Skeptiker 2/2022 erschienen

Adieu, Psychoanalyse!

Jahrzehntelang unterhielt die Frankfurter Goethe-Universität einen Lehrstuhl für Psychoanalyse, doch bald ist damit Schluss. Warum die umstrittene Seelenlehre wissenschaftlich unhaltbar ist und die Hoffnungen vieler Menschen auf die Bewältigung ihrer psychischen Probleme enttäuscht, schildern Bianca Holtschke und Timm Bölke in der aktuellen Ausgabe des Skeptiker. Weitere Beiträge im Heft befassen sich mit einer groß angelegten Studie über Astrologie in der Personalauswahl und berichten von der Premiere eines neuen Event-Formats am Pfingstwochenende in Leipzig. Der Titel: "WTF!? – Wissenschaft trifft Freundschaft".

An der Frankfurter Uni wird es laut FAZ künftig keinen eigenen Lehrstuhl für Psychoanalyse mehr geben. Das berichtete die Zeitung kürzlich unter Berufung auf Prodekan Christian Fiebach. Gegen die Abschaffung des Lehrstuhls hatte es bereits im Vorfeld erbitterten Protest gegeben. In einem Plädoyer für den Erhalt des Überholten behauptete etwa die Psychoanalytikerin Marianne Leuzinger-Bohleber, dass die umstrittene Seelenlehre zur Erklärung aktueller Entwicklungen wie "Verschwörungstheorien, Populismus und Fremdenhass" beitrage.

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Doch kann die Psychoanalyse solche hohen Erwartungen erfüllen? Und wie ist es überhaupt um ihre Wissenschaftlichkeit bestellt? In der aktuellen Skeptiker-Ausgabe gehen Bianca Holtschke und Timm Bölke diesen Fragen nach. Anstelle eines tragfähigen Wissenschaftskonzepts fördert ihre Recherche ein Sammelsurium von Anekdoten und Glaubenssätzen hervor, zusammengehalten durch rhetorische Kunstgriffe. "Psychoanalytische Annahmen und Konzepte können auch nach mehr als hundert Jahren nicht empirisch belegt werden", schreiben sie. Und weiter: "Ein kleiner Teil ist widerlegt und der Rest wird mit Immunisierungsstrategien und Scheinargumenten künstlich am Leben gehalten." Auch als Therapieform für Menschen mit psychischen Beschwerden habe sich die Psychoanalyse als wenig hilfreich erwiesen. Es gibt also viele gute Gründe, sie endlich aufzugeben, resümieren Holtschke und Bölke: "Gesellschaft, Universität und Gesundheitsversorgung werden sie nicht vermissen."

Während die Anhänger der Psychoanalyse eher unter dem Feuilleton-Publikum zu finden sind, gilt die Astrologie als Domäne von Klatschzeitschriften. Doch inzwischen hat die Sterndeuterei auch Einzug in einige Personaletagen gefunden, wo man anhand des Horoskops aus allen Bewerbungen die beste Besetzung für eine Stelle auswählen will. Eine schlechte Idee, wie ebenfalls im neuen Heft nachzulesen ist.

Dr. Frank Albers und Dr. Michael Hermes, beide beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in der psychologischen Pilotenauswahl tätig, haben in einer umfangreichen Studie das Sternzeichen von knapp 15.000 Bewerberinnen und Bewerbern zur Pilotenausbildung mit deren gemessenen Leistungs- und Persönlichkeitseigenschaften verglichen – mit vernichtendem Ergebnis für die Astrologie: Bei der psychologischen Bewerberauswahl erweist sich der Blick in die Sterne als ebenso unzuverlässig wie ein Münzwurf, so die Autoren. Ihr Fazit: "Somit muss nicht nur bei der Auswahl für sicherheitsrelevante Berufe wie dem des Piloten/der Pilotin, sondern für alle Berufsbilder eine Vorhersage der beruflichen Eignung durch die Astrologie unterbleiben."

Ein weiterer Beitrag führt die im vorigen Heft begonnene Diskussion um die Gestaltung einer zeitgemäßen Debattenkultur fort. Auslöser war der Band "Produktives Streiten" aus der gbs-Schriftenreihe, in dem das Autorenteam Michael Tezak, Felix Urban, Tobias Wolfram und Johannes Kurzbuch für einen kontroversen, alle Positionen einbeziehenden Diskurs plädiert. Eine kritische Stellungnahme von Adriano Mannino und Marina Moreno erfolgte in Skeptiker 1/2022. Nun melden sich Felix Urban und Michael Tezak mit einer Antwort. Sie plädieren für eine Vielfalt geschützter parteilicher Räume, denn diese sei "unentbehrlich für die Entwicklung und Ausarbeitung der verschiedenen Perspektiven, die sich später im Wettbewerb gegeneinander behaupten müssen". Nach ihrer Ansicht setzen jedoch Vielfalt und Wettbewerb "ein übergeordnetes öffentliches Forum voraus, das sich der weltanschaulichen Neutralität verpflichtet".

Ein neues Veranstaltungsformat feierte am Pfingstwochenende in Leipzig erfolgreich Premiere, das Wissens-Festival "WTF!? – Wissenschaft trifft Freundschaft" mit Vorträgen, Lesungen und Musik. Initiiert wurde das Event von Kriminalpsychologin Lydia Benecke, die im Wissenschaftsrat der GWUP aktiv ist. Die zeitgleich mit dem Wave-Gotik-Treffen in Leipzig stattfindende außergewöhnliche Veranstaltung zog mehrere Hundert Teilnehmerinnen und Teilnehmer unterschiedlichster Couleur an. Unter den Referenten waren auch Skeptiker-Autor Dr. Holm Hümmler und Skeptiker-Chefreporter Bernd Harder. Vor Ort hat sich Bernd Harder mit Besucherinnen und Besuchern unterhalten und viele Bilder von der facettenreichen Veranstaltung mitgebracht.

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