Ende Mai dieses Jahres wurden durch Untersuchungen von Tk'emlúps te Secwépemc die ersten unmarkierten Kindergräber auf dem Gelände eines Internats für Indigene in Kanada gefunden. Es folgten weitere Bodenradaruntersuchungen anderer ehemaliger Schulgelände. Mittlerweile wurden über 1.000 Gräber entdeckt. Angehörige der Toten und Überlebende dieser Schulen erwarten Aufklärung und eine Bitte um Verzeihung vom Papst. Bisher weigerte sich dieser jedoch, um Entschuldigung zu bitten.
Vom Ende des 19. Jahrhunderts bis in die siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts wurden etwa 150.000 Kinder indigener Familien zwangsweise in Internate gebracht, in denen sie, meist unter Leitung der katholischen Kirche, ihrer Sprache und Kultur beraubt wurden. So durften sie nur mehr Englisch sprechen und mussten Religion und Gebräuche der aus Europa Eingewanderten übernehmen.
In den Internaten herrschten Gewalt und unter anderem mangelnde Versorgung mit Nahrung und medizinischer Betreuung. Unter den First Nations kein Geheimnis, sodass manche Eltern lieber ihr Kind zur Adoption freigaben, als es in solch einer Schule zu sehen. Berichte Überlebender zeigen nicht nur die Grausamkeiten und den Mangel auf, sondern ließen auch die Suche nach den Gräbern beginnen.
Nach dem Fund von 215 unmarkierten Gräbern auf dem Boden der Kamloops Indian Residential School in British Columbia im Mai folgte die Entdeckung 751 weiterer auf dem Grund der Marieval Indian Residential School in Saskatchewan (der hpd berichtete). Kanadas Premierminister Justin Trudeau hatte sich bereits 2008 entschuldigt und in den letzten Monaten weitere Aufarbeitung versprochen. Er erklärte im Juli dieses Jahres, dass diese Schulen nur ein Teil eines größeren kolonialen Systems gewesen seien.
Da die Schulen kaum Unterlagen darüber führten, welche Kinder oder Jugendliche an welchen Krankheiten, Gewalttaten, Unfällen oder Suizid starben und die Körper nicht an die Familien zurücksandten, sondern stattdessen in unmarkierten Gruben verscharrten, ist die Aufarbeitung schwierig. Obwohl die Kirche mittlerweile erklärt hat, alle Unterlagen auszuhändigen, dürften Identifizierung und Aufklärung der Geschichte jeder einzelnen Person schwer werden. Bei der Suche nach weiteren Gräbern helfen aktuell die Aussagen Überlebender, die teilweise als Kinder Gruben für die Gräber anderer Kinder ausheben mussten.
Mit dem Fund von 160 weiteren nicht markierten Gräbern an der früheren Kuper Island Residential School in British Columbia wurden bereits über 1.000 Tote dokumentiert. Für Bob Chamberlin, ehemaliger Vizepräsident der Union of British Columbia Indian Chiefs, nur die Spitze des Eisbergs. Bei 130 Schulen dieser Art erwartet man, noch weitere Gräber zu finden. Dazu erklärt Joan Brown, Chief der Penelakut, dass sich der Stamm dem Trauma dieser Akte des Völkermords stellen müsse. Für den 2. August rufen die Penelakut zu einem Gedächtnisspaziergang für die Toten auf.
Obwohl über Jahre von Angehörigen der toten Kinder und Überlebenden der Schulen gefordert, hat Papst Franziskus bisher nicht um Verzeihung gebeten. Zwar sprach er seine Trauer aus, bat aber nicht um Entschuldigung. Betroffene, die bereits seit langem an das Oberhaupt der katholischen Kirche schreiben, sowie Premierminister Trudeau zeigen sich enttäuscht und empört.
Für den 17. bis 20. Dezember wurde ein Treffen des Papstes mit Vertreter*innen auch der First Nations angekündigt. Franziskus soll dabei auch über die Kolonisierung und die Rolle der Kirche im Internatssystem sprechen, seine Nähe aufzeigen und somit einen Weg in eine gemeinsame, harmonische und friedliche Zukunft für Indigene und die katholische Kirche ebnen. Von einer Entschuldigung bisher kein Wort.
Selbst die Sammlung von Geldern für eine Entschädigung Betroffener scheint schwierig zu sein. Nachdem sich drei protestantische Gemeinschaften, die Internate geführt hatten, im Jahr 2005 entschuldigt und Millionen Dollar zur Beilegung einer Sammelklage überlebender Schüler*innen gezahlt hatten, lässt die finanzielle Entschädigung der katholischen Kirche auf sich warten. Von den 25 Millionen Kanadischen Dollar (knapp 17 Millionen Euro), die sie hatte zahlen sollen, sind erst erst 3,2 Millionen (etwa 2,2 Millionen Euro) geflossen.