Einem deutsch-iranischen Regimekritiker droht im Iran die Todesstrafe. Ein Revolutionsgericht in Teheran wirft dem 67-jährigen Jamshid Sharmahd "Verdorbenheit auf Erden" sowie die Beteiligung an einem Bombenanschlag vor. Während die Menschenrechtsorganisation Amnesty International (AI) befürchtet, dass ein Todesurteil jederzeit erfolgen kann, wirft Mina Ahadi vom Zentralrat der Ex-Muslime Deutschland Untätigkeit vor. Dessen Verhalten in dem Fall sei beispielhaft für die unkritische Hinnahme von Menschenrechtsverletzungen im Iran durch deutsche Politiker und Behörden.
2020 wurde Sharmahd aus Dubai entführt, seither befindet er sich an einem unbekannten Ort in Iran in Isolationshaft. Unter anderem soll er sich an einem Attentat beteiligt haben, bei dem mehrere Menschen starben. Wie seine Tochter Gazelle berichtet, verweigern die Behörden ihm den Kontakt zur Familie, lediglich zwei kurze Telefonate habe es seit der Verhaftung gegeben. Fotos vom Prozess zeigten ihren Vater in abgemagertem, geschwächtem und verängstigtem Zustand, sagt Gazelle Sharmahd. Er habe alle Zähne verloren, außerdem fehlten ihm als Parkinson-Patient die erforderlichen Medikamente. Am Telefon habe er von Folter und anderen Misshandlungen berichtet.
Nach Angaben von AI durfte der Angeklagte weder seinen Anwalt frei wählen noch sich selbst vor Gericht verteidigen. Zwar bekannte sich Sharmahd vor iranischen Fernsehkameras zu der Tat, doch Amnesty International geht davon aus, dass es sich um ein erzwungenes Geständnis handelt. Im Prozess habe er die Vorwürfe wiederholt abgestritten. Scharfe Kritik äußert die Menschenrechtsorganisation auch am Vorwurf der "Verdorbenheit auf Erden". Dieser sei nicht klar definiert und widerspreche damit dem Legalitätsprinzip.
Jamshid Sharmahd kam 1962 als Kind nach Deutschland und ist seit 1995 sowohl deutscher wie auch iranischer Staatsbürger. Deshalb stünde ihm eine Betreuung durch das deutsche Konsulat zu. Doch die iranischen Behörden erkennen die doppelte Staatsbürgerschaft nicht an und blockieren den Kontakt zu deutschen Diplomaten. Im Auswärtigen Amt hieß es, man habe sich "mehrmals hochrangig" für den Inhaftierten eingesetzt und werde diese Bemühungen auch weiterhin fortsetzen.
Der Regimekritiker lebte ab 2006 in den Vereinigten Staaten, wo er für die Organisation Tondar tätig war. Als Mitglied der Gruppe soll er laut Anklage 2008 am Anschlag auf eine Moschee in der Stadt Shiraz beteiligt gewesen sein. Im Prozess Anfang August kamen weitere Vorwürfe hinzu, darunter die Planung neuer Anschläge und die Kooperation mit Israel. All dies sei "frei erfunden", so Gazelle Sharmahd. Sie appelliert an die Bundesregierung, sich stärker für die Rettung ihres Vaters zu engagieren. "Hier ist ein Staatsmord geplant", befürchtet sie, "ich frage mich: Was ist das Leben eines deutschen Staatsbürgers wert?"
Auch Mina Ahadi vom Zentralrat der Ex-Muslime fordert ein stärkeres Durchgreifen deutscher Politiker und Behörden angesichts der drohenden Hinrichtung Sharmahds. Sie erinnert an die Inhaftierung zweier deutscher Journalisten im Iran 2010, als der damalige Bundesaußenminister Guido Westerwelle in das Land flog und beide zurück nach Deutschland brachte. Solch eine aktive Politik wünscht Mina Ahadi sich auch in der aktuellen Situation. "Was Menschenrechtsverletzungen oder Hinrichtungen im Iran betrifft, ist Deutschland sehr leise, und das ist überhaupt nicht gut."
Immer wieder werden Fälle bekannt, in denen Menschen mit doppelter Staatsangehörigkeit im Iran inhaftiert werden, wobei dem AI-Mitarbeiter Dieter Karg zufolge auch "konstruierte Vorwürfen von Straftaten" formuliert würden. Dies lege nahe, "dass diese Menschen als Geiseln gehalten werden, um Druck auf andere Staaten auszuüben oder die Freilassung staatlicher Agenten im Ausland, z.B. in Belgien oder Schweden, zu erreichen."
Allein im ersten Halbjahr 2022 wurden im Iran nach Angaben von AI mindestens 251 Todesurteile vollstreckt. Tatsächlich müsse man jedoch von einer höheren Zahl ausgehen, so die Menschenrechtler, da die iranischen Behörden Informationen zu Hinrichtungen geheim hielten.
Hinweis der Redaktion: Der Text wurde am 12.08.2022 um 19:15 Uhr um das Statement von Mina Ahadi erweitert.
1 Kommentar
Kommentare
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Allein die Tatsache, dass die iranischen Behörden Informationen zu Hinrichtungen geheim halten zeigt doch, das diese wissen, dass Hinrichtungen im 21.
Sollten die Menschen in diesen Ländern nicht einmal darüber nachdenken und Protest
einlegen um nicht als dumme Schlächter dargestellt zu werden.