Im Konflikt mit Indigenen ruft Chiles Präsident den Notstand aus

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Blick auf Chiles Hauptstadt Santiago de Chile
Santiago de Chile

Im Streit um Land und Autonomie zwischen Mapuches, Regierungen und der katholischen Kirche hat es immer wieder Verletzte gegeben, haben Menschen ihr Leben verloren. Nun hat Chiles Präsident Sebastían Piñera für 15 Tage den Notstand ausgerufen. Eine neue Verfassung für Chile, mit Beteiligung einer Angehörigen der Mapuche, soll entworfen und im nächsten Jahr zur Abstimmung gebracht werden.

Am 12. Oktober 1492 soll Christoph Kolumbus die Amerikas erreicht haben. 529 Jahre später, ausgerechnet an diesem für viele Indigene so schmerzhaften Datum, verkündete Chiles Präsident Sebastían Piñera den 15-tägigen Notstand für vier Provinzen in den Regionen Araukanien und Biobío. Das bedeutet militärische Präsenz in diesen Gebieten, die von Mapuches zu ihrem Gebiet Wall Mapu gezählt wird.

Begründet hatte Piñera den Schritt damit, dass es in den vergangenen Monaten Gewalttaten bewaffneter Gruppen gegeben habe. Diese seien unter anderem verbunden mit dem Drogenhandel und der organisierten Kriminalität, richteten sich aber nicht gegen eine bestimmte Gruppe in der Bevölkerung. Für viele Menschen ein falsches Signal, welches die Konflikte zwischen der indigenen Bevölkerung und der Regierung noch weiter verschärfen könnte, statt mit Ausblick auf eine neue Verfassung die Hoffnung auf eine Annäherung zu nähren.

Während Staat und Kirche durch Mapuches besetzte Grundstücke, verwüstete Kirchen, Angriffe auf Holzunternehmen und brennende Lastwagen beklagen, weisen Indigene auf ihr Recht auf ihr Land, den Schutz der Lebensräume und die Brutalität der Polizei gegen sie hin. Erst am vorletzten Wochenende hatte es wieder eine Demonstration von etwa 1.000 Mapuches in der chilenischen Hauptstadt Santiago gegeben. Bei gewaltsamen Auseinandersetzungen verlor eine Person ihr Leben. Eine von vielen Demonstrationen in den letzten zwei Jahren.

Mapuche-Gemeinschaft wirft Präsident Rassismus vor

Auf den Ausruf des Notstands reagierten Indigene ihrerseits mit Ankündigungen. So erklärte die autonome Mapuche-Gemeinschaft des Temucuicui-Territoriums in ihrer fünf Punkte umfassenden Deklaration, dass die Ankündigung des Präsidenten Piñera eine rassistische Handlung sei. Die Wahl ausgerechnet des 12. Oktobers zur Verkündung der Maßnahmen verknüpfe die Fortführung des Genozids und die Zerstörung der Umwelt mit der in einer rassistischen Kultur begründeten "Entdeckung Amerikas". Die 15 Tage des Notstands seien angesetzt worden, um dem Militär die Möglichkeit zu geben, die Repression der Mapuche-Widerstandsbewegung zu verstärken.

Darin sehen sie ein komplettes Staatsversagen, besonders in Anbetracht einer bevorstehenden neuen Verfassung und der Ausrufung eines Mehrnationenstaates. An die gewalttätigen Übergriffe, Folter und Zerstörungen während der Diktatur in den 80er Jahren auf Mapuches erinnernd und der Zerstörung der Ländereien durch Großgrundbesitz und Großunternehmen gemahnend, kündigt die Gemeinschaft weiteren Widerstand an.

Die neue Verfassung ist ein dringend notwendiger Schritt, lange nach Ende der Diktatur im Jahr 1990 und ausgearbeitet unter anderem von einer Mapuche, Elisa Loncón, als Präsidentin der verfassungsgebenden Versammlung. Zur Abstimmung gestellt werden soll die neue Verfassung im Jahr 2022. Mit Blick auf die zahlreichen Konflikte sind wenige Monate eine lange Zeit, wenn nicht bereits jetzt auf Deeskalation gesetzt und Schritte zur gerechteren Behandlung indigener Menschen und ihrer Anliegen unternommen werden.

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