Aufgrund strittiger Experten:

Elternverein NRW kritisiert Positionspapier der katholischen Präventionsbeauftragten

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Der Elternverein Nordrhein-Westfalen wirft den Präventionsbeauftragten der katholischen Kirche vor, in einem kürzlich erschienenen Papier untragbare Personen aufzuführen. Das Konzept schütze nicht vor Missbrauch, sondern öffne eher den Weg dazu, heißt es in einem offenen Brief.

Strukturelle Probleme in der katholischen Sexualmoral

Anfang April veröffentlichte die Bundeskonferenz der diözesanen Präventionsbeauftragten ein Positionspapier, das sich mit der Zukunft der Kinder- und Jugendarbeit in der katholischen Kirche auseinandersetzt. Die zentrale Frage: Wie kann sexuelle Bildung innerhalb kirchlicher Einrichtungen gelingen, ohne sexuelle Gewalt zu perpetuieren?

Das Positionspapier identifiziert eine "Stagnation der kirchlichen Sexuallehre als mittelbare Ursache für die Missbrauchstaten". Die Kriminologin Ursula Gasch wies bereits 2010 auf diesen Zusammenhang hin: "Die Attraktivität der katholischen Kirche als potenzielles Biotop für Sexualstraftäter liegt vor dem Hintergrund der Zurückhaltung der Kirche im Umgang mit dem Thema Sexualität und sexuellem Missbrauch auf der Hand, da die Gefahr der Entdeckung und der Entlarvung in diesem Umfeld vergleichsweise gering ist."

Ein neuer Umgang mit vor allem frühkindlicher Sexualität soll es also sein, der der katholischen Kinder- und Jugendarbeit wieder zu mehr Vertrauen verhilft. Im weiteren Verlauf des Papiers zeichnen die Präventionsbeauftragten eine Skizze eines solchen neuen Umgangs, und gründen sich dabei teilweise auf den französischen Philosophen Michel Focault und den deutschen Pädagogen Uwe Sielert.

Strittige Expertisen

Dies veranlasste den Elternverein Nordrhein-Westfalen nun zu einem offenen Brief, über den die Rheinische Post zuerst berichtete. Focault und Sielert seien vollkommen ungeeignet, um in einem Papier zur Missbrauchsprävention Erwähnung zu finden, so der Elternverein. Focault, der bereits 1984 verstarb, vertrat die Ansicht, Minderjährige seien in der Lage, ihr Einverständnis zu sexuellen Handlungen auch gegenüber Erwachsenen zu erklären.

An der Zitierung Sielerts kritisiert der Elternverein dessen Nähe zum wirkmächtigen Sexualwissenschaftler Helmut Kentler. Dieser hatte Ende der 1960er-Jahre im Rahmen staatlicher Programme Jugendliche aus äußerst instabilen Verhältnissen bei ihm bekannten Pädophilen in Pflege gegeben. Dass es dabei zu sexuellen Handlungen kommen würde, war Kentler bewusst.

Eine vergangenes Jahr veröffentlichte Studie zum Wirken Kentlers der Universität Hildesheim bezeichnet Kentler als einen der Hauptakteure eines pädokriminellen Netzwerks, der durch die Übernahme von Fällen im Berliner Jugendamt eine vielfache "Kindeswohlgefährdung in öffentlicher Verantwortung" verursachte. Sielert distanzierte sich 2014 in einer Veröffentlichung von seinem 2008 verstorbenen Freund.

"Insgesamt sind gute Ansätze darin. Als Vertreter der Elternschaft macht es uns aber nahezu fassungslos, auf welche 'Experten' die katholische Kirche ihre neue Missbrauchsprävention stützen möchte", sagt Andrea Heck, Vorsitzende des Elternvereins, gegenüber der Rheinischen Post. Die dargestellte Form der sexuellen Bildung stelle einen "eindeutig pädophilen Ansatz" dar, schreibt der Elternverein.

Reaktion der Bischofskonferenz bleibt aus

Die Präventionsbeauftragten weisen diesen Vorwurf zurück. Das Papier habe "eindeutig und unmissverständlich die Stärkung der Sprachfähigkeit und Kompetenzerweiterung aller Kinder und Jugendlichen zum Ziel".

Die Deutsche Bischofskonferenz (DBK), die das Papier in Umlauf gebracht hatte, möchte derweil keinen Kommentar zu dessen Inhalt abgeben. Das Papier sei die alleinige Verantwortung der Präventionsbeauftragten der Bistümer.

Das wirft die Frage auf, inwieweit die DBK überhaupt kontrolliert oder auch nur sichtet, was sie veröffentlicht. Unklar ist auch, wie mit dem Papier weiter verfahren wird: Versinkt es in einer Schublade der klerikalen Bürokratie, oder soll das Konzept zur Anwendung kommen? Wenn ja, in welchem Rahmen und in welchen Diözesen? Die Bischofskonferenz schweigt.

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