"Islamischer Unterricht" in Bayern

bfg München spricht sich gegen Popularklage aus

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Am Dienstag hat der Bayerische Landtag die Einführung des Schulfaches "Islamischer Unterricht" in dritter Lesung beschlossen. Gestern reichten der Pädagoge Ernst-Günther Krause sowie die säkularen Organisationen Bund für Geistesfreiheit Bayern (bfg) und die Regionalgruppe München im Förderkreis der Giordano-Bruno-Stiftung (gbs) eine Popularklage beim Bayerischen Verfassungsgerichtshof (BayVerfGH) ein. Der bfg München beteiligt sich nicht daran. In einer Pressemitteilung erklären Assunta Tammelleo, Co-Vorsitzende des Bundes für Geistesfreiheit München, und Dietmar Freitsmiedl, Schriftführer im Vorstand des bfg München, ihre Beweggründe.

"Um gleich vorneweg eines klarzustellen: Grundsätzlich treten wir für einen Ethikunterricht für alle Schülerinnen und Schüler ein. Gemeinsamer Ethikunterricht, der Kinder und Jugendliche mit unterschiedlichen weltanschaulichen, kulturellen und religiösen Hintergründen zusammenbringt, könnte gerade in der heutigen Zeit eine herausragende Rolle an den Schulen spielen", beginnt die Presseerklärung des bfg München. "Der Unterricht sollte sich mit Philosophie, Religionskunde, Weltanschauungslehre, Naturwissenschaften sowie Menschenrechten beschäftigen, wichtige Werte und Normen vermitteln und aktuelle gesellschaftliche Fragen diskutieren. Denn wo sonst könnten Kinder und Jugendliche besser miteinander über wichtige Themen wie Krieg und Frieden, Demokratie und Bürgerrechte oder Weltanschauungen und Religionen diskutieren als im Klassenzimmer unter Anleitung einer in ethischen Fragen ausgebildeten Lehrkraft?"

Realität aber sei, dass es den Ethikunterricht für alle (noch) nicht gebe. "Deswegen kann es nicht angehen, dass den Anhängerinnen und Anhängern der islamischen Glaubensrichtung im Gegensatz zu den katholischen und evangelischen Christinnen und Christen ein bekenntnisorientierter Religionsunterricht vorenthalten wird." Wenn schon Bekenntnisunterricht, dann müsse es einen für jede Glaubensrichtung geben, finden der Vertreter und die Vertreterin des Bundes für Geistesfreiheit München. Der Staat müsse alle Religionen und Weltanschauungen gleichbehandeln.

Dies begründen sie mit der Bayerischen Verfassung: "In Artikel 136 Absatz 2 Bayerische Verfassung ist zu lesen: 'Der Religionsunterricht ist ordentliches Lehrfach aller Volksschulen, Berufsschulen, mittleren und höheren Lehranstalten. Er wird erteilt in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der betreffenden Religionsgemeinschaft.'" Die bayerische Staatsregierung argumentiere, dass es nicht gehe, für Musliminnen und Muslime einen bekenntnisorientierten Unterricht einzurichten – mit dem Verweis, dass ihr für die Einführung eines solchen die Ansprech- und Kooperationspartnerin, also die Religionsgemeinschaft, fehle. "Das ist einerseits nachvollziehbar, weil es nicht die islamische Religionsgemeinschaft, sondern viele Islamverbände gibt, die zudem nicht alle auf dem Boden des Grundgesetzes stehen sollen, wie einigen Medien zu entnehmen war. Andererseits ist es schlicht ein Armutszeugnis und eine Ausrede", ist der bfg München überzeugt. "Dass es geht, zeigt das Bundesland Baden-Württemberg, das inzwischen einen Islamischen Religionsunterricht eingeführt hat. Die bayerischen Landtags-Grünen haben daher in Anlehnung an Baden-Württemberg vorgeschlagen, eine Stiftung des öffentlichen Rechts mit Namen 'Islamischer Schulrat' zu gründen. So sei eine demokratische Beteiligung von Verbänden sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern an der Ausgestaltung des islamischen Religionsunterrichts garantiert, sagen die Grünen."

Stattdessen werde es in Bayern nur einen "Islamischen Unterricht" als reguläres Unterrichtsfach vergleichbar mit dem Ethikunterricht (Art. 137 Abs. 2 Bayerische Verfassung) geben, angelehnt an den "Modellversuch Islamischer Unterricht", und dieser dürfe verfassungsrechtlich nicht über einen Islamkunde-Unterricht hinausgehen. In Artikel 47 Absatz 1 des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen heiße es nun: "Schülerinnen und Schüler, die nicht am Religionsunterricht teilnehmen, sind verpflichtet am Ethikunterricht oder am Islamischen Unterricht teilzunehmen."

Dazu die Vertreter des Bundes für Geistesfreiheit München: "Das ist zunächst eine religiöse Diskriminierung der Musliminnen und Muslime und der mehr als 160.000 Kinder und Jugendlichen aus dem islamischen Kulturkreis und als solche wird sie auch empfunden. Eine Gleichstellung mit ihren christlichen, jüdischen und alevitischen Mitschülerinnen und Mitschülern findet nicht statt, obwohl selbstverständlich Kinder und Jugendliche aus dem islamischen Kulturkreis wie alle anderen einen grundgesetzlich verbrieften Anspruch auf bekenntnisorientierten Religionsunterricht haben (Art. 7 Abs. 3 GG)."

Die Landtags-Grünen bezeichneten daher den Islamischen Unterricht als "Ethikunterricht mit islamischer Ausrichtung" beziehungsweise als "Ethik mit besonderer Erwähnung des Islams." Zudem solle der Islamische Unterricht zunächst nur an ca. 350 Schulen von über 4.600 allgemeinbildenden Schulen starten. "Eine flächendeckende Einführung schaut anders aus."

Der bfg München nimmt anschließend Bezug auf eine Erklärung der islamischen Verbände vom 9. März, in der es heiße: "Die islamischen Religionsgemeinschaften waren bei der Ausgestaltung der Lehrinhalte nicht eingebunden. Mithin hat der Staat die Inhalte bestimmt, was gegen das Neutralitätsgebot verstößt, weil der Staat säkular, religiös und weltanschaulich neutral sein muss. Der 'Islamische Unterricht' verschiebt die verfassungsmäßigen Grenzen zum Nachteil der muslimischen Bürgerinnen und Bürger. Ihnen wird ein ordentlicher Religionsunterricht, so wie er für Angehörige anderer Religionen erteilt wird, vorenthalten."

Mit dem Beschluss zum "Islamischen Unterricht" sind mehrere Seiten unzufrieden: Die AfD ziehe vor den Bayerischen Verfassungsgerichtshof und spreche sich sowohl gegen einen Islamischen Unterricht als auch gegen einen bekenntnisorientierten islamischen Religionsunterricht aus. Popularklage erhoben hat außerdem der Bund für Geistesfreiheit Bayern, auch er wolle die Einführung des Islamischen Unterrichts verhindern: "Im Gegensatz zu den Landtags-Grünen sieht die Organisation im Islamischen Unterricht weniger einen Islamkunde-Unterricht, sondern vielmehr einen mit einem anderen Namen versehenen bekenntnisorientierten islamischen Religionsunterricht." Nicht auszuschließen sei, dass die Islamverbände ihrerseits klagen würden.

Der bfg München trete ein für die rechtliche Gleichstellung und faktische Gleichbehandlung aller Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften, für Selbstbestimmung, Toleranz und freie Entscheidung. Diesem Anliegen sieht die freigeistige Organisation mit der Popularklage nicht gedient, weshalb sie sich daran nicht beteiligt. "Der bekenntnisorientierte Islamunterricht in Bayern wird, siehe Baden-Württemberg, früher oder später kommen, daran wird auch eine erfolgreiche Popularklage nichts ändern, sondern den Prozess dorthin eher noch beschleunigen", ist sich der Bund für Geistesfreiheit München sicher. Die säkulare Bewegung im Freistaat solle vielmehr ihr Bemühen auf die Aufwertung des Ethikunterrichts in Bayern und auf Initiativen und Kampagnen für einen Ethikunterricht für alle lenken.

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