In den nächsten drei Jahren begann Frau Ali sich als Agnostikerin zu begreifen. Sie hörte auf, den Islam zu praktizieren. Sie hat immer noch muslimische Freunde und ihr Bruder heiratete in eine religiöse muslimische Familie ein. Einige jüngere Bekannte und Verwandte fanden es langsam heraus. “Sie schienen sich nicht zu kümmern, dass ich keine Muslima bin”, sagt Frau Ali, “aber ich habe es nicht meinen Eltern erzählt.”
Schließlich aber hörten ihre Eltern es.
“Sie waren unfassbar traurig, da sie auch an eine ewige Hölle glauben,” sagt Frau Ali. “Zum größten Teil sind sie einverstanden mit meiner Irreligiosität”, fügte sie hinzu. “Aber wir sprechen inzwischen nicht mehr viel darüber und das ist in Ordnung.”
Die Mitglieder der Ex-Muslime sind überzeugt, dass sie die Rechte anderer, den Islam zu praktizieren, respektieren. Das Motto der Gruppe heißt: “Keine Bigotterie und keine Entschuldigungen” und in dem Text auf der Webseite steht “Wir verstehen, dass es Muslime in allen Variationen gibt, und wir werden nicht daran teilnehmen, diese Vielfalt zu verringern.” Aber sie bestehen genauso auch darauf, dass es immer noch zu schwierig für Muslime mit Neigung zum Atheismus ist, ihrem Denken zu folgen und zu sehen, wo es sie hinführen könnte. Wohingegen skeptische Christen oder Juden eine Zuflucht im reformistischen Flügel ihrer Tradition finden können, bestehen religiöse Muslime gemeinhin auf die wortwörtliche Wahrheit des Koran.
“Ich würde sagen, dass vielleicht 0,1 Prozent gewillt sind, die Fundamente des Glaubens herauszufordern”, sagt Nas Ishmael, ein weiterer Gründer der Ex-Muslimen Gruppe und Teilnehmer der Konferenz.
Also fühlen sich diejenigen allein, die sich der Herausforderung stellen, die Glaubensgrundlagen infrage zu stellen. Laut Frau Ali und ihren Kollegen der Ex-Muslime in Nordamerika, hören sie häufiger von anderen, die sagen “ich dachte, ich wäre der einzige.”
Als Frau Dadabhoy ihr “coming out” bei ihren Eltern hatte, “lief es nicht so gut”, sagt sie. “Sie reagierten auf die eine Art, die sie kannten - und das war auszuflippen. Sie haben noch niemals von jemandem gehört, der den Islam verlassen hatte. Wir sind mit der Idee aufgewachsen, man kann nicht gehen, niemand kann gehen. Den Islam zu verlassen, war etwas, das nur ein unfassbar geistesgestörter Mensch tun würde. Oder dazu gezwungen mit vorgehaltener Waffe.”
Kritiker haben sie als Teil einer zionistischen Verschwörung bezichtigt, der den Islam schlecht darstellen will. “Ich sage dann: ‘wenn das so ist, wo ist dann mein Gehaltscheck?’” sagt Frau Dadabhoy belustigt. Für einige Zeit haben Frau Dadabhoy’s Eltern sie zu Imamen mitgenommen, in der Hoffnung, ihr die Apostasie ausreden zu können. “Und sie kamen immer wieder mit ihren tautologischen Überzeugungen” erinnert sie sich. “‘Du bist gesegnet, da du in den Islam geboren wurdest.’ Und ich antwortete: ‘aber wenn ich als Christin geboren wäre, würdest du doch das selbe sagen, nur eben mit Christentum.’ Einmal habe ich vier Stunden mit einem Imam geredet und seine Schlussfolgerung war: ‘Habe einfach Glauben, da du Glauben haben solltest.’”
Ab diesem Punkt war dann Frau Dadabhoy’s Abwesenheit vom Glauben genauso unvermeidlich wie der Glaube des Imam an den seinen.
Übertragen aus der New York Times (mit freundlicher Genehmigung) von Katharina Malik.