Am vergangenen Mittwoch hat der kanadische Bundesgerichtshof entschieden, dass als Kinder in Internaten misshandelte Indigene beziehungsweise deren Familien finanziell zu entschädigen sind. Die Regierung des Landes hatte sich, nicht erst nach Entdeckung hunderter Kindergräber auf ehemaligen Schulgeländen, für die Leiden entschuldigt und ihre Verantwortung eingeräumt, eine finanzielle Entschädigung jedoch ausgeschlossen. Vorgesehen ist vom Gericht die maximal mögliche Zahlung von 40.000 kanadischen Dollar pro Person.
Zu Beginn dieses Jahres waren hunderte unmarkierte Gräber auf einem ehemaligen Internatsgelände gefunden worden. Bei den begrabenen Kindern und Jugendlichen handelte es sich um Indigene, die ihren Familien weggenommen und zur Entfremdung von ihren Sprachen und Kulturen sowie zur Anpassung an die aus Europa Eingewanderten in dieses Internat verbracht worden waren. In den folgenden Wochen und Monaten wurden weitere Schulgelände untersucht und viele weitere Gräber gefunden. Der Einsatz Indigener für ein Bekanntwerden der Verbrechen an den Kindern, die Aufarbeitung durch die katholische Kirche, welche meist die Schulen leitete, und Entschädigung durch den Staat erhielt weltweite Aufmerksamkeit.
Nach langen Jahren juristischer Auseinandersetzungen war es am 29. September endlich so weit: Der Bundesgerichtshof wies eine Berufung des kanadischen Staates zurück und entschied, dass Indigene, die als Kinder zwangsweise in Internate verbracht wurden, mit 40.000 kanadischen Dollar (etwa 27.240 Euro), der höchsten nach kanadischem Menschenrechtsgesetz (Canadian Human Rights Act) möglichen Summe, zu entschädigen sind. Auch die Eltern und Großeltern der Kinder und Jugendlichen könnten Entschädigungen erhalten.
Damit bekräftigte der Bundesgerichtshof eine Entscheidung des Kanadischen Menschenrechtstribunals (Canadian Human Rights Tribunal) von 2016. Das Tribunal hatte bereits damals eine Diskriminierung von First Nation-Kindern im Vergleich zu anderen festgestellt. So waren die Kinder- und Jugendfürsorge für Indigene weit unterfinanziert. Im Urteil des Bundesgerichtshofes wird der Werdegang der gerichtlichen Entscheidung von 2009 an beschrieben und die Beteiligten, unter ihnen die Caring Society, die Gesellschaft für Kinder und Familie der First Nations, AFN, die Versammlung der First Nations sowie weitere Vereinigungen der Indigenen und Amnesty International genannt. Zudem wird die Entscheidungsfindung beschrieben.
Auf die kanadische Regierung könnten nun Entschädigungen in Höhe mehrerer Milliarden kanadischer Dollar zukommen. Bisher war der Standpunkt der Regierung, dass eine finanzielle Entschädigung nicht notwendig sei. Justin Trudeaus Regierung will das Urteil nun prüfen.
Neben der Regierung scheint auch die katholische Kirche, die die meisten der Internate führte und deren Angestellte an Misshandlungen, Missbrauch und frühem Tod von hunderten Kindern und Jugendlichen schuld waren, in Bewegung zu kommen. Nachdem Untersuchungen zunächst blockiert und eine Entschuldigung des Papstes ausgeschlossen wurde sowie Unterlagen zur Identifizierung der Toten nur zögerlich herausgegeben wurden, soll sich nun auch die katholische Kirche an finanziellen Entschädigungen beteiligen. Die Kanadische Bischofskonferenz will mit umgerechnet etwa 20 Millionen Euro Projekte fördern, welche das Leben Betroffener verbessern sollen.