Evidenzlose Gesundheitsversprechen in die Schranken gewiesen

Schlafen.jpg

Eines von mehreren beanstandeten Gesundheitsversprechen: Die Bettauflage von "Samina Deutschland" verringere den Cortisolspiegel und senke dadurch den Stress.

Die Verbraucherzentrale NRW hatte vor Gericht Erfolg: Die Gesundheitsversprechen im Zusammenhang mit einer Bettauflage von "Samina Deutschland" sind unzulässig. Das Landgericht Kempten (Allgäu) untersagte nun entsprechende Online-Werbung. Das Projekt "Faktencheck Gesundheitswerbung" hatte den Hersteller bereits im Oktober 2021 wegen Verbrauchertäuschung abgemahnt. In drei Jahren hat das Projektteam insgesamt rund 40 Anbieter wegen Rechtsverstößen bei Produktwerbung abgemahnt, darunter bekannte Unternehmen wie DrSmile, Liebscher & Bracht, Stada, Medice und More Nutrition. Dringend nötig sei mehr Verbraucherschutz im Internet.

Das Projekt "Faktencheck Gesundheitswerbung" der Verbraucherzentralen Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz ist erneut erfolgreich gegen irreführende Werbung vorgegangen. Bereits im Oktober 2021 hatten die Verbraucherschützer bestimmte Werbeaussagen für eine Bettauflage des Herstellers Samina Deutschland auf YouTube abgemahnt. In einem Video wurde unter anderem behauptet, die "Lokosana © Erdungsauflage" würde den Cortisolspiegel verringern und "auf jeden Fall auch entzündungslindernd" wirken. Weil dafür aber die wissenschaftlichen Belege fehlten, mahnte die Verbraucherzentrale NRW mehrere Werbeaussagen ab. Das Unternehmen weigerte sich jedoch, eine Unterlassungserklärung zu unterzeichnen. Deshalb ging es vor Gericht. Das Landgericht Kempten im Allgäu bestätigte nun die Rechtsauffassung der Verbraucherschützer, und Samina Deutschland muss die unlautere Werbung künftig unterlassen (Az.: 1 HK O 149/22, das Urteil ist noch nicht rechtskräftig).

Auslöser: Irreführende Werbung für Bettauflage

Bei dem Produkt handelt es sich um eine sogenannte Erdungsauflage aus einem Baumwoll-Silbergewebe. Über den Anschluss an eine Steckdose mit einem stromlosen Stecker sollen Anwender:innen im Schlaf "geerdet" werden, in esoterischen Kreisen wird dieser Vorgang Erdung, "Earthing" oder "Grounding" genannt. Die wissenschaftlichen Nachweise dafür sind unzureichend. In dem YouTube-Video bewarb Hersteller Samina die Bettauflage trotzdem mit dem Gesundheitsversprechen: "Sie verringert den Cortisolspiegel, senkt dadurch den Stress, sie fördert die Durchblutung in den kleinen Kapillaren und wirkt auf jeden Fall auch entzündungslindernd."

Vor Gericht präsentierte das Unternehmen verschiedene Studien, die die angebliche gesundheitliche Wirkung belegen sollten. Das Landgericht Kempten zeigte sich davon nicht überzeugt: Die von Samina vorgelegten Studien seien "nicht geeignet" die Werbeaussagen zu belegen und "die beworbenen gesundheitsbezogenen Wirkungen der Lokosana Erdungsmatte nachzuweisen". Im Interesse des Gesundheitsschutzes der Bevölkerung gelte für Angaben mit fachlichen Aussagen auf dem Gebiet der gesundheitsbezogenen Werbung, "dass die Werbung nur zulässig ist, wenn sie gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entspricht", heißt es im Urteil.

Die Verbraucherschützer begrüßen die klare Aussage des Gerichts: "Manche Gesundheitsversprechen, die im Internet kursieren, sind reiner Aberglaube. Bei der Produktwerbung mit Gesundheitsbezug gelten aus gutem Grund strenge Regeln", sagt Wolfgang Schuldzinski, Vorstand der Verbraucherzentrale NRW. "Für die angeblichen gesundheitlichen Wirkungen von Erdung und Grounding durch Bettauflagen gibt es bisher keine Studien, die den anerkannten Regeln und Grundsätzen wissenschaftlicher Forschung entsprechen. Deshalb ist es gut für Verbraucher:innen, dass sie nun vor solchen Werbeaussagen geschützt sind."

Irreführende Heilsversprechen: Projekt "Faktencheck Gesundheitswerbung" zieht Bilanz und fordert Kontrollen

Seit August 2020 schauen die Verbraucherzentralen NRW und Rheinland-Pfalz bei Gesundheitswerbung im Internet genau hin. Jurist:innen und Gesundheitsfachleute spüren Rechtsverstöße bei Produktwerbung von Anbietern und Herstellern auf. Rund 40 Anbieter wurden bisher abgemahnt, von DrSmile und More Nutrition über Stada bis zu Liebscher & Bracht. Denn das Ausmaß falscher Heilsversprechen ist groß.

Wolfgang Schuldzinski betrachtet die wachsende Flut an falschen und teils gesundheitsgefährdenden Informationen im Internet mit Sorge: "Das Projektteam hat seit dem Start hunderte Verbraucherbeschwerden zu Gesundheitsinformationen und Werbung dokumentiert und verschiedene Anbieter und Hersteller abgemahnt und verklagt. Aber um hier grundsätzlich einen besseren Verbraucherschutz zu erreichen, müssen alle verantwortlichen Akteure im System zusammenarbeiten." Verstöße gab es gegen diverse Rechtsvorschriften, vom Heilmittelwerbegesetz über die Medizinprodukte- und die Lebensmittel-Verordnung bis zur ärztlichen Berufsordnung.

"Wir brauchen mehr Verbraucherschutz in den Sozialen Netzwerken – und mehr Kontrollen", ist Projektleiterin Gesa Schölgens überzeugt. "Menschen, die sich um ihre Gesundheit sorgen, müssen besser geschützt werden. Viele nehmen beispielsweise Nahrungsergänzungsmittel, ohne zu wissen, dass Heilsversprechen für solche Produkte meist unzulässig sind und die Kombination mit Arzneimitteln riskant sein kann. Wenn fragwürdige Produkte eine medizinisch erprobte Therapie ersetzen, kann es gefährlich werden – so wie bei Kurkuma für Krebskranke."

Die Verbraucherzentralen fordern zum Beispiel seit langem strengere Vorgaben für Nahrungsergänzungsmittel und mehr Kontrollen bei Social-Media-Anbietern wie Facebook, Instagram, YouTube und Co. Gerade dort ist das Projektteam sehr aktiv, um Verbraucher:innen direkt zu erreichen.

Unterstützen Sie uns bei Steady!