Zuerst kam der Schnulzensänger, dann der Koch. Jetzt stülpen sich sogar waschechte Bischöfe den Aluhut über die Mitra und schwadronieren in einem "Aufruf" von der drohenden Weltregierung und der Covid-19-Verschwörung.
Mittendrin: der konservative deutsche Kurienkardinal Gerhard Ludwig Müller, der auch mit ergebnisoffenen Schwangerenkonfliktberatungen und einem religionskritischen Kinderbuch so seine Probleme hatte. Doch der Schrieb stößt selbst innerhalb der katholischen Kirche auf erbitterte Kritik. Die Deutsche Bischofskonferenz spricht auf ihrem Kanal katholisch.de von einem "Konglomerat an Verschwörungsmythen und Pseudowissenschaft".
Der Aufruf, am 7. Mai veröffentlicht und nachzulesen auf dem katholisch-konservativen Newsportal kath.net, fährt das ganze Arsenal der Corona-Verschwörungsmythen auf und kuschelt dabei ungeniert mit Rechtspopulisten und Impfgegnern. Die Autoren halten die Maßnahmen zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie für "Alarmismus", der "in keinster Weise (sic!) gerechtfertigt zu sein scheint". Das Ganze sei lediglich ein Vorwand, um Grundrechte einzuschränken, "einschließlich des Rechts auf Religionsfreiheit, freie Meinungsäußerung und Freizügigkeit". Dabei berufen sie sich auf "viele maßgebliche Stimmen in Wissenschaft und Medizin". Doch diese bleiben – wen überrascht's? – ungenannt.
Überdeutlich dagegen liest sich, was die Autoren für den wirklichen Zweck der Einschränkungen halten. Die grassierende Infektionswelle einzudämmen, um eine Katastrophe in den Krankenhäusern zu verhindern? Quatsch! Die Strippenzieher planen nichts Geringeres als die "Schaffung einer Weltregierung, die sich jeder Kontrolle entzieht".
Initiator des Aufrufs ist der frühere päpstliche Botschafter in den USA, Erzbischof Carlo Maria Viganò, wie Müller ein Gegner von Papst Franziskus. In der Corona-Krise hatte Viganò zuletzt für Schlagzeilen gesorgt, als er eine Wiedereröffnung der Anfang März geschlossenen Bäder forderte. Auch die übrigen im Text namentlich genannten Unterzeichner, Hongkongs Kardinal Joseph Zen Ze-kiun und der texanische Bischof Joseph Strickland sind als Konservative bekannt.
Immerhin einer der ursprünglich in der Unterstützerliste genannten Amtsträger, Kardinal Robert Sarah, hat sich inzwischen via Twitter öffentlich von dem Schrieb distanziert.
14 Kommentare
Kommentare
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Wer den unglaublichen Artikel in dem Newsportal kath.net, gelesen hat und besonders den letzten Abschnitt darin, der weiss jetzt genau wie die Kirche tickt.
Ob das den Corona-Virus in irgend einer Weise beeindruckt, wage ich zu bezweifeln.
Welche Gesinnung die Kirche entwickelt, hat man schon 1933 erfahren und mit diesem
Artikel sieht man deutlich, dass diese Gesinnung auch heute noch vorhanden ist.
Wehret den Anfängen!! es soll wieder Zwietracht gesät werden zwischen den Menschen, zum Wohle der Kirchen.
Horst Groschopp am Permanenter Link
Aber man muss doch hier die Wandlung sehen: der Teufel ist eliminiert, es geht um eine innerweltliche Schreckensszenerie.
Hans Trutnau am Permanenter Link
Wenn diese "Hirten der katholischen Kirche" könnten wie sie wollten, würden sie ihre Weltherrschaft (wieder?) errichten.
Martin Franck am Permanenter Link
Jetzt kommt sie also, die zweite Welle. Aber nicht eine virologische Welle, sondern eine psychologische. Es hat zwei Monate gedauert.
Ähnlich wie 2008 bei der Finanzkrise, als die Bundeskanzlerin die Spareinlagen garantierte, trat Frau Merkel auch diesmal an die Bevölkerung.
Nietzsche hat wohl recht, daß man sich nach einem Übermenschen sehnt, dem man einfach so folgen kann. Die Zustimmungswerte stiegen.
Dann kamen zwei Faktoren hinzu: Der virologische Erfolg hatte hohe ökonomische Kosten. Andere Länder, wie Schweden gingen einen anderen Weg. Man mußte einen Mittelweg finden, so daß nicht https://en.wiktionary.org/wiki/the_cure_is_worse_than_the_disease die Therapie schlimmer als die Erkrankung ist.
Dies vor dem Hintergrund, daß uns die Bilder von Bergamo erspart blieben, und Christian Drosten sagte: „There is no glory in prevention.“ Wenn nichts passiert, erntet man kein Lob: Das Präventionsparadox.
Hatte man vor zwei Monaten noch recht wenig gewusst, so stieg nun die Menge an Wissen. Vieles kam auf Preprint-Servern schnell an die Öffentlichkeit. Man musste nun zwischen den guten und den schlechten Studien wählen. Manche Aussagen von früher musste man im Verlauf wieder zurücknehmen.
So nahm der Stress gar nicht unbedingt ab. Manche hatten Existenzängste, weil ihre berufliche Grundlage wegbrach. Andere bekamen einen Lagerkoller, weil man plötzlich mit Frau und Kind zusammen sein mußte. Man mußte plötzlich ganz entwürdigend eine Maske tragen wie Asiaten.
Es setzte eine gewisse Disaster Fatigue ein. Schon bevor Lockerungen beschlossen wurde, setzte in Umkehrung zum Beginn, auch diesmal eine Verhaltensänderung ein. Man hielt sich nicht mehr an die Einschränkungen.
Dieser ständige Stress führte nun dazu, daß ein zweiter Faktor hinzukam: Man versuchte, dem Stress auszuweichen. Laut https://de.wikipedia.org/wiki/Salutogenese Salutogenese benötigen wir drei Faktoren, um gesund zu bleiben:
Die Fähigkeit, die Zusammenhänge des Lebens zu verstehen – das Gefühl der Verstehbarkeit. Dinge sind vorhersehbar und erklärbar.
Die Überzeugung, das eigene Leben gestalten zu können – das Gefühl der Handhabbarkeit oder Bewältigbarkeit (ähnlich dem Begriff der ‚Selbstwirksamkeitserwartung‘).
Der Glaube und das Gefühl der Sinnhaftigkeit, daß diese Anforderungen Herausforderungen sind, bei denen sich Anstrengung und Engagement lohnen.
Bei vielen wurde durch die Fülle an Informationen die Verstehbarkeit im Verlauf nicht besser, sondern schlechter. Die Einschränkungen führten dazu, daß man gar nicht so viel machen konnte. Ja man hatte noch nicht einmal mehr Klopapier. Da ein Impfstoff, wenn es überhaupt einen geben wird, noch in weiter Ferne liegt, sagte Mai Thi Nguyen-Kim in https://www.youtube.com/watch?v=3z0gnXgK8Do Corona geht gerade erst los. Da verlieren einige den Glauben daran, daß sich etwas lohnt.
Nun geht also etwas schief: https://www.youtube.com/watch?v=BUNRFc-0DxM
Wie reagierte man früher auf Bedrohungen? Es gab die Religion. Man scherte sich hinter jemanden, der einen führt, und einem alles erklärt. Mittels von Ritualen konnte man das Gefühl von Handlungsfähigkeit erreichen. Auch wurde einem erklärt, daß alles irgendwie schon seinen Sinn habe.
Das Problem ist, daß viele konfessionsfrei wurden, und nun andere Kompensationsmechanismen benötigten. Man brauchte Ersatzreligionen und Religionsersatz. Für den https://en.wikipedia.org/wiki/Spiritual_but_not_religious spirutual bur not religious "Spiritual but not religious" (SBNR), gibt es zum Beispiel Verschwörungstheorien.
Kirchen behaupteten ja immer, daß sie Leute von VTs und Aberglauben abhalten, und dazu dienen, diese Gedanken zu kanalisieren.
Jetzt sehen wir aber mit https://veritasliberabitvos.info/aufruf/ , daß man auch Kirche und Verschwörungstheorien verbinden kann.
Manche sagen, daß diese Pandemie, Dinge wie unter einem Vergrößerungsglas verstärkt. Wir müssen leider erkennen, daß die säkulare Alternative für viele Leute eine zu hohe Hürde ist. Aber auch der Vulgär- und Kultatheismus ist genauso eine Flucht vor dem eigenen Denken. Mit Ambiguität und Unsicherheit können viele nicht umgehen. Bei Flüchtlingen will man wissen, ob man zu Hell- oder Dunkeldeutschland gehört. Beim Klima will man, daß die Wissenschaft politische Entscheidungen trifft, und bei Corona will man sich zum Team Disziplin oder Team Risiko zählen.
Trotzdem die Zahl der akademischen Abschlüsse steigt, steigt nicht die Bildung. Viel zu wenige können wissenschaftlich denken.
Wer sich daran berauscht hat, daß die Anzahl der Konfessionsfreien bald die Hälfte der Bevölkerung erreicht, der wähnt sich in falscher Sicherheit. Xavier Naidoo hat in einem recht: Dieser Weg wird kein leichter sein, dieser Weg wird steinig und schwer.
Einige verwechseln, daß es nicht um einen Kampf gegen Religion geht, sondern um Bildung. Corona zeigt uns nun, wie weit wir noch davon entfernt sind, und daß Stillstand Rückschritt bedeutet, wir uns also niemals zurücklehnen können. Dennoch lohnen sich Anstrengung und Engagement.
Hans Trutnau am Permanenter Link
Bissl lang und spätestens ab dem 2. Absatz (Muttis 'Garantie') auch bissl zu systemkonform.
Martin Franck am Permanenter Link
Natürlich kann man das bisherige Vorgehen kritisieren. Es ist immer die Abwägung, wie stark ist die Auswirkung auf die Ökonomie, und wie stark ist der Effekt der Pandemie.
Jemand mit einem festen Job sieht das Gleichgewicht natürlich woanders, als jemand der um seine Existenz fürchtet.
Gefährlich sind ja die Superspreader. In Mulhouse war es eine kirchliche Veranstaltung, ebenso wie schon in Süd-Korea, in Ischgl war es Après-Ski, in Berlin der Club Trompete und Kater Blau.
Früher dachte man, es sind die großen Tröpfchen, die nicht viel weiter als six feet oder zwei Meter weit transportiert werden. Jetzt weiß man, daß es zu einem großen Teil auch die Aerosole sind.
Im Gegensatz zum ersten SARS ist man auch symptomfrei ansteckend, so daß Temperaturmessungen nicht viel bringen.
Ich sehe nicht, wie ein Club oder ähnliches in nächster Zeit funktionieren kann. Wenn es nicht eine Impfung geben wird, wird sich einiges auch langfristig ändern.
Einige wie Jeff Bezos profitieren, andere haben Rückschläge, und einige werden die Krise finanziell nicht überleben.
Das prallen also unterschiedliche Interessen aufeinander. Politiker und auch viele der Experten, haben eine andere Sicht, als vielleicht ein Selbstständiger, der vor der Pleite steht.
Hinzu kommt noch, daß ja derjenige der bereit ist, für sich selbst ein höheres Risiko auf sich zu nehmen, damit auch ein höheres Risiko für andere kreiert. Jede politische Entscheidung ist die Wahl zwischen Skylla und Charybdis.
Jedoch kommen die jetzigen VT nicht alleine durch unterschiedliche Interessen, die ausdiskutiert werden sollten, sondern Leute drehen einfach durch, weil sie nicht mit Unsicherheit umgehen können.
Wenn die RKK in dieser Scheine fährt, führt sie nur fort, was die Kirche schon immer machte: Reduktion der Unsicherheit.
Da aber auch viele VTs außerhalb religiöser Kreise zirkulieren, haben die Säkularen es nicht geschafft, den Bedarf zu decken.
Klaus am Permanenter Link
Kann Ihren beiden Kommentaren weitgehend zustimmen.
Thomas R. am Permanenter Link
So ist das eben: wer einen Blödsinn glaubt, der glaubt immer auch noch irgendwelchen anderen Blödsinn.
Edgar Schwer am Permanenter Link
Die Empfehlungen dieser schizophrenen katholischen Hardliner sind mehr als spaltend, sie sind potentiell lebensgefährdend.
Peter Müller am Permanenter Link
Wenn ein Bischof von einem unsichtbaren, übernatürlichen Wesen spricht, das in den Wolken leben soll, ist das alles vernünftig und die Hälfte der Bevölkerung glaubt das auch.
awmrkl am Permanenter Link
Der hier angegebene pseudonyme Link zu kath.net
https://donotlink.it/Pg5OP
funktioniert nicht. Fehler 404 Page Not Found.
Ultima Ratio am Permanenter Link
Danke für die Umsetzung des Artikels.
Martin Franck am Permanenter Link
Wie unter https://www.domradio.de/themen/papst-franziskus/2020-05-13/teil-einer-strategie-mit-verschwoerungstheorien-gegen-den-papst steht :
Der Ton dieses Aufrufs ist sehr aggressiv und er erinnert an die Alternative Rechte in den USA. Und er hat viele Unterstützer. Es gibt einen Teil in der kirchlichen Hierarchie, die den Kulturkampf will. Denn das ist der springende Punkt in diesem Manifest, wo man von "technokratischer Tyrannei" spricht und sagt, dass die Rechte eingeschränkt werden und man das Recht auf Gottesdienste und Verkündigung verteidigen muss. Sie nehmen die Corona-Pandemie zum Anlass, wieder einen Kulturkampf zu entfachen: Die aus ihrer Sicht richtige Kirche ist gegen die moderne Welt. Das ist nur die Spitze eines Eisbergs. Es gibt schon seit Jahren eine Opposition. Hinter ihnen versammelt sich ein nicht unerheblicher Teil des Klerus und der Laien, die gegen jegliche Reformen in der Kirche sind. Dieser harte Kern geht gegen die moderne Welt aggressiv vor. Wir haben innerhalb der katholischen Kirche eine sehr starke reaktionäre Strömung. Es ist keine Minderheit, ich würde schätzen, 30 Prozent des Klerus, der engagierten Laien und Bischöfe der Weltkirche sind auf dieser Linie. Sie folgen einer sehr starken konservativen, traditionalistischen Linie.
Selbst wenn sich der Kardinal in https://www.zeit.de/2020/21/gerhard-ludwig-mueller-corona-massnahmen-italien etwas davon distanziert, so ist die Agenda dahinter, sich an die Strenggläubigen zu wenden. Die lauen Christen sterben aus, oder treten aus. Die Kirchen radikalisieren sich immer mehr.
Der Tausch von Pileolus gegen den Aluhut ist insofern nur folgerichtig.
Wer also irgendwie glaubt die Kirche könnte von innen heraus reformiert werden, und sich an die Moderne anpassen, der irrt. Die RKK ist strukturell unreformierbar. Denn die Kirchen können mit ihrer Seelsorge nur eine schlechte Lösung (einen schlechten Ersatz (Surrogat)) anbieten, statt einer echten Problemlösung. Deshalb bleibt ihr nichts anderes übrig, als sich von der Moderne möglichst fern zu halten.
Wolfgang am Permanenter Link
Wenn ich den "Kardinal" Müller sehe, sehe ich nur rot! Diese Scheinheiligkeit ist unerträglich, ja man erlebt sie täglich, Müller macht es möglich!