Die Götter der Fernsehunterhaltung können grausam sein. Wenn Sheldon Cooper, das leicht autistische Genie aus "Big Bang Theory" irgendwo auf keinen Fall hingehört, dann nach Texas. Wo er aufwuchs.
Einmal nur hat die Serie ihn dorthin verfrachtet, und es bedurfte einer kleineren Lebenskrise, ihn dort hin fliehen zu lassen - unter die Fittiche seiner Mutter, die die ganze Wohnung mit christlichen Statuetten vollgestellt hat. Ihn zur Rückkehr nach Kalifornien zu bewegen, braucht es dann nur wenige Sekunden - in denen er mit seiner Mutter über die Evolutionstheorie spricht.
Da mag Sheldon noch so frustriert sein über Ereignisse im Forschungsjob - die geistige Dumpfheit der Heimat ist doch schlimmer. TV-Autoren allerdings können gnadenlos sein, sie schlagen Funken aus ihren Figuren, indem sie sie in unangenehme Situationen bringen. Und so war es nur logisch, dass CBS kürzlich verkündete, nun werde eine Prequel-Serie gedreht: "Young Sheldon". Der arme Kerl wird also nicht nur zurück nach Texas geschickt. Sie machen ihn auch noch zum Jungen, der er war, seiner bibelfesten Mutter wehrlos ausgeliefert. Aber Moment - wehrlos?
Atheisten sind langsam, aber doch spürbar auf dem Vormarsch in amerikanischen TV-Serien, und wenn sie etwas auszeichnet, ist es ihre geistige Überlegenheit, und ist es die leichte Verzweiflung, mit der sie die allgemeine Neigung, alles glauben zu wollen, zur Kenntnis nehmen. Der gnatzige, aber geniale "Dr. House" etwa hasst spürbar jede Sekunde, in der er sich mit Glaubensvorstellungen auseinandersetzen muss: "Wenn man mit religiösen Menschen rational argumentieren könnte, dann gäbe es keine religiösen Menschen."
Oder Patrick Jane, bekannter als "The Mentalist": Er hat eine beachtliche Karriere als Wahrsager und Medium hinter sich, ehe er als Berater bei der Polizei einsteigt. Keiner weiß besser als er, wie gern die Menschen verführt und belogen werden wollen, solange ihnen die Lüge einen Trost oder ein ewiges Leben verspricht. Bei jeder Gelegenheit bemüht er sich zu versichern: "So etwas wie Hellseher gibt es nicht." Auch ein Jenseits ist bei ihm nicht zu holen. Und mit lächelnder Resignation nimmt er dann ein ums andere Mal hin, dass seine Mitmenschen davon nichts hören wollen.
Ähnlich ergeht es "Star-Trek-Next-Generation"-Kapitän Jean-Luc Picard, der auf dem eigentlich schon recht aufgeklärten Planeten Mintaka III irrtümlich für eine Gottheit gehalten wird. Man bittet ihn, zur Durchführung seiner Mission diese Rolle auszuspielen. Picard ist empört: "Vor Jahrtausenden haben diese Leute ihren Glauben an das Übernatürliche aufgegeben. Und jetzt soll ich diese Errungenschaft sabotieren? Soll sie zurückschicken in die dunklen Zeiten von Aberglauben, Ignoranz und Angst? Nein!"
Sie sind meist weit vorne, die Atheisten in den Fernsehserien, blitzgescheit - und leider meist nicht die Liebenswertesten unter der Sonne, immer irgendwo in einem Kontinuum zwischen kühl, arrogant und sozial komplett überfordert. Das kommt davon! Mögen die Gläubigen glauben. Ohne Gott wird es eben sehr einsam um einen. Die neue Serie "Young Sheldon", in der ein gewitzter Junge bei seiner vollreligiösen Mutter aufwächst, könnte da gern mal eine andere Deutung versuchen: Vielleicht ist es ja nicht die Abgeschnittenheit von Gott, die einen einsam macht. Vielleicht ist es die Abgeschnittenheit von klarer Vernunft, zu der ein kluger Knabe im Hinterwäldlernest verurteilt ist.
11 Kommentare
Kommentare
Wolfgang am Permanenter Link
Zugegeben, Atheisten haben einen schweren Stand, aber sie haben einen! Die Gläubigen stehen aber auf Morast und Dummheit. Sie merken es nicht und sie wollen auch nichts wissen.
Hans Trutnau am Permanenter Link
"Wenn man mit religiösen Menschen rational argumentieren könnte" - genau das ist einer der Knackpunkte; und auch, dass genau solche Menschen an den Schalthebeln der Indoktrination sitzen (my opinion...).
Norbert Schönecker am Permanenter Link
Serien dieser Art arbeiten mit Klischees. Sonst sind sie nicht publikumstauglich.
Also: Spitzenpolitiker sind korrupt. Die CIA manipuliert den Präsidenten. Kinder sind süß und herzensgut. Kardinäle verstecken antike Dokumente. Intelligente Schüler sind unsportlich. Psychologen haben selbst einen Dachschaden. Computerfreaks essen Junkfood. Wissenschaftler sind konfus.
Evangelikale Christen sind unintelligent. Atheisten sind gefühlskalt.
Daran wird sich nichts ändern.
Problematisch wird es nur, wenn jemand solche Klischees für eine korrekte Abbildung der Wirklichkeit hält.
Axel Uhlig am Permanenter Link
Hallo,
Ich bin gespannt auf neue Folgen und den jungen Sheldon!
So werden mit Spaß hoffentlich auch gläubige Menschen zu seinen Fans.
Gruß
A.U.
Norbert Schönecker am Permanenter Link
S.g. Herr Uhlig!
Die Serie und ihre Figuren haben sich weiterentwickelt, keine Frage. Rajesh kann auch schon seit längerer Zeit mit Frauen sprechen.
Gerade Hauptfiguren müssen im Lauf der Zeit differenzierter werden. Und das ist gut so.
Voll im Klischee der Atheistin und der (evangelikalen) Christin sind eher die Mütter von Sheldon und Leonard (ich hoffe, das stimmt noch, ich kenne die neueren Folgen nicht). Wobei Sheldons Mutter, bei aller Spießigkeit und Beschränktheit, auf mich sympathischer wirkt. Hier bricht das (amerikanische) Klischee voll durch.
Ich, als gläubiger Mensch, finde Sheldon übrigens nicht nur unterhaltsam, sondern auch sympathisch und in mancher Hinsicht bewundernswert. Aus der Ferne. Zusammen mit ihm zu arbeiten oder zu leben würde ich keine Woche aushalten.
Axel Uhlig am Permanenter Link
Guten Tag, Herr Schönecker,
wie auch im wahren Leben haben sich nicht nur die Hauptfiguren von TBBT weiterentwickelt. Sogar Sheldons Mutter wurde dies gegönnt. Sie hat ja eine gute Beobachtungsgabe und einen gutmütigen Charakter, kann damit auch die Sympathien von Atheisten binden. Für ihre Entwicklung wurden ihr auch schon mehrere Auftritte gegönnt, da die Vielseitigkeit ihres Charakters einen großen Unterhaltungswert bietet.
Bei Leonards Mutter blieb man dagegen stehen beim Klischee einer Wissenschaftlerin bar jedes Einfühlungsvermögens. Weil das in der Wiederholung kaum Unterhaltungswert hat, wird man die Frau wohl nur wiedersehen, wenn auch sie eine Entwicklungschance bekommt.
Ja, Sheldon ist sympathisch, aber im Alltag schwer erträglich. Umso toller fand ich jene Folgen, wo er mit der so gegensätzlichen Penny harmonierte: Einmal bei ihrem Unfall in der Badewanne. Das andere Mal, als sie mit Basteln von Schmuck Geld verdienen wollte. Er zeigte so nebenher, dass ein guter Physiker mit seinem Blick aufs Wesentliche, z.B. Gewinn/Stunde, durchaus auch im Geschäftsleben den Durchblick haben kann.
Hoffentlich wurde in diesen Folgen auch sein Chrakter nachhaltig geprägt in punkto Einfühlung und Großzügigkeit.
Über einen Fakt bin ich allerdings sowohl erfreut als auch verwundert:
TBBT ist absichtlich religionskritisch gestaltet, zumindest wenn man Sheldons Mutter als Karikatur anschaut.
Und der hpd wendet sich eher an Atheisten.
Warum schauen Sie dann TBBT und schauen beim hpd herein?
Wobei ich einräume, als Atheist gleichwohl gern auch die Kirchenmusiken von J.S.Bach anzuhören. Aber ist das vergleichbar?
Freundliche Grüße
Axel Uhlig
Freundliche
Norbert Schönecker am Permanenter Link
S.g. Herr Uhlig!
Ja, ich denke, das ist mit Ihrem Hören von Bachs Kirchenmusik vergleichbar.
Wenn Sie den religiösen Untergrund ausblenden, bleibt herrliche Musik.
Wenn ich bei TBBT den atheistischen Hintergrund ausblende, bleibt eine lustige Fernsehserie, die außerdem intelligenter ist als die Durchschnitts-Sitcom.
Warum ich beim hpd hereinschaue:
Ich bin überzeugt davon, dass eine pluralistische Gesellschaft besser und friedlicher funktioniert, wenn Menschen unterschiedlicher Weltanschauungen MITeinander reden statt ÜBEReinander. Dann kann man Vorurteile und Klischees abbauen (womit wir wieder beim Thema wären).
Ich habe beim hpd auch schon etliche Humanisten kennengelernt, mit denen ich schon produktiv Meinungen austauschen konnte. Und wenn auch in seltensten einer seine Meinung ändert, so bleibt doch die Erkenntnis: Wir können miteinander reden, wir haben auch etliche Gemeinsamkeiten, der andere ist ja gar nicht so engstirnig/dumm/bösartig/humorlos. Ich betrachte das als Gewinn.
(Vertiefung: Im Deutschen heißt es sehr sinnig ÜBER andere reden. D.h.: Man steht selbst höher als der, über den man redet. Das widerspricht der christlichen Demut.)
Es gibt natürlich auch Menschen hier, die es als ihr vornehmstes Ziel betrachten, mir bei jeder Gelegenheit zu zeigen, für wie unglaublich dämlich sie die christliche Lehre halten. Aber schließlich gibt es in meiner "Partei" auch Menschen, die allem, was nicht streng katholisch ist, mit der Hölle drohen. Also: verkörperte Klischees auf beiden Seiten.
Mit freundlichen Grüßen
Norbert Schönecker
Axel Uhlig am Permanenter Link
S. g. Herr Schönecker,
Ihre Antwort macht Sie mir erst einmal ziemlich sympathisch.
Natürlich kann sich jeder daran ergötzen. Wer aber über den Atheistischen Humanismus hinwegsieht, sieht über eines der Grundanliegen hinweg.
Sheldon lernt auf empirischer Basis und ohne Religion ganz langsam, sich in andere Menschen einzufühlen. Damit wird er nach und nach ein akzeptables Mitglied in seinem sozialen Netz.
Seine Mutter dagegen muss wohl sehr viele grundsätzliche religiöse Vorurteile überwinden, wenn sie mit Sheldons Freunden und anderen Wissenschafts-Menschen auf Dauer klarkommen will.
Meiner Meinung nach würde Atheisten das leichter fallen. Aber natürlich gibts auch nette gläubige Menschen.
Was mich aber ärgert und wundert: Warum kommen in der CDU, welche sich am meisten auf Religion beruft, ausgerechnet solche Lügner wie Barschel und solche Gesetzesbrecher wie Kohl auf die Spitzenpositionen?
Bei Bachs Musik sehe ich die besondere Stärke in seinem menschlichen Einfühlungsvermögen. Man kann Trauer wohl kaum eindringlicher musikalisch darstellen als er es am Anfang der Matthäus-Passion tat.
Freude dagegen empfindet wohl fast jeder am Anfang des Weihnachts-Oratoriums. Aber genau diese Musik ist eben keine rein kirchliche:
Er hat sie auch in einem weltlichen Stück verwendet.
Es gibt sogar einen australischen Forscher Eubel mit der Meinung, Bach könnte Atheist gewesen sein:
http://www.bach-cantatas.com/Articles/Bach-Atheist.htm
Ich bin noch dabei, diesen Text ins Deutsche zu übertragen.
Einige Argumente erscheinen mir einleuchtend.
Freundliche Grüße
A.Uhlig
Rudi Knoth am Permanenter Link
Da gebe ich Ihnen recht. Ich sehe diese Comedy auch recht gerne, aber betrachte die dort dargestellten Poersonen als klischeehaft. Die dort gezeigten Männer haben schon recht auffällige Macken.
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Lieber Herr Schönecker,
ich fürchte, Sie haben den Punkt dieses Artikels nicht verstanden (verstehen wollen?).
Natürlich geht es in Unterhaltungsprogrammen oft um Klischees. Nicht nur im TV - auch in denen, die in Kirchen von der Kanzel kommen. Gerade dort wird mit Klischees operiert: Jungfrauengeburt, Wunder, Selbstopfer, Auferstehung, Himmelfahrt und ähnlicher Unsinn. Auch Gläubige in der Kirche wollen unterhalten werden. Geschenkt!
Aber bei dem zunehmenden Einfluss atheistischer Ideen in amerikanischen Serien - ich denke auch an "Bones" und "Perception" - geht es darum, dass religiöse Wahnvorstellung als solche entlarvt werden.
Ich nehme an, dass die Zeit, in der unkommentiert die Märchenwelt der Bronzezeit als Realität verkauft wird, im Fernsehen dem Ende zugeht. Nur in Kirchen, Moscheen und Synagogen wird dies noch eine Weile so praktiziert...
Rudi Knoth am Permanenter Link
Sie haben "Temperance Brannon" aus der Serie Bones vergessen.