Der HVD und die Bundeswehr

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Dr. Ralf Schöppner
Dr. Ralf Schöppner

BERLIN. (hpd) Vor einigen Wochen erschien im hpd ein Debattenbeitrag von Thomas Heinrichs: “Der HVD in der Bundeswehr?”. Er enthielt einige bedenkenswerte Überlegungen, aber auch eine Reihe von Irrtümern. Auf fünf davon sei in Kurzform hingewiesen.

Bei der Frage, ob der Humanistische Verband Deutschlands Soldaten der Bundeswehr humanistisch beraten sollte, geht es primär keineswegs um die finanzielle Frage einer Bezahlung dieser Beratung durch die Bundeswehr, sondern um die Frage nach dem Beratungs­bedarf bei den Soldaten und der Sinn­haftigkeit eines humanis­tischen Angebots. Die Ergeb­nisse der Bundes­wehr­befragung 2013 zum Thema Militär­seel­sorge belegen den Bedarf. Und Sinn macht eine humanis­tische Beratung von Soldaten vor allem im Kon­text eines um­fassen­deren Beratungs­angebotes auch für andere Berufs­gruppen und Einzel­personen. Bei der ganzen Debatte sollte aber nicht vergessen werden, dass die Bundes­wehr sich nicht besonders für den HVD und irgendwelche Kooperationen interessiert.

Die schönen einfachen Gleichungen (a) BRD=Krieg, (b) Bundeswehr=Krieg sowie (c) Bundeswehr=Nicht-Humanismus werden der Komplexität der verhandelten Themen sicherlich nicht gerecht.

Es ist mit­nichten der “Krieg”, der “normales Mittel” der neueren deutschen Außen­politik ist, sondern Ein­sätze der Bundes­wehr – sogenannte humanitäre wie auch Kampf­einsätze – sind zu einem Teil der neueren deutschen Außen­politik geworden. Ins­besondere die Kampf­einsätze sind nicht “normal”, sondern gelten den meisten als ultima ratio und sind politisch stets um­stritten, nicht nur unter Humanisten/innen. Eine sinnvolle Kritik an der sogenannten “offiziellen Position der BRD” wäre z. B. die Forderung, sich weit­aus deutlicher als bisher zu einer Ver­antwortung für einen gerechten Frieden zu ver­pflichten und sich entsprechend nicht-militärisch zu engagieren.

Nicht jeder Einsatz der Bundes­wehr ist ein Kriegs­einsatz, selbst wenn wie z. B. im Falle Afghanistans Ein­sätze bewusst politisch verharm­lost werden. Die Bundes­wehr ist heute eine Organisation mit vielen verschie­denen Auf­gaben. Man muss bei soge­nannten humanitären Ein­sätzen wie auch bei Ein­sätzen im Namen von Menschen­rechten oder Demokratie kritisch die Lauter­keit der Motive und die Sinn­haftigkeit prüfen, sie aber grund­sätzlich alle­samt schlicht­weg unter den Begriff “Krieg” zu rubrizieren, ist intellektuell unredlich.

Die Bundeswehr, ihre Ein­sätze und ihre Soldaten lassen sich nur dann fein säuberlich als “nicht-humanistisch” vom Humanismus ab­sondern, wenn man den Sinn der Institution auf von niederen Motiven geleitete Kriegs­führung reduziert, ihre Mit­glieder als kriegs­affine Rambos oder Gleich­gültige denun­ziert und Humanismus mit Pazi­fismus anstatt mit Anti­mili­taris­mus gleich­setzt.

Bundeswehr und Politik sind keine homogene Ein­heit. Soldaten der Bundes­wehr teilen oft­mals die Einwände und Bedenken gegen die neuere deutsche Außen­politik. Viele von ihnen wollen nicht unter dem Deck­mantel der Ver­teidigung von Menschen­rechten und Demokratie für partei­politische, ökono­mische oder geo­politische Interessen in den Einsatz geschickt werden. Viele von ihnen wollen auch nicht zu humanitären Ein­sätzen in Gebiete ent­sandt werden, in denen sie nicht erwünscht sind und in kriegerische Aus­einander­setzungen ver­wickelt werden. Und so manche fragen sich auch ganz grund­sätzlich, wieso die Bundes­wehr über­haupt zuständig sein soll für Krisen­gebiete in aller Welt und sie dafür ihr Leben riskieren sollen.

Humanistische Soldaten­beratung ist keine Missionierungs­veranstaltung. Sie hat nicht das Ziel, den Soldaten zum Aus­stieg aus der Bundes­wehr zu über­reden. Der humanistische Berater und die humanistische Beraterin haben selbst­verständlich Respekt vor Soldaten, die ihren Beruf aus politischer und/oder ethischer Über­zeugung ausüben. Ent­scheidend ist nicht, ob sie die jeweiligen An­sichten der Berater/innen teilen, ent­scheidend sind die Fragen, Sorgen und Nöte des einzelnen Soldaten. Daher unter­liegt die Beratung eben auch nicht der vermeint­lichen Vor­gabe “Fit­machen zum Töten und Getötet-Werden”. Eine genuin humanis­tische Perspektive fokussiert immer auf den einzelnen Menschen und nicht bloß auf irgend­eine wirk­liche oder vermeint­liche “Funktion”. Selbst­verständlich können humanistische Berater, Militär­seel­sorger und auch Soldaten in der Bundes­wehr eine “humanis­tische, anti­militaris­tische Welt­anschauung vertreten”. Es ist eine echte Forschungs­frage, in welchem Sinne der Humanismus ein Anti­militarismus ist und in welchem Sinne nicht.

Noch weniger ist der Lebens­kundliche Unterricht (LKU) in der Bundes­wehr eine Missionierungs­veran­staltung. Er ist aber vor allem auch keine frontale ein­seitige “Schulung”. Die Soldaten sollen lt. Curriculum dazu ange­regt werden, alle mit ihrem doch sehr spezifischen Beruf ver­bundenen Fragen zu be­denken und zu diskutieren (dazu kann natür­lich auch die Frage nach gewalt­feien Konflikt­lösungen oder präventiver Friedens­politik gehören) sowie sich in dieser Aus­einander­setzung ein eigenes begründetes Urteil zu bilden (dazu kann auch das selbst­verantwortete Urteil pro oder contra eines Ein­satzes gehören).
Muss wirklich darauf hin­gewiesen werden, dass der LKU nicht im Moment eines aktiven Ein­satzes erteilt wird, wo in der Tat keine ethischen Diskussionen statt­finden? Zwar kann er durch­aus in einer Einsatz­vorbereitung wie auch am Einsatz­ort statt­finden, meistens aber wird er am heimat­lichen Stand­ort abge­halten. Und selbst­verständlich wird im LKU diskutiert und nicht einfach nur “gehorcht”.

Mindestens genauso wie dabei christliche Seel­sorger für sich die Kompetenz zu einem offenen, pluralistischen, d. h. welt­anschaulich nicht gebundenen LKU bean­spruchen, können dies auch humanistische Lehr­kräfte. Die letzte Evaluation des LKU belegt den Wunsch nach einer stärkeren Ein­beziehung von nicht-religiösen, externen Fach­kräften.