Höhere Macht, wirf Hirn vom Himmel!

Gebetsnachhilfe in Arizona

Aufregung im Parlament von Arizona: Darf eine Atheistin das Morgengebet sprechen? Und wenn ja, mit wem spricht sie da eigentlich?

Arizona gehört zu den US-Bundesstaaten, in denen die Menschen dem heißen Brüten der Sonne auf ihre Köpfe am schutzlosesten ausgeliefert sind, und es wird dort viel an Gott geglaubt. Zwei Drittel der weit überwiegend weißen Einwohner bekennen sich zum Christentum, im Repräsentantenhaus steht das Bittgebet immer ganz weit vorne auf der Tagesordnung, und wie es auszusehen hat, ist in der Hausordnung geregelt: Welcher Abgeordnete auch immer da vor seinen Kollegen steht und einen Moment der inneren Sammlung schaffen soll, muss sich dabei auf "eine höhere Macht" berufen. Die 27 Prozent der Einwohner Arizonas, die gemäß der letzten Erhebung "an nichts Bestimmtes" oder vielleicht sogar an gar nichts glauben, können ja, so lange ihre Volksvertreter mit einer unsichtbaren Macht sprechen, in der Zeit einen Kaffee trinken gehen.

Dass hier etwas nicht stimmt, hat nun die Abgeordnete Athena Salman herausgearbeitet, eine bekennende Atheistin. In einer schönen Ansprache hat sie vor laufenden Kameras darum gebeten, "in einer Nation, die oft nach Polarisierungen sucht", sich einen Moment lang darauf zu besinnen, was alle im Abgeordnetenhaus gemeinsam hätten: "den tiefsitzenden Wunsch, eine gerechtere und positivere Welt zu schaffen". Näher an eine Gottesvorstellung kam sie nicht als bis zu dem Aufruf: "Besinnen Sie sich auf die Menschlichkeit, die in jeder einzelnen Person hier wohnt, in jedem Menschen in der Stadt, und in allen Menschen im Land und auf der ganzen Welt".

Kaum hatte sie fertig gesprochen, erhob sich ihr Kollege, der republikanische Abgeordnete Mark Finchem im hellbraunen Ellbogenschoner-Blazer, protestierte unter Bezug auf die Geschäftsordnung und bekam die Erlaubnis, nun aber ein richtiges Gebet-Gebet zu sprechen. Er bat also seinen lieben Gott um "Vergebung für Arroganz" und kam im schönsten "Wir"-Stil sehr gekonnt - lockere Mikrofonhaltung, Hand in der Tasche, mit geschlossenen Augen - zu der argumentativ eher absurden Behauptung: "Vater, wir erbitten deinen Segen, deine Weisheit und deine Geduld und dein Verständnis – ob wir nun an dich glauben oder nicht".

Damit hatte die liebe Seele Ruh, und Gott, der in der Bibel ja eher selten durch übermäßige Geduld auffällig geworden ist, verzichtete tatsächlich darauf, das Repräsentantenhaus in Arizona mit Froschregen oder Blitzschlag zu überziehen. Daher wird Finchem wohl zufrieden gewesen sein mit seinem Einsatz, und frei von der Leber weg bekannte er auch nachher noch: Wer an keinen Gott glaube, solle sich eben nicht für das obligatorische Gebet eintragen.

Vielleicht noch einen Tick zufriedener dürfte aber die gemaßregelte Athena Salman sein: Dank ihres wie ein Springteufel hochgepoppten Widersachers ist der Disput zu Medienaufmerksamkeit gelangt, und mit ihm die archaisch anmutende Vorschrift, gewählte Volksvertreter müssten sich auf "eine höhere Macht" berufen. Salman entgegnete: Sie habe durchaus an eine höhere Macht appelliert - an das Gute in allen Menschen.

Und so dürfte der Punkt wohl an sie gegangen sein. Als interessierter Beobachter erhofft man weitere Anläufe und weitere Antworten auf die Frage: Welche höhere Mächte man wohl ins Spiel bringen darf? Den Fußballgott? Das Fliegende Spaghettimonster? Die Evolution? Quantenphysik? Freitag, den 13.?

Herr, lass gute und heitere Ideen regnen vom wolkenlosen Himmel über Arizona.