Absurder geht es kaum

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Wenn man als schwuler Sozialdemokrat auf einem CSD in einem Niqab für das Recht demonstriert, eine Burka tragen zu dürfen, ist das in vielerlei Hinsicht grotesk. So ist es aber jüngst in den Niederlanden geschehen.

Man stelle sich folgende Situation vor: Sechs Personen demonstrieren gegen das Burka-Verbot. Sie selbst sind verhüllt bis auf die Hände und einen Sehschlitz für die Augen. Wenn man genau sein will sind es Niqabs, die sie tragen, keine Burkas, die haben nämlich zusätzlich noch ein Netz oder einen durchsichtigen Schleier vor der Augenpartie. Zwei der Demonstranten tragen zusätzlich noch Sonnenbrillen. Sie haben Schilder bei sich, auf denen steht: "My Burqa is my right and pride" ("Meine Burka ist mein Recht und mein Stolz"), "Burqa-Queens" oder "No human is free until we are all free" ("Kein Mensch ist frei, bis wir alle frei sind"). Sie tun das nicht irgendwo, sondern auf dem Christopher Street Day (CSD) und ihre Niqabs haben die bunten Farben der Regenbogenfahne. Unter der gelben Burka steckte der Abgeordnete Hendrik Jan Biemond, Sozialdemokrat und schwul.

Das ist so tatsächlich passiert und zwar in Amsterdam, wie die Emma berichtet. Das zugehörige Bild hatte auch schon die obligatorische Runde durch die sozialen Netzwerke gemacht. Es ist derart grotesk, dass man gar nicht weiß, wo man anfangen soll. Vielleicht zunächst mit dem Anlass der Demonstration: Seit Anfang des Monats ist es in den Niederlanden untersagt, in öffentlichen Einrichtungen und im öffentlichen Nahverkehr "gesichtsbedeckende Kleidung" aller Art zu tragen. Auf der Straße gilt es somit nicht.

Jetzt wieder zu der Protestaktion selbst: Absurd wäre da zunächst, dass die Demonstranten bunte Burkas tragen und damit die sechsfarbige Regenbogenfahne symbolisieren wollen, die für lesbischen, schwulen und queeren Stolz und für die Vielfalt dieser Lebensweisen stehen soll. In islamischen Ländern sieht man die Ganzkörperschleier in schwarz, Brauntönen oder blau. So farbenfrohe Burkas oder Niqabs gibt es in der Realität nicht. Auch wäre ein Bekennen zu diesen Farben und dem, was sie verkörpern, dort nicht möglich: Laut Bundesregierung werden Homosexuelle in sechs Ländern der Welt mit dem Tod bestraft: Im Iran, dem Sudan sowie in Mauretanien, Saudi-Arabien, Jemen, den Vereinigten Arabischen Emiraten und seit kurzem auch in Brunei, dessen Sultan die Todesstrafe nach weltweiten Protesten jedoch wieder aussetzte. Auffällig ist: Alle diese Länder sind muslimisch. Insgesamt sind es 37 Staaten, die gleichgeschlechtlichen Sex gesetzlich verbieten, meist, weil die Scharia ihre Rechtsgrundlage ist.

Der Protest im Niqab ist somit rein thematisch schon völlig absurd, zumal er auf dem CSD stattfindet, im Rest der Welt auch Gay Pride Parade genannt: Man muss seine sexuelle Orientierung nicht wie früher versteckt halten, man darf und soll offen zur Schau tragen, wer man ist – das ist die Botschaft, die dort ausgesendet wird. In muslimischen Ländern ist an diese Art der Selbstverwirklichung nicht zu denken. Dort stellt es teilweise ja schon ein Problem dar, eine Frau zu sein. Die Ganzkörperverhüllung ist dort eben nicht Ausdruck von Religionsfreiheit oder eine persönliche Entscheidung, sondern Pflicht. Was passiert, wenn man sich dem widersetzt, wurde einem jüngst im Iran noch einmal vor Augen geführt: Drei Menschenrechtsaktivistinnen wurden zu langjährigen Haftstrafen verurteilt, weil sie sich unverschleiert in der Öffentlichkeit gezeigt hatten. Was diese mutigen Frauen denken müssen, wenn sie sehen, wie in Europa Menschen, die selbst alle Freiheiten genießen dürfen, für das Recht auf Vollverschleierung demonstrieren, möchte man sich lieber nicht vorstellen.

Doch selbst auf der persönlichen Ebene scheint der Politiker Hendrik Jan Biemond nicht zu merken, wie seltsam und weltfremd das ist, was er da tut. Was es für ihn als Homosexuellen bedeuten würde, in einem Land zu leben, das Menschen wie ihn hinrichten lässt und Frauen dazu zwingt, ihren gesamten Körper zu bedecken, auch wenn sie es nicht wollen. Dass er zusätzlich auch noch Sozialdemokrat ist, ist das Sahnehäubchen auf dieser kafkaesken Aktion, die seine Partei auf Twitter verbreitete. Es soll ja einmal Zeiten gegeben haben, als Sozialdemokraten Religionskritiker waren. Aber die sind lange vorbei, vor allem wenn es um den Islam geht. Überall scheint das Damoklesschwert "Islamophobie" zu lauern, was jeden Ansatz von Kritik an dieser Religion im Keim erstickt. Lieber macht man einen so weiten Bogen darum, dass man seine eigenen freiheitlichen Ideale verrät – und das nicht einmal merkt.