourdes, der für Katholiken von immenser Bedeutung ist. Über fünf Millionen Menschen jährlich besuchen den Wallfahrtsort, viele von ihnen hoffen auf wundersame Heilung ihrer Erkrankungen, auch wenn die offizielle Liste lediglich 70 Wunderheilungen umfasst. Bereits 1884 hatte man vor Ort das Bureau des Constatations Médicales eingerichtet, das für die Beglaubigung angeblicher Heilungen zuständig war. Wie Nickell berichtet, ist man inzwischen jedoch vorsichtig geworden. 2008 "kam es zu einem Aufstand von Ärzten, die sich nicht länger am 'Wundergeschäft' beteiligen wollten. Sie kündigten an, Fälle fortan nur noch als 'bemerkenswert' zu bezeichnen." Sprich: Es muss nichts Paranormales dahinterstecken. Dazu meint Nickell: "Eine bemerkenswerte Heilung kann jedem Patienten zuteil werden, unabhängig von heiligen Stätten und angeblich magischem Wasser."
In einem weiteren Beitrag befasst sich der GWUP-Vorsitzende Amardeo Sarma mit der Unterscheidung zwischen wissenschaftlicher Skepsis und Wissenschaftsleugnung und führt damit seine Überlegungen fort, die bereits eine lebhafte Debatte ausgelöst haben. Am Beispiel der Klimaforschung erläutert Sarma, wie wichtig wissenschaftliche Kontroversen für die Erlangung verlässlicher Erkenntnisse sind. Darüber hinaus diskutiert er, warum es in der skeptischen Wissenschaftskommunikation mit dem puren Vermitteln von Fakten nicht getan ist. Vielmehr hänge es entscheidend vom sozialen Umfeld ab, ob jemand wissenschaftlich gut belegte Aussagen wie den anthropogenen Klimawandel oder die Evolution für real hält. "Ob der Standpunkt aus wissenschaftlicher Sicht richtig oder falsch ist, spielt dann keine Rolle." Ein Modell, das sich gewiss auch auf Vorstellungen wie irrationale Strahlenangst oder den trügerischen Glauben an Wunderheilungen übertragen lässt. Sarma hofft, dass die Kenntnis solcher psychologischen Mechanismen dazu beitragen wird, Fakten und Wissenschaft erfolgreicher zu vermitteln. Das kann helfen, Ängste zu überwinden, trügerische Hoffnungen als Illusion zu erkennen und letztlich tragfähige Lösungen für individuelle und globale Probleme zu finden.
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2 Kommentare
Kommentare
Hans Trutnau am Permanenter Link
/S Also - ich bin der felsenfesten Überzeugung, dass heiliges ('magisches') Wasser dank seiner Erinnerung an diverse Strahlen (man denke nur an Sonnenstrahlen, die Wasser erwärmen - das *ist* doch nun mal so
Ich fordere daher meterdicke Wände magischen, erinnernden Wassers um alle Menschen - nein, um alle Tiere!
Das wäre damit auch vegan abgehakt. Weil, so geschützte Tiere können nicht getötet werden. Sie sind untötbar.
\S
Oder habe ich da etwas falsch verstanden?
David Krause am Permanenter Link
Das ist schon alles richtig so. Vegan und lecker.