Humanistischer Campus des HVD Bayern

Menschenrechtsexpertin über christliche Missionsschulen in Kanada

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Study period at Roman Catholic Indian Residential School, [Fort] Resolution, Northwest Territories.

"Es ist eine ewige Erfahrung, dass jeder Mensch, der Macht in Händen hat, geneigt ist, sie zu missbrauchen", wusste bereits der Philosoph der Aufklärung Charles Baron de Montesquieu. Was Menschen kennzeichnet, gilt für Zusammenschlüsse von Menschen erst recht, besonders wenn sie stark hierarchische Züge aufweisen und dann noch den Einfluss des Übernatürlichen für sich beanspruchen. So verwundert es eigentlich nicht, dass der Missbrauch in kirchlichen Einrichtungen – mit stets unkontrolliertem Machtgefälle – nach und nach in aufsehenerregenden Skandalen öffentlich wird. Endlich, wie einstige Opfer zurecht empfinden!

Wer als Gläubiger oder Ungläubiger den aufquellenden Missbrauchsskandalen der christlichen Kirchen mit genervtem Augenrollen begegnet – "irgendwann müsse doch auch mal Schluss sein mit diesem atheistisch motivierten Kirchenkampf" – dem sei entgegnet: Nein. Wer Machtgefälle ohne Kontrolle zulässt und dabei auf himmlische Kräfte setzt, die den Montesquieu'schen Missbrauch schon irgendwie zügeln werden, befindet sich auf einem äußerst morschen Holzweg. Die Kritik an diesen Zuständen ist die verdammte Pflicht des humanistisch gesinnten Menschen.

Beispielbild
Monika Seiller. © privat

Der HVD Bayern hat sich entschieden, nun einen Schritt weiter zu gehen und einen Blick über den "großen Teich" zu werfen – auf den nordamerikanischen Kontinent. Im Rahmen des Humanistischen Campus, einer regelmäßigen Online-Veranstaltung des HVD Bayern, ist am morgigen Donnerstag, 21. September die Menschenrechtsaktivistin Monika Seiller zu Gast. Seiller studierte Politologie (M.A.), Anglistik, Amerikanistik, Germanistik, Soziologie und Philosophie. 1986 gründete sie den Verein Aktionsgruppe Indianer & Menschenrechte, dessen Vorsitzende sie ist. Seit 1989 ist sie ehrenamtliche Redakteurin und Herausgeberin des Magazins Coyote über die indigene Gegenwart in Nordamerika. Sie hat verschiedene Publikationen von Indigenen übersetzt und herausgegeben, nimmt regelmäßig an den Sitzungen bei den Vereinten Nationen in New York und Genf teil und hält Vorträge über Menschenrechte und Indigene.

Im Humanistischen Campus wird Monika Seiller aus erster Hand von Opfern berichten, die sie persönlich kennt. Ihr Augenmerk liegt dabei auf den so genannten "Residential Schools" in Kanada. Die erste dieser Institutionen eröffnete 1831, die letzte schloss 1997. Zeitzeugen berichten: Die "Residential Schools" waren keine Schulen, sondern Gefängnisse. Ihr Ziel war nicht die Ausbildung von Akademikern, sondern die Formung nützlicher und "niederer" Arbeitskräfte für die unterste Ebene der kanadischen Gesellschaft. Das erklärte Ziel dieser Einrichtungen – unter Leitung und mit missionarischem Eifer der christlichen Kirchen – war die völlige Assimilation der indigenen Völker. "Kulturellen Völkermord" nannte es die Truth and Reconciliation Commission in ihrem Abschlussbericht 2015. Doch es sollte noch lange dauern, bis die Öffentlichkeit bereit war, das Menschenrechtsverbrechen inmitten der kanadischen Gesellschaft wahrzunehmen. Erst die Funde von Hunderten von anonymen Gräbern an den früheren "Residential Schools" im Jahr 2021 schreckten die Weltöffentlichkeit auf.

In Seillers Vortrag geht es nicht um Aufgeregtheit und Hysterie hinsichtlich des Begriffs "Indianer", betont die Menschenrechtsexpertin auf Nachfrage. Der Shitstorm, der im Frühjahr 2021 eine Grünen-Politikerin ereilte, die das Wort Indianer benutzte und später Robert Habeck für die Verwendung des "Indianerehrenworts" traf, ist nach Seillers Einschätzung "Ausdruck einer fehlgeleiteten political correctness, die nicht mehr in der Lage ist, Zusammenhänge zu erkennen oder auch nur zu denken. Indianer war nie ein Schimpfwort, sondern nur eine fälschlich entstandene Bezeichnung für die Ureinwohner des nordamerikanischen Kontinents – eben ein völlig willkürlicher Überbegriff."

Seit fast vier Jahrzehnten widmet sich Monika Seiller nun schon der Unterstützung des Selbstbestimmungsrechts der indigenen Völker Nordamerikas. "Kill the Indian in the Child!" war die Ideologie hinter den "Residential Schools". Was Seiller darüber zu berichten weiß, kann in einem Interview nachgelesen werden, das der Philosoph Andreas Edmüller, Beirat des HVD Bayern, für das Portal awq.de mit ihr geführt hat. Wer nun noch mehr erfahren möchte, ist eingeladen, an der kostenlosen Online-Veranstaltung des HVD Bayern teilzunehmen:

Donnerstag, 21. September 2023, ab 20:15 Uhr.

Weitere Informationen: hier.
Zugangslink: hier.

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Der Humanistische Campus ist ein Online-Veranstaltungsformat des HVD Bayern. Im Fokus steht der praktische Humanismus in seiner säkularen Ausprägung. Die Veranstaltungen des Humanistischen Campus finden im virtuellen Raum statt. Alle, die an einer konstruktiven Auseinandersetzung mit praktischem säkularem Humanismus und seiner Weiterentwicklung in Bayern und darüber hinaus interessiert sind, sind herzlich eingeladen mitzudiskutieren. Kooperationspartner ist das Institut für populärwissenschaftlichen Diskurs Kortizes.