Bayerisches Polizeiaufgabengesetz

Bayerischer Verfassungsgerichtshof weist Antrag des BfG ab

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Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat es am 7. März 2019 abgelehnt, die mit einer Popularklage angegriffenen Regelungen des Polizeiaufgabengesetzes durch eine einstweilige Anordnung vorläufig außer Vollzug zu setzen. Der Bund für Geistesfreiheit München (bfg München) und der Bund für Geistesfreiheit Bayern hatten am 25. August 2018 eine Popularklage und einen Eilantrag auf vorläufige Aussetzung des Gesetzesvollzugs gegen das bayerische Polizeiaufgabengesetz (PAG) beim Bayerischen Verfassungsgerichtshof eingereicht. Über die Popularklage muss das Gericht noch im Hauptsache-Verfahren entscheiden.

Nach Auffassung der Kläger sind die vom 24. Juli 2017 und vom 18. Mai 2018 novellierten Artikel des Gesetzes verfassungswidrig, da sie zahlreiche im deutschen Grundgesetz und in der bayerischen Verfassung garantierte Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger massiv verletzen – wie zum Beispiel das Grundrecht der Unantastbarkeit der Menschenwürde, die Grundrechte auf Freiheit der Person und körperliche Unversehrtheit, das Rechtsstaatsprinzip, das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit oder das Grundrecht des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses. "Uns geht es mit der Klage darum, Rechtsstaat und Bürgerrechte vor der CSU und der bayerischen Staatsregierung zu schützen, die offensichtlich den Weg in den autoritären Polizei- und Überwachungsstaat eingeschlagen haben", stellt Assunta Tammelleo, stellvertretende Vorsitzende des bfg München, fest.

Wegen der aus Sicht der Kläger offensichtlichen Verfassungswidrigkeit der neuen Regelungen und weil das novellierte PAG nicht als komplett lesbares Gesetz im Bayerischen Gesetz- und Verordnungsblatt veröffentlicht wurde, hatten die Kläger einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt. "Es kann doch nicht sein, dass derart drastische Eingriffe in die Grundrechte der Bürger nicht unverzüglich durch den Gesetzgeber in einer für alle lesbaren Fassung erscheinen, obwohl es gesetzlich vorgeschrieben ist", stellt Tammelleo fest.

Der Bayerische Verfassungsgerichtshof sieht das anders und teilt in einer Pressemitteilung vom 11. März 2019 mit, dass der Erlass einer einstweilligen Anordnung schon allein deswegen nicht in Betracht komme, "weil die Popularklage nach überschlägiger Prüfung insofern offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat."

Allerdings bezeichnet das Gericht bei folgenden Bestimmungen die Erfolgsaussichten der Popularklage als offen:

  • "Regelung zur drohenden Gefahr in Art. 11 Abs. 3 PAG und weitere Befugnisnormen, die den Begriff der drohenden Gefahr für ein bedeutendes Rechtsgut verwenden oder hierauf Bezug nehmen, insbesondere die Ingewahrsamnahme in den Fällen des Art. 17 Abs. 1 Nrn. 4 und 5 PAG,
  • Regelung zur Dauer des polizeilichen Präventivgewahrsams in Art. 20 Nr. 3 Satz3 PAG"

Die Klage des Bundes für Geistesfreiheit richtet sich gegen alle Artikelneufassungen, in denen der neue unbestimmte Rechtsbegriff "zur Abwehr einer drohenden Gefahr für ein bedeutendes Rechtsgut" (Art. 11 Abs. 3 PAG) verwendet wird. Diese neue Formulierung betrifft vor allem die auf Antrag der Polizei anzuordnende überlange präventive Freiheitsentziehung von 3 Monaten mit "jeweiliger" Verlängerungsmöglichkeit um weitere 3 Monate, also die sogenannte Unterbindungshaft, die rechtlich auf unbestimmte Dauer durch Richter des Familiengerichts (!) im Wege der Freiwilligen Gerichtsbarkeit angeordnet werden kann.

"Eine präventive Haft von dieser Dauer ohne konkreten Tatverdacht, ohne Beteiligung der Staatsanwaltschaft, ohne Durchführung eines öffentlichen Verfahrens stellt die eklatanteste normative Grundrechtsverletzung des Rechtsstaatsprinzips aus Art. 3 Abs. 1 der Bayerischen Verfassung (BV) und des Grundrechts der Freiheit der Person aus Art. 102 Abs. 1 und 2 der BV dar seit ihrem Inkrafttreten im Jahre 1946. Sie ist rechtsstaatlich völlig unverhältnismäßig und damit grob verfassungswidrig", sagt Rechtsanwalt Rudolf P. B. Riechwald, der die Kläger in dem Verfahren vertritt.

Gravierend und verfassungsrechtlich unverhältnismäßig sind nach Ansicht der Kläger auch die zahlreichen weiteren Überwachungsmaßnahmen und Grundrechtseinschränkungen bei "drohender Gefahr" (zum Beispiel DNA-Entnahme, Platzverweise, Kontaktverbote, Aufenthaltsverbote, Aufenthaltsgebote, Fußfessel, Postüberwachung, Polizeispitzel, verdeckter Zugriff auf PC, Smartphone, Tablet).

Wie die vom Bund für Geistesfreiheit kritisierten Regelungen des PAG verfassungsrechtlich zu bewerten sind, ist mit der Zurückweisung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht entschieden. Das soll laut Bayerischem Verfassungsgerichtshof im Hauptsache-Verfahren geklärt werden.

Erstveröffentlichung auf der Webseite des BfG München