33,8 Millionen Deutsche gehörten zum 31. Dezember 2020 keiner Religion mehr an. Damit stellen die konfessionsfreien Menschen mit rund 41 Prozent den größten Bevölkerungsanteil in Deutschland vor den Katholiken (27 Prozent), den Protestanten (24 Prozent), den Mitgliedern sonstiger Religionsgemeinschaften (zwischen 4 und 5 Prozent) und den konfessionsgebundenen Muslimen (zwischen 3 und 4 Prozent). Dies geht aus einem Datenblatt hervor, das die Forschungsgruppe Weltanschauungen in Deutschland (fowid) auf ihrer Website veröffentlicht hat.
Die Mitgliederzahl der beiden christlichen Großkirchen (römisch-katholisch, EKD) ist 2020 um weitere 885.000 Personen geschrumpft. Insgesamt kommen sie zusammen nur noch auf einen Bevölkerungsanteil von 51 Prozent. (Zum Vergleich: Vor 50 Jahren waren noch über 90 Prozent entweder Katholiken oder Protestanten!) Setzt sich der gegenwärtige Trend fort (womit trotz hoffnungslos überforderter Kirchenaustrittstellen wegen der Überalterung der Kirchenmitglieder zu rechnen ist), wird der Bevölkerungsanteil der Kirchenmitglieder wohl schon Ende 2021 die 50-Prozentmarke unterschritten haben. Spätestens 2022 werden Katholiken und Protestanten zusammengerechnet nicht einmal mehr die Hälfte der Bevölkerung stellen.
Dass der Bevölkerungsanteil der konfessionsgebundenen Muslime gegenüber den fowid-Analysen in den Vorjahren gesunken ist, erklärt sich dadurch, dass fowid-Leiter Carsten Frerk sich nach gründlicher Recherche dazu entschlossen hat, die Aleviten, die sich als eine eigene Religions- beziehungsweise Weltanschauungsgemeinschaft verstehen, aus dieser Gruppe herauszurechnen und den "sonstigen Religionsgemeinschaften" zuzuordnen, deren Anteil sich entsprechend erhöht. (Dass es falsch ist, die Aleviten einfach "den Muslimen" zuzurechnen, zeigte sich übrigens bereits 2013, als sie zu den Mitveranstaltern der 2. Kritischen Islamkonferenz gehörten, welche federführend von der gbs veranstaltet wurde.)
In seiner Analyse beklagte Frerk nicht zuletzt die mangelnde Qualität der vorliegenden empirischen Daten. So besteht beispielsweise ein großes Problem darin, dass kleinere Religionsgemeinschaften aufgrund ihrer geringen Mitgliederzahl in quantitativen Studien oft untergehen, so dass die Pluralität des religiösen Lebens in der Forschung nicht hinreichend abgebildet wird. In früheren Jahren hat der Religionswissenschaftliche Medien- und Informationsdienst (REMID) diese Pluralität noch einigermaßen darstellen können, inzwischen sind die REMID-Daten aber größtenteils veraltet. Es wäre eine lohnende Aufgabe für religionswissenschaftliche Institute, dieses Forschungsdefizit zu beheben.
Erstveröffentlichung auf der Webseite der Giordano-Bruno-Stiftung.
5 Kommentare
Kommentare
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Das bedeutet nicht anderes als dass fast die Hälfte der Menschen (41%) in der BRD von der Politik ignoriert werden und deren Weltanschauung nicht wahrgenommen wird.
welche dann nicht mehr ignoriert werden kann.
Aber nur so werden die Zustände geändert.
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Jetzt stellt sich die Frage, wenn die großen Medien und vor allem die großen Parteien nachziehen und realisieren, dass mit ideologischen Schreckgespenstern kein Staat mehr zu machen ist.
Peter am Permanenter Link
Wenn Sie sich da mal nicht irren. Es kommen jede Menge Einwanderer nach Deutschland, welche einen religiösen Fanatismus mitbringen, den wir uns noch nicht mal vorstellen können.
Uwe Lehnert am Permanenter Link
Dabei ist aber folgendes zu berücksichtigen: Im Frühjahr 2016 führte EMNID eine Befragung der Berliner Bevölkerung – übrigens unter wesentlicher Mitwirkung von Carsten Frerk – mit folgendem Ergebnis durch:
61% der Berliner gehören keiner Religionsgemeinschaft an, 21% (nach den neuesten Erhebungen sogar nur noch 16%) gehören der evangelischen Kirche oder einer evangelischen Freikirche an, 9% sind Mitglied der katholischen Kirche. 74% aller Befragten gaben an, der Aussage »Ich führe ein selbstbestimmtes Leben, das auf ethischen und moralischen Grundüberzeugungen beruht und frei ist von Religion und Glauben an einen Gott« voll und ganz bzw. eher zuzustimmen. Lediglich 23% der Befragten sagten, dass diese Aussage eher nicht bzw. überhaupt nicht zutreffe.
Dabei ist überraschend, dass auch 64% der Protestanten und 57% der befragten Katholiken der Aussage ebenfalls zustimmten, dass sie ein »Leben frei von Religion und Glauben« führten.
Diese Zahlen machen deutlich, dass die Mitgliedschaft in einer Religionsgemeinschaft nicht ausschließt, von der offiziellen Lehre stark abweichende Lebensauffassungen zu vertreten. Auffallend war bei dieser Befragung ferner, dass mit steigendem Bildungsgrad die Zustimmung zur humanistisch-säkularen Lebensauffassung wächst.
Berlin ist zwar nicht repräsentativ für Deutschland, wohl aber in der Tendenz typisch für deutsche Großstädte. Feststellen lässt sich jedenfalls anhand der genannten Studie, dass von einer breiten Verankerung des Gottesglaubens in der deutschen Bevölkerung kaum noch gesprochen werden kann. Entsprechend geringer dürfte dann erst recht der christliche Glaube noch prägend sein. Was nicht besagt, dass christliche Traditionen und kirchliche Feiertage nicht noch großen Einfluss auf das tägliche Leben der Menschen hätten. Aber die eigentliche biblische Botschaft spielt dabei eine immer geringer werdende Rolle.
Soll heißen: Die eigentliche christliche Botschaft von Jesus als stellvertretenden Sündenbock, der alle unsere Sünden übernimmt und die Botschaft von der Auferstehung und dem ewigen Paradies, spielt in den Vorstellungen eines überwiegenden Teils der Bevölkerung keine Rolle mehr. Der Anspruch der Kirche, hier noch eine Mehrheit Glaubender zu vertreten, ist reines Wunschdenken, eigentlich eine freche Anmaßung. M.a.W.: Tatsächlich ist der christliche Glaube wesentlich weniger noch präsent in der Bevölkerung als die offiziellen Mitgliederzahlen fälschlich suggerieren.
Ganz aktuell: Passt sehr gut zum Thema.
Nur wenige sehen Religionen als gesellschaftlichen und politischen Akteur. Studie: Mehrheit der Deutschen hält Religion für unwichtig. "Überhaupt nicht wichtig" oder "nicht wichtig": So beschreibt eine deutliche Mehrheit der Deutschen ihre persönliche Einstellung zur Religion. Zudem bejaht nur eine Minderheit, Glaubensgemeinschaften trügen positiv zu einer gerechten Welt bei.
Mehr hier:
https://www.katholisch.de/artikel/31364-studie-mehrheit-der-deutschen-haelt-religion-fuer-unwichtig?utm_source=aktuelle-artikel&utm_medium=Feed&utm_campaign=RSS&fbclid=IwAR1_9kCXHIM2VJkwVCgQwT-Jtkhwoo_wm-Z5QJ-KNmTRNKdW_iN0M7s9LMk
Unechter Pole am Permanenter Link
Solange diese Muslime keiner als K.d.ö.R. verfassten Religionsgemeinschaft angehören, sind sie doch formal konfessionslos?