Ihre Gehirnhälften laufen in letzter Zeit nicht mehr ganz synchron, der Zellstoffwechsel schwächelt und der Körper hat sich auch schon mal harmonischer angefühlt? Hier kommt Abhilfe. Mozartfreunde erkennen das Stück sofort: es ist die Jupitersinfonie. Dass die Töne ein wenig tiefer klingen als gewohnt, hat einen Grund: Bei dieser Aufnahme beträgt der Kammerton a, ein bedeutender Bezugspunkt in der Musik, 432 Hertz statt der üblichen 440 Hertz. Glaubt man einer Heilpraktikerschule, ist 432 Hertz die "Frequenz für eine harmonische Welt".
Einige Musikinteressierte, meist aus dem anthroposophischen Umfeld, glauben, dass klassische Musik früher so gespielt worden sei. Erst die Nationalsozialisten hätten dem harmonischen Einklang ein Ende bereitet und die "aggressive" Frequenz von 440 Herzt eingeführt. Als Prof. Dr. Jürgen Windeler von dieser Story erfuhr, staunte er nicht schlecht. Der Mediziner und Musikinteressierte wollte es genauer wissen und begann gemeinsam mit Detlef Hilder, einem ausgebildeten Musiker, eine umfangreiche Recherche. In der aktuellen Ausgabe des "Skeptiker – Zeitschrift für Wissenschaft und kritisches Denken" sind die Ergebnisse nachzulesen.
Die Autoren fördern numerologischem Zahlenzauber zutage, rücken Falschbehauptungen zurecht und vermitteln gleichsam nebenbei einen spannenden Einblick in die Musikgeschichte. So zeigen sie, dass die alten Komponisten in Wahrheit auf ganz verschiedene Frequenzen des Kammertons a komponierten. Erst 1953 einigte sich die Internationale Stimmton-Konferenz auf 440 Hertz, die ersten Beratungen gehen bis ins Jahr 1885 zurück.
Und wie sieht es mit empirischen Tests zur emotionalen Wirkung der Musik aus? Windeler und Hilder entdeckten tatsächlich einige Studien, in denen man Probanden Musikstücke in 440- und 432-Hertz-Stimmung vorgespielt hatte. Mal wurde der 432-Mythos bestätigt – im Experiment trug ein Sänger das Stück vor und unterstrich die gewünschte Wirkung jeweils durch Gesichtsausdruck und unbewusstes Verhalten … Dagegen entschieden sich in einer methodisch guten Studie zum ästhetische Erleben von Musik jeweils die Hälfe der Zuhörenden für die 432- und die 440-Hertz-Version eines Musikstücks. Nicht viel mehr geben die medizinischen Datenbanken her, so die Autoren. Die wenigen Studien sind methodisch fragwürdig.
Mit der Hightech-Variante eines Klassikers beschäftigt sich der zweite ausführliche Beitrag im Heft, verfasst von Wolfgang Hell, Professor für Psychologie und Mitglied im GWUP-Wissenschaftsrat. Warum sich beim Gläserrücken oder Ouija-Brett das Glas – oder, in anderen Varianten, die Planchette – so bewegt, dass die dabei berührten Zahlen und Buchstaben sinnvolle Texte ergeben, war schon bekannt, als in den 80ern die "Bravo"-Fotostorys über Jugendokkultismus die Runde machten. Einige Menschen wollen darin Botschaften aus dem Jenseits oder einer anderen Welt erkennen. Doch es sind winzige, unwillkürliche Körperbewegungen, geleitet von der Vorstellungskraft der Teilnehmenden, deren Finger auf dem Glas oder der Planchette ruhen. Fachleute sprechen von ideomotorischen Bewegungen, auch als Carpenter-Effekt bekannt. Nun aber will Eckhard Kruse Effekte entdeckt haben, die sich der herkömmlichen Erklärung entziehen, und einige Daten dazu hat er veröffentlicht. Der Professor für Angewandte Informatik hat eine Apparatur konstruiert, die per Kamera die Bewegungen der Planchette aufzeichnet, während er mit seiner Frau "Ouija-Plauderei mit der geistigen Welt" betreibt. Das Gerät zeichnet zielgerichtete Bewegungen und schnelle Buchstabierfolgen auf – zu schnell für einen unbewussten Verhandlungsprozess zwischen den Teilnehmern, glaubt Kruse. Zu einem anderen Schluss kommt Skeptiker-Autor Wolfgang Hell in seiner kritischen Bewertung. Zwar liefere der Apparat eine regelrechte Flut von neuen Daten. Doch diese böten keinen Anlass für eine wissenschaftliche Neubewertung des Phänomens, zumal nur ein Bruchteil der Daten überhaupt veröffentlicht sei. Und das flotte Buchstabieren sei nichts Ungewöhnliches – sofern die Teilnehmer besonders vertraut miteinander sind und das Ouija-Brett öfter benutzen, wie es bei Kruse und seiner Frau der Fall ist.
Mit dem prägenden Thema dieser Monate, der Corona-Pandemie, setzt sich die Ausgabe aus verschiedenen Blickwinkeln auseinander. So etwa in einem Interview, das Skeptiker-Chefreporter Bernd Harder mit den Autorinnen des Buches "Fake Facts", der Sozialpsychologin Pia Lamberty und der Netzaktivistin Katharina Nocun, geführt hat.
Außerdem betrachtet der Psychologe Prof. Peter Wiedemann, wie Wissenschaft, Politik und Medien durch ihre Kommunikation die Wahrnehmung von Risiko und Bedrohung beeinflussen. Ob beispielsweise "98 Prozent der Erkrankten überleben" oder "2 Prozent der Erkrankten sterben" macht aus emotionaler Sicht einen Riesenunterschied. Zweimal der gleiche (fiktive) Sachverhalt, dennoch klingt der zweite Satz bedrohlicher. Auf Basis seiner Analyse fordert Wiedemann die Veröffentlichung von transparenten Kennzahlen, wie sie etwa in den Corona-Grafiken der GWUP geschieht. Vor allem sei jedoch eine abwägende Risikokommunikation notwendig, die den diffusen Ängsten mit differenzierten Informationen begegnet und auf diese Weise Orientierung schafft.
Die neuartige Bedrohung schafft mit ihren unabsehbaren Folgen ein ideales Klima für Verschwörungserzählungen und Fake News. So halten manche das Coronavirus fälschlich für eine Biowaffe, andere glauben, die Krise sei nur inszeniert, um Zwangsimpfungen durchzusetzen. Nichts Geringeres als eine "Verschwörungsmythen-Seuche" diagnostiziert Physiker und Buchautor Dr. Holm Hümmler im ersten Teil seines Beitrags. Teil 2 erscheint im September in Ausgabe 3/2020. Man darf gespannt sein.
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1 Kommentar
Kommentare
Hans Trutnau am Permanenter Link
Also, der halbe Ton unter 440 Hz geht mir quer - schon Jahrzehnte vor Corona; isso.